Koch-Magazine: Freaky Frikadellen
Der Markt der Kochmagazine boomt. Doch nicht alle Geschmäcker werden bedient.
Henri Nannen ist skeptisch, als seine Kollegin 1972 eine Kochzeitschrift gründen will: „Wie wollen Sie denn eine Essen-und-Trinken-Zeitschrift machen, da geht Ihnen doch spätestens nach zwei Jahren der Stoff aus?“, fragte er Angelika Jahr. Heute ist „Essen & Trinken“ aus dem Verlagshaus Gruner + Jahr (G + J) 43 Jahre alt, nennt sich Foodmagazin, und der Stoff ist bei einer monatlich verkauften Auflage von 162 000 Exemplaren, auch noch nicht ausgegangen. „Food ist das neue Fashion“ oder „Schlemmen statt Sex“ – solche Slogans stehen für den ungebrochenen Trend der Essenstitel.
Nun hat sich die Mutter aller Kochzeitschriften, die den Deutschen in den 1970er Jahren erklärte, was eine Avocado ist, einen neuen Look zugelegt. Der Titel ist bis auf eine neue Schrift zwar weitgehend gleich geblieben. Innen wirken die Seiten aber aufgeräumter. Mehr Weißraum, mehr Doppelseiten und längere Bildstrecken auf 16 Seiten mehr Heftumfang und eine fotografisch großzügige Inszenierung. Das neue „Essen & Trinken“ kostet daher auch 4,90 Euro statt vormals 4,20 Euro.
Erscheinen soll das Magazin künftig in einem Joint Venture, das G + J zusammen mit dem Landwirtschaftsverlag Münster („Landlust“) gründen will. Ziel des gemeinsamen Unternehmens sei, „die Marktposition der eingebrachten Titel weiter zu stärken und auszubauen und neue Produkte für das Segment ,Land, Living und Food‘ zu entwickeln“, teilten die Verlage am Donnerstag mit. G + J bringt neben „Essen & Trinken“ die Magazine „Essen & Trinken für jeden Tag“, „Flow“ und „Living at Home“ in das Joint Venture ein, der Landwirtschaftsverlag neben der „Landlust“ den Titel „Einfach Hausgemacht“. Das Kartellamt muss den Plänen noch zustimmen.
Deutschlands Bibel der Hobbyköche
Schon der Relaunch von „Essen & Trinken“ zeigt, dass der Verlag mit dem Magazin noch viel vorhat. Etliche neue Rubriken sind aufgenommen worden, wie etwa eine Kolumne von Komikerin Cordula Stratmann. Die neun fest angestellten Köche sollen als Protagonisten noch präsenter werden und beispielsweise in Italien nach der besten Pasta suchen. „Deutschlands Bibel der Hobbyköche“ nennt Chefredakteur Jan Spielhagen das Magazin selbstbewusst. Als „Editorial Director Food“ verantwortet er auch die Hefte „Essen & Trinken für jeden Tag“, „Jamie“, „Deli“, „Salon“ „Chefkoch“ und „Beef!“ – „Beef!“, das Magazin für Küchenmachos, ist ein opulent gestaltetes Heft mit Hang zum Wortspiel („Ein Quantum Prost“) und einem Centerfold mit Vier-Gänge-Menü zum happigen Preis von 10 Euro, nach Verlagsangaben liegt die verkaufte Auflage derzeit bei bei 60 000 Exemplaren.
Tatsächlich hat das Segment der Kochzeitschriften weniger Anzeigen- und Auflagenverluste zu verbuchen als der Rest der Branche. 2014 brachte der Hamburger Verlag auch die vierteljährlich erscheinende Edelzeitschrift „Salon“ auf den Markt, für Menschen, die bei Tisch über die Modemesse in Seoul sprechen und dabei Punsch aus einer Silberschüssel für 2100 Euro löffeln.
Die Leserschaft für solche Hefte ist, abgesehen von der Einkommensgruppe, ähnlich wie bei „Essen & Trinken“: zwischen 40 und 60 Jahre alt, zu 80 Prozent weiblich. Junge Menschen suchen dagegen nach Kochrezepten eher auf Portalen wie kochrezept.de oder chefkoch.de, auf denen jedermann seine Rezepte hochladen und die der anderen bewerten kann. Seit zwei Jahren gibt es dazu ein Magazin, in dem die beliebtesten Rezepte von Profis nachgekocht werden – Gruner verweist dabei gerne auf die große Versuchsküche im Verlagsgebäude am Hamburger Baumwall. Jedes „Essen & Trinken“-Rezept wird dort von drei Personen durchgetestet. Das beliebteste „Essen & Trinken“-Rezept sind übrigens: Frikadellen.
„Kochen ohne Knochen“
Auch in anderen Großverlagen ist das Thema Essen und Kochen ein Garant für eine verkaufte Auflage jenseits der 100 000er-Grenze. Erstaunlich aber, dass außer dem Burda-Verlag („slow veggie!“) bisher kein größeres Medienhaus ein regelmäßiges Vegetariermagazin auf den Markt gebracht hat. Hefte wie „Kochen ohne Knochen“ oder „Vegan Live“ stammen aus Kleinverlagen. Offenbar ist die Zielgruppe letztlich doch recht klein.
Einen ungewöhnlichen Versuch hat 2014 immerhin der Bauer-Verlag gestartet, er ließ 30 Journalistenschüler der Bauer Media Academy ein Kochmagazin entwickeln „für alle, die eigentlich nicht kochen“ – mit dem schönen Titel „Mutti“. Unterstützt von der „Lecker“-Redaktion führen drei ehemalige Journalistenschülerinnen das verspielte Heft weiter. Einerseits originell, andererseits mit Klassikern reloaded: In der letzten Ausgabe gab’s Freaky Frikadellen.
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