Links und rechte Medien in den USA: Fakten, Fake News, Fake-Fake-News
Liberale lieben Journalismus, Konservative Propaganda: Eine Studie beschreibt, wie Medien in den USA zu Mediensystemen wurden.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind gespalten. Hier die Konservativen, die Republikaner, dort die Liberalen, die Demokraten. Sie leben in verschiedenen Medien-Blasen, beide Gruppen sehen verschiedene Fernsehprogramme, frequentieren verschiedene Webseiten und trotzdem ähneln sie sich in ihrer einseitigen Sicht der Realität. Das konservative Fox-Fernsehen ist dann die eine Seite der Medienmedaille, MSNBC die andere.
Das jüngst erschienene Buch „Network Propaganda, Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics“ von Yochai Benkler, Robert Faris und Hal Roberts, sie arbeiten alle drei am Berkman Klein Center in Harvard, will eine andere Sicht etablieren. Die Konservativen und die Liberalen haben schon darin keine vergleichbaren Mechanismen, wie sie Stories in den Medien evaluieren.
Laut Studie wollen Liberale Fakten, Konservative ihre Vorurteile verstärkt sehen. Noch schärfer: Liberale wollen Journalismus, Konservative wollen Propaganda. Das rechte Medien-Ökosystem unterscheidet sich, schreiben die Autoren, kategorisch vom Rest der Medien-Umwelt und sei viel anfälliger für Desinformation, Lügen, Halbwahrheiten. Aber, und das ist seine besondere Stärke, es funktioniert vom Radiotalker Rush Limbaugh bis hin zum Fernsehsender Fox einwandfrei. Fake News werden Fakten, um dann als Fake-Fake-News wieder Fakten zu werden.
Architektur der politischen Kommunikation
Die Studie hat im Kern keine generelle Medienkritik zum Ziel, sondern will, auf sehr breiter Datenanalyse, die Architektur der gegenwärtigen (politischen) Kommunikation in den USA darstellen. Im Zentrum steht das rechtsgerichtete Medien-Ökosystem, wie es arbeitet, was es anrichtet. Immer vor dem Hintergrund, dass den Linken und Liberalen solch eine geschlossene, homogene, effektive Mechanik nie gelungen ist, dieser „feedback loop“, Kommunikationskreisläufe, die keinen Anfang und kein Ende haben, doch im Wesentlichen auf Bestätigung, wenn nicht auf Eskalation angelegt sind.
Die Zweiteilung der medialen Ökosysteme bringt es mit sich, dass es auf der linken Seite sehr viel seltener Akte, Aktionen der Verdrehung von Information in Desinformation bis hin zur Denunziation gibt. Donald Trumps Russland-Verstrickung gehört zu den wenigen Beispielen. Ansonsten herrscht „truth-seeking“, die Suche nach Wahrheit vor.
Bei den Konservativen, siehe Breitbart, gehört der umgekehrte Ansatz, das Marginalisieren unpassender Fakten und deren Zuspitzung, Radikalisierung zum Programm. Sie müssen, wie US-Präsident Donald Trump „Fake News“ schreien, weil Nachrichten weniger auf den Wahrheitsgehalt hin abgeklopft denn auf ihre Tauglichkeit für das eigene Ökosystem geprüft werden. Wahrheit und Wahrheiten werden so relativiert und relativ. Die eigene Wahrheit wird über ständige Wiederholung, mit den Mitteln des Quasi-Journalismus und unter Verzicht zur Selbstkorrektur, zur Gewissheit.
Die Studie erinnert dabei an die Vorwürfe gegen die damalige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, die der Pädophilie, sprich des Missbrauchs von Flüchtlingskindern bezichtigt wurde. Die Geschichte war eine Erfindung, eine Lüge. Während die linken Medien sie ignorierten, sobald der Nonsens-Charakter offenbar wurde, brachten die rechten Medien sie in immer neuen Versionen während des Wahlkampfs um die Präsidentschaft unter Leser, Hörer und Zuschauer – was die Glaubwürdigkeit der unglaublichen Story ständig wachsen ließ.
Weder Internet noch soziale Medien verantwortlich für Disruption
In der Frage, was welche Medien-Technologie bei Konsumenten anrichtet, geben sich die Forscher entspannt. Weder das Internet noch die sozialen Medien hätten die Disruption der Medienwelt weiter befördert, wo sie bei Radio und Fernsehen längst disruptiv war. Internet, soziale Medien, russische Propaganda, Cambridge Analytica, Facebook spielen ihre Rollen, doch hätten sie nichts kreiert, was nicht schon dagewesen wäre: Medien, die konservative Propaganda betreiben.
Die Autoren geben sich optimistisch und pessimistisch. Optimistisch, weil Internet und soziale Medien keinen unmittelbaren Druck auf die Demokratie und ihre Institutionen ausüben können. Außerhalb des rechtsgerichteten Medien-Ökosystems läuft die Online-Kommunikation sogar mehr in Mainstream-Bahnen als zuvor. Pessimistisch, weil politische Führer und Parteien über entsprechend ausgerichtete Medien eben doch mit Desinformation und Hass provozierenden Botschaften Menschen für sich gewinnen und manipulieren wollen.
Lösungen in Sicht? Es muss der Journalismus gestärkt werden, der nicht nur neutral sein will, sondern die Wahrheit hinter einer Geschichte, einer Behauptung sucht. Sehr schwer herzustellen, aber, so formulieren es die Autoren in ihrem Schlusswort, „wir huldigen all den verschiedenen Methoden, weil manche von ihnen tatsächlich einiges an Unsicherheit und Misstrauen aufrollen können“. Da das Problem tiefreichende politische Wurzeln hat, bedarf es eben nicht nur technokratischer, sondern auch politischer und kultureller Mittel.
Beides muss überwunden werden: rechte Propaganda und linker Kritizismus, wie Benkler, Faris und Roberts schreiben. So einen Rahmen zu entwickeln, „ist die wahre Antwort auf die Bedrohung der Nach-Wahrheits-Ära“.
Yochai Benkler, Robert Faris, Hal Roberts: Network Propaganda. Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics. Oxford University Press 2018. 462 S., 26,50 €. Kostenlos bei Google Books