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Dreimal zwölf Punkte für Michael Schulte und "You Let Me Walk Alone".
© Jörg Carstensen/dpa

"Unser Lied für Lissabon": Etwas mehr Begeisterung für den deutschen ESC-Kandidaten, bitte!

Dreimal zwölf Punkte für Michael Schulte und "You Let Me Walk Alone", das ist eindeutig. Doch die TV-Quote beim ESC-Vorentscheid zeigt, dass den Deutschen der Glaube an eine gute Platzierung in Lissabon fehlt.

Zahlen lügen nicht. Die Zuschauerzahlen vom Donnerstag zeigen eines ganz deutlich: Das Abschneiden der deutschen Biathlon-Frauenstaffel hat die Nation weit mehr bewegt als andere Ereignisse wie der deutsche Vorentscheid zum Eurovision Song Contest: Fast sechs Millionen Menschen hatten mittags ihre TV-Geräte eingeschaltet, auch wenn die deutschen Biathletinnen ohne Medaille blieben. Aus TV-Sicht könnte man allerdings sagen, dass Platz acht besser ist als der 13. Rang – mit dem sich der ESC-Vorentscheid am Donnerstagabend zufrieden geben musste. Nur etwas mehr als drei Millionen Menschen interessierten sich für „Unser Lied für Lissabon“. Eindeutiger könnte das geringe Interesse der Deutschen an diesem europäischen Wettbewerb nicht dokumentiert werden.

Die Qualität von Songs und Künstlern spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Michael Schultes Ballade „You Let Me Walk Alone“ für den vor 13 Jahren gestorbenen Vater – auf Englisch vorgetragen – geht zu Herzen. Der 27-jährige Sänger aus Buxtehude („Ja, das gibt es wirklich“) hat eine große Fangemeinde auf Youtube und bei Spotify. Eine große Orchestrierung und explosive Bühnenshow würde nicht zu ihm und seinem Song passen, der stilisierte Laptop mit den darauf laufenden Bildern und Texten hat beinahe Karaoke-Charakter. All das kann in Portugal helfen.

Nicht auf Pop-Mainstream gesetzt

Vor allem aber: Mit Michael Schulte hat sich eine authentische deutsche Lösung durchgesetzt, nicht der internationale Pop-Mainstream. Wie einfach wäre es gewesen, die Georgierin Natia Todua auszuwählen, die aktuelle „Voice“-Siegerin. Oder Xavier Darcy, geboren in Schottland als Sohn eines französischen Vaters und einer englischen Mutter. Doch der Versuchung, bei der Entscheidung auf auf die möglichen Solidaritätspunkte aus anderen Teilnehmerländern zu hoffen, erlagen die Jurys nicht. Das Einzige, was an Schultes Beitrag bemäkelt werden könnte, wäre, dass der Charakter des Songs an Salvador Sobrals Siegerlied vom Vorjahr erinnert. Überhaupt: Auch bei der Vorstellung der anderen Kandidaten fiel auf, dass ihr jeweiliges Repertoire deutlich optimistischere, euphorischere Stücke enthält als die speziell für den ESC komponierten Stücke.

Was dem Vorentscheid jedoch vor allem fehlte, war die überschwappende Begeisterung. Sicher: Das Moderatorenduo Linda Zervakis und Spaßmacher Elton gaben sich betont lustig, ätzten eine wenig über die „Pimmel-Bühne“, die zu „Unserem Glied für Lissabon“ passen würde. Kommentator Peter Urban, sonst gerne bissig, fand für jeden Kandidaten lobende Worte, besonders allerdings für Michael Schulte, den er auf eine Stufe mit Ed Sheeran stellte.

Gewichtige Mine, wenig Emotionen

Dennoch konnte die Show nicht überzeugen, so richtig kam keine Stimmung auf. Wie anders sahen die Bilder von den Vorentscheiden in Frankreich (Madame Monsieur mit „Merci“) oder Großbritannien (Surie mit „Storm“) aus, wo das Saalpublikum begeistert mitgeht. Im Studio in Deutschland dagegen saßen ganz vorn die zwanzigköpfige Expertenjury sowie die 100 ESC-Hardcore-Fans zählende Eurovisions-Jury – mit gewichtiger Miene, aber ohne sichtbare Emotionen. Das mag professionell wirken, doch ein Signal für einen Aufbruch zu besseren ESC-Zeiten ist das nicht.
Dabei soll doch gerade die geballte Expertise von gleich drei Jurys – den internationalen Profi-Experten, den ESC-Ultras und dem TV-Publikum – dafür sorgen, dass Deutschland nicht wieder weit hinten landet, weil der deutsche Beitrag am allgemeinen ESC-Geschmack vorbeigeht. Dass die Wahl aller drei Jurys auf Michael Schulte fiel, ist ein gutes Zeichen. Aber dennoch: Eine Top-Ten-Platzierung als Ziel wollte ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber am Donnerstag nicht mehr wiederholen. So wie bei den Zuschauern gibt es offensichtlich auch anderswo ein Gespür dafür, was möglich ist und was nicht. Kurt Sagatz

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