"2254" auf Deutschlandradio Kultur: Format mit Fortüne - aber ohne Zukunft?
Joachim Huber wundert sich, dass Deutschlandradio Kultur mit dem Ende von "2254" die Partizipation des Publikums wegreformieren will.
2254, das klingt wie die Zahlenkombination, mit der ein Besitzer sein Handy nutzbar macht, oder wie die Pin, mit der die Anmeldung am Bankomat glückt. Vier Ziffern, bei aller Verschiedenheit auf millionenfachen Gebrauch angelegt. Manches, vieles im täglichen Leben hängt davon ab. Auch das Glück von Radiohörern. „2254“, das ist der nicht so spektakuläre Titel eines Formats im Deutschlandradio Kultur, vier Ziffern am Ende einer langen Telefonnummer. Es ist eine 0800-Nummer, wer auch immer von wo auch immer anruft, gelangt kostenfrei ins Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz und vielleicht auch in die Sendung: „2254“. Seit 16 Jahren ist das Call-in-Format im Programm, jetzt ist es aufs Höchste gefährdet. „2254“ soll im Rahmen der anstehenden Programmreform von Deutschlandradio Kultur abgeschafft werden. Als Finaltag ist der 20. Juni angesetzt.
Nix gegen eine Reform. Programmdirektor Peter-Andreas Weber will ein erfolgreicheres Angebot. Deutschlandradio Kultur kann erfolgreicher werden, das ist nicht die Frage, die Frage ist vielmehr, auf welchem Weg der Erfolg angesteuert wird. „2254“ ist dabei ein Format, das dem Erfolg nicht im Wege stand und steht, „2254“ ist ein Erfolg. Weil die Sendung besonders, vielleicht einzigartig ist. Sind es Zehn-, sind es Hunderttausende, die in jeder Nacht außer in der von Freitag auf Samstag, um 1 Uhr 05 ihr Radio einschalten? Nachtwandler werden darunter sein, Schlaflose, Flaneure, auf der anderen Seite gibt es Nachricht von Aficionados, die sich den Wecker stellen. Zufallshörer trifft Stammhörer. „2254“ funktioniert mit dem raffiniert-einfachen Grundgedanken, dass Hörer Radio machen können für Hörer. Schier jedes Thema kann verhandelt werden, die Fantasie der Redaktion ist unbegrenzt. Spätestens am Nachmittag angekündigt, werden über die 0800-Nummer Teilnehmer für das Nachtgespräch gewonnen.
„2254“ ist die radiofone Freiheit des Andersdenkenden. Wer zuhört – das ist die einzige Grundbedingung dieses Formats – wird sich ärgern, sich freuen, applaudieren und Buh schreien der Beiträge wegen. Und er wird staunen – weil er nicht weiß, was der nächste Teilnehmer sagen und meinen wird. Mehr Überraschung ist im Radio selten. Und noch seltener ist, dass Macher dem Publikum zutrauen, diese könnten eine Stunde Radio tragen. Wer je wissen wollte, was die Macht und die Herrlichkeit und, oh ja, auch die Ohnmacht und die Hässlichkeit von Hörfunk im Hörermodus sein kann, der muss „2254“ einschalten. Hier sprechen Menschen mit Menschen. Mag stimmen oder nicht, aber um 1 Uhr 05 klingt Radio anders, sind die Sinne geschärfter, der Konzentrationsgrad ist ein ganz anderer.
Deutschlandradio Kultur, nicht eben die Speerspitze radiofoner Avantgarde in diesem Land, ist eine Sensation gelungen – der Sender hat mit „2254“ die Partizipation des Publikums im Radio etabliert. Die Emanzipation des Hörers implantiert. Hirnsache, die Herzensangelegenheit wurde. „2254“ kann dem Erfolg von Deutschlandradio Kultur nie im Wege stehen. Das Format ist Teil der Zukunft, die die Programmreform gewinnen will.
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