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Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sollte energischer gegen Falschmeldungen im eigenen Netzwerk vorgehen.
© REUTERS

MEDIA Lab: Fake News, außer Kontrolle

Stephan Russ-Mohl ärgert sich über die Desinformations-Schleudern Facebook und Twitter

Seit wir uns aus der Schockstarre über das amerikanische Wahlergebnis lösen, spricht sich vermehrt herum, was Forscher seit langem befürchtet haben: Dass die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter zu Desinformations-Schleudern geworden sind. Die „Giant Teenagers“, wie die Zürcher Medienökonomin Natascha Just die Plattform-Betreiber bezeichnet, haben es bisher entschieden abgelehnt, redaktionelle Verantwortung die Inhalte zu übernehmen, die sie mit Hilfe ihrer Algorithmen nicht nur verbreiten, sondern auch „hypen“ oder uns vorenthalten. Weil sich die weltumspannenden Konzerne, ihrem Organisationsalter entsprechend eben auch pubertär benehmen, konnten die sozialen Netzwerke zu Orten werden, in denen Hass gepredigt wird und sich Schwarmdummheit ausbreitet. Propagandatrupps und Polit-Strategen jedweder Couleur, vor allem jedoch im rechten Lager, verbreiten hemmunglos und ungehindert Fake News und nutzen dabei obendrein Social bots – Roboter, die Verwirrung stiften, indem sie tausendfach Falschmeldungen teilen, „liken“ oder auch selbst in die Welt setzen.

Das ist schlimm, gerade weil sich die Internet-Giganten unentbehrlich gemacht haben. Ihre Dienstleistungen, die sie für uns Nutzer meist gratis erbringen, sind aus unserem Alltagsleben nicht mehr weg zu denken. Andererseits haben sie in wenigen Jahren unkontrollierte Macht über den öffentlichen Kommunikationsraum gewonnen wie kein Medienunternehmen je zuvor – darauf hat soeben Rasmus Kleis Nielsen (University of Oxford) auf dem Kongress der europäischen Kommunikationsforscher in Prag neuerlich hingewiesen.

Wissen die Tech-Giganten um die Gefahr fürs Geschäftsmodell?

Bleibt zu hoffen, dass die Teenager-Giganten aus dem Silicon Valley demnächst erwachsen werden und selber merken, dass proliferierende Desinformation nicht nur das Gemeinwesen, sondern mittelfristig auch ihr eigenes Geschäftsmodell schädigt. Was sie bisher zuwege gebracht haben, um die Flut der Falschmeldungen und Viertelwahrheiten einzudämmen und öffentliche Interessen wenigstens rudimentär zu schützen, entmutigt allerdings. Es erweckt den Eindruck, als agierten sie stümperhaft. Emily Bell, Direktorin des Tow Center for Digital Journalism an der Columbia University, hat recht, wenn sie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auffordert, er möge sich endlich seiner Verantwortung stellen – und einräumen, dass seine Plattform Inhalte auf „obskure Weise“ moderiert, „Echo-Kammern gegeneinander abschirmt“, und dass „die Fake news ausser Kontrolle geraten sind“.

Stephan Russ-Mohl

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