Indochinakrieg: Frankreich erinnert sich
Arte bringt mit „Saigon“ den Indochinakrieg als Coming-of-Age-Geschichte ins Fernsehen.
Es ist einer dieser fast vergessenen Kriege des 20. Jahrhunderts, in den es die drei jungen Franzosen Philippe, Gérard und Pedro im Jahr 1949 verschlägt. Vietnam, hier liefert sich das französische Militär gerade einen blutigen Kolonialkonflikt mit der nach Unabhängigkeit strebenden Viet Minh. Bereits in diesem ersten Indochinakrieg verlieren Hunderttausende ihr Leben. Erst 1954 zieht sich Frankreich geschlagen aus Vietnam zurück und das Land wird geteilt.
Der von Arte koproduzierte Fernsehfilm „Saigon – Der Sommer, die Liebe, der Krieg“ (2011) beleuchtet dieses jüngere Kapitel der französischen Kolonialgeschichte. Philippe (Théo Frilet), Gérard (Clovis Fouin) und Pedro (Adrien Saint-Jore) sind beste Freunde aus Kindertagen. Doch Freundschaften zählen nichts in diesem schmutzigen Krieg, zumal die Überlebenschancen der Freunde im Sommer 1949 kaum ungleicher verteilt sein könnten.
Philippe, Sohn eines hochrangigen Generals und Landadligen, sitzt weitab der Front beim Nachrichtendienst, Gérard betreibt ein lukratives Import-Export-Schmuggel-Geschäft in Saigon, während Pedro zum Einsatz direkt an die Front geht. Er erlebt die Sinnlosigkeit und Grausamkeit der Einsätze gegen die Vietnamesen hautnah und verroht selbst zusehends. Doch Regierung und Militär wollen die Aussichtslosigkeit des Kriegseinsatzes nicht wahrhaben, so dass Pedro und sein Bataillon in immer neue verlustreiche Kämpfe geschickt werden.
Als Philippe davon erfährt, dass sein Vater an der fränzösischen Strategie für den Indochinakrieg beteiligt ist, gerät auch sein Leben aus den Fugen. Der Vater hatte bisher alles bestimmt, hatte eine Ehe zwischen Philippe und seiner Geliebten Phuong (Audrey Giacomini) abgelehnt und ihn stattdessen mit deren Freundin Fabienne verheiratet. Doch Philippe und Phuong unterhalten heimlich weiter eine Beziehung.
Zeithistorische Stoffe als Eventfernsehen aufbereitet sind ästhetisch und erzählerisch nicht unbedingt der neueste Schrei. Zumal in Deutschland, wo die Produktionen von teamWorx dieses Format in den letzten zehn Jahren bereits zu einer festen Größe im Fernsehen gemacht haben. Doch der TV-Zweiteiler „Saigon“ greift ein lange verdrängtes, in Frankreich durchaus brisantes Thema auf. Man kann ihn als eine Art Psychogramm der strauchelnden Kolonialmacht Frankreich lesen und darin allerlei Anspielungen auf die Zeitgeschichte, etwa den Piaster-Skandal finden. Zudem ist der Indochinakrieg ein Stück europäische Kolonialgeschichte, die auch Deutschland angeht. Zehntausende deutsche Legionäre, zumeist Weltkriegsveteranen, haben dort auf französischer Seite in der Fremdenlegion gekämpft.
Figurenensemble und Plot von „Saigon“erinnern dabei an die ZDF-Produktion „Unsere Mütter, unsere Väter“. Doch wo Regisseur Philipp Kadelbach auf zermürbenden Realismus und schonungslose Brutalität setzt, zielt Philippe Venault stärker aufs Menschliche. Das Spiel der Darsteller und der Soundtrack gehen ins Melodramatische. Das wirkt zuweilen unangemessen vor der historischen Dimension der Ereignisse. Und auch der übertriebene Einsatz der Handkamera konterkariert stellenweise den Anspruch auf Authentizität.
Dennoch ist „Saigon“ als Genremix aus Liebes-, Kriegs- und Familiendrama mit einigen Film-Noir-Tönen insgesamt erfrischend erzählt und ästhetisch ansprechend. Als Verdienst bleibt, dass Arte und andere französische Sender mit „Saigon“ den Indochinakrieg als Thema aufgreifen und in zeitgenössischem Format ins Fernsehen bringen.
„Saigon“, 20 Uhr 15, Arte
Michael Krause
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