ZDFneo-Serie "The Knick": Es war einmal ... in New York
Psychedelisch, stylish, historisch: Steven Soderberghs Serie „The Knick“ spielt im New York des Jahres 1900. Zwei Themen der Serie im Knickerbocker-Krankenhaus: Drogensucht und Rassismus.
Steven Soderbergh, Regisseur solch bemerkenswerter Filme wie „Kafka“ (1991), „Sex, Lies and Videotapes“ (1989) oder „Ocean’s Eleven“ (2001), hat mal kurz das Format gewechselt, als er die Gelder zu dem Kinofilm-Projekt „Behind the Candelabra“ nicht zusammenbekam; dabei waren Michael Douglas und Matt Damon in den Hauptrollen schon gecastet. „Behind the Candelabra“ wurde 2013 ein Erfolg, gewann elf „Emmys“ und gelangte in Europa zu seiner Kinoauswertung (deutscher Titel: „Liberace“). Hollywood war der Film zu gay, wie es hieß, kein Studio wollte den Stoff.
Steven Soderbergh kam über diesen Umweg mit dem Kabelfernsehsender HBO in Kontakt, der „Behind the Candelabra“ produzierte. Und HBOs Tochtersender Cinemax ist es auch, auf dem Soderberghs jüngster Wurf, die erste Staffel der aufwendigen zehnteiligen historischen Krankenhausserie „The Knick“, zu sehen war. Eine zweite Staffel ist derzeit in Vorbereitung, sie läuft vom 16. Oktober an in den USA.
Clive Owen ist in seiner ersten TV-Rolle zu sehen
New York City 1900: Das Knickerbocker-Krankenhaus, genannt „The Knick“, befindet sich im Umbruch. Dr. John W. Thackery (Clive Owen in seiner ersten Fernsehrolle) tritt die Nachfolge seines Chefs und Vorbilds an, des Chefchirurgen Dr. Christensen, der sich, nachdem ihm ein Dutzend Kaiserschnitte misslingen und beim jüngsten Fall Mutter und Kind sterben, eine Kugel in den Kopf jagt. Thackery, eine Kapazität auf seinem Gebiet, stets neue Operationswerkzeuge verfeinernd und sich ganz dem Patientenheil verschreibend, lebt allein, treibt sich in New Yorks Opiumhöhlen herum, geht zu Prostituierten und spritzt sich täglich Kokain in die Füße. Ein Besessener. Eine Kapazität. Einzig die junge zurückhaltende Schwester Lucy (Eve Hewson), die ihren Vorgesetzten einmal in dem desolaten Zustand des Entzugs erlebt und dabei ist, sich in ihn zu verlieben, weiß um die Sucht des neuen renommierten Chirurgen im „The Knick“.
Dr. Thackery braucht nun ebenso einen Stellvertreter, wie er bislang der Stellvertreter von Dr. Christensen war. Dafür setzt ihm Cornelia Robertson (Juliet Rylance), Tochter des vermögenden Financiers des Knickerbocker, jemanden von außen vor, den Thackery begutachten und für gut heißen soll: Dr. Algernon Edwards (André Holland), einen Schwarzen. Thackerys hartnäckige und konsequente Verweigerung, Dr. Edwards zu akzeptieren, wird von einem Teil seines Teams unterstützt, von einem anderen Teil nicht. Er gehöre ins „Neger-Krankenhaus“, sagt Thackery zu Edwards, er würde hier, im Knickerbocker, wo Weiße Weiße behandeln, niemals anerkannt werden. Er könne gehen. Doch Edwards bleibt. Nicht zuletzt die explizit behandelte Thematik des Rassismus – politically incorrect – macht die US-Serie so aktuell.
Soderbergh hat auch die Kamera geführt und den Schnitt verantwortet
Steven Soderbergh hat bei „The Knick“ nicht nur koproduziert, zusammen mit Hauptdarsteller Clive Owen, er hat alle zehn Folgen der ersten Staffel inszeniert, unter dem Pseudonym Peter Andrews die Kamera geführt und unter dem Pseudonym Mary Ann Bernard den Schnitt verantwortet. Das ist so üblich bei Soderbergh. All in one. Auch wenn „The Knick“ von Jack Amiel und Michael Begler erfunden und geschrieben wurde, so ist es doch Soderbergh, der in Vielfachfunktion dieses Kind zu seinem macht. So trägt „The Knick“ ganz seine Handschrift. Die Bilder sind perfekt, nicht glatt oder oberflächlich, die Figuren individuell, brüchig, mit bedachter Langsamkeit biografisch erzählt. Der Stil von „The Knick“ ist modern, und doch haben die Folgen etwas Zeitloses. Altmodische Avantgarde. Die Träume Thackerys, wenn er auf Heroin ist, werden von dem von Cliff Martinez angelegten, wunderbar psychedelisch-stylishen Soundtrack kongenial untermalt.
Dass „The Knick“ auf HBOs Cinemax erst nach zehn Uhr abends lief, hatte seine guten Gründe: Die Krankenhausserie ist wahrlich nichts fürs zart besaitete Gemüt, schwenkt die Kamera doch keineswegs weg, wenn es ans brutal-brachiale Operieren geht, im OP-Hörsaal vor Publikum, gehen Ton und/oder Bild nicht ins Off oder blenden dezent ab, nein, es wird frontal draufgehalten, minutenlang. Das hat manchmal etwas Schockierendes. Im Schauder liegt ein Teil des Faszinosums. Wie wirbt HBO doch für Staffel eins und zwei so schön süffisant: „Modern medicine had to start somewhere!“ Ausrufungszeichen!
„The Knick“: ZDFneo, dienstags, je zwei Doppelfolgen, 22 Uhr 30
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