Fernsehen gegen das Vergessen: Engel vom Himmel
Nummern, Schicksale, Traumata: Zahlreiche Dokumentationen erinnern an die Befreiung des KZ Auschwitz vor 70 Jahren.
Vor 70 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz. „Wir waren so glücklich, dass diese Engel vom Himmel kamen“, sagt Vera Kriegel in der Dokumentation „Night Will Fall“ (ARD, Montag, 23 Uhr 30). Wenige Tage nach den Soldaten folgten sowjetische Kameraleute, die die ersten Bilder von den Überlebenden drehten. Sie ließen eine lange Reihe von Kindern durch eine schmale Gasse zwischen zwei Stacheldrahtzäunen auf die Kamera zulaufen. Hand in Hand in der ersten Reihe: Vera Kriegel und ihre Schwester Eva Mozes Kor, beide in gestreiften Häftlingskleidern. Sie gehörten zu den Zwillingen, die den Experimenten des KZ-Arztes Josef Mengele ausgesetzt waren.
Das „runde“ Gedenkjahr bringt es mit sich, dass sich die Sender noch ein bisschen mehr als üblich ins Zeug legen, um an die Nazi-Verbrechen zu erinnern. Das ZDF überträgt am Dienstag die Gedenkfeiern im Bundestag (ab 9 Uhr) sowie in Auschwitz (15 Uhr 05) live, die ARD zeigt um 22 Uhr 45 eine viertelstündige Zusammenfassung. Mit zahlreichen Dokumentationen bietet das öffentlich-rechtliche System zudem ein umfassendes Angebot zur kollektiven Erinnerung. Man kann das TV-Gedenken als Ritual empfinden, aber Vergessen und Verdrängen sind nun mal keine Alternative. Ob Erkenntnisgewinn oder Überdruss produziert wird, hängt allerdings stark von der Qualität der einzelnen Beiträge ab. Ein Überblick über die wichtigsten neuen Produktionen:
„Nie wieder Theresienstadt“ (Arte, Sonntag, 17 Uhr 35): Die Jugendtheatergruppe „Die Zwiefachen“ der Berliner Schaubühne studiert die Kinderoper Brundibar ein – und trifft Greta Klingsberg, die als Kind die Hauptrolle der Aninka im KZ Theresienstadt 51 Mal gesungen hat. Eine anfangs scheue, dann zunehmend unverkrampfte Begegnung von Jugendlichen mit einer Holocaust-Überlebenden.
„Tomys letzte Reise“ (ZDFinfo, Sonntag, 20 Uhr 55): Der britische Börsenmakler Nicholas Winton rettete 669 jüdische Kinder aus dem besetzten Prag. Im Alter von 105 Jahren steht er noch einmal vor der Kamera, ebenso wie Eve Leadbeater, geborene Prager, die im Frühjahr 1939 im Alter von acht Jahren mit einem der Kindertransporte nach England ausreisen konnte. Auch ihr älterer Bruder Tomy saß schon am 1. September im Zug, doch Deutschland machte die Grenzen nach dem Überfall auf Polen dicht. Er und seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Über die Kinder aus Prag hatten Ulrich Stoll und James Pastouna bereits in einem „Frontal 21“-Beitrag berichtet, dies ist nun die umfassendere, knapp 45-minütige Version.
Die eintätowierte Nummer auf dem Arm erinnert an das Grauen
„Numbered“ (Arte, Montag, um 23 Uhr 55): Im KZ Auschwitz wurde den Häftlingen eine Nummer in die Haut tätowiert. „Für mich ist das keine Narbe, sondern ein Orden“, sagt einer der Überlebenden in dem knapp einstündigen israelischen Dokumentarfilm. Uriel Sinai und Dana Doron haben ein Dutzend Männer und Frauen vor die Kamera geholt. In einer Familie wurde das makabre Auschwitz-Andenken zum Code für den Privat-Safe. Und manche Angehörige haben sich die Nummer ihres Vaters oder Großvaters ebenfalls tätowieren lassen. „Das ist mein Triumph“, sagt Abramo Nacson und deutet auf seinen erwachsenen Enkel. Ein berührender, auch humorvoller Film über die unterschiedliche Art des Umgangs mit den traumatischen Erinnerungen.
Weitere Erstausstrahlungen:
Sonntag: „Die letzten Zeuginnen“, ZDFinfo, 19 Uhr 30, Dokumentation über die Schwestern Renate Lasker-Harpprecht und Anita Lasker-Wallfisch, „Günther Jauch“, ARD, 21 Uhr 45 ,,Gespräch mit Holocaust-Überlebenden“;
Montag: „Gedenkstunde des Internationalen Auschwitz-Komitees. Aus der Berliner Urania“, ZDF, 14 Uhr; „Ich fahre nach Auschwitz“, ARD, 22 Uhr 45, Dokumentation über den Besuch Jugendlicher in der Gedenkstätte Auschwitz;
Dienstag: „Mit dem Mut der Verzweiflung“, ZDF, 22 Uhr15, szenische Doku über das Schicksal von fünf Auschwitz-Häftlingen, darunter der Mutter von Hugo Egon Balder, der durch die Sendung führt; „Thadeusz“, RBB, 22 Uhr 15: Jörg Thadeusz spricht mit dem Jazz-Musiker und Holocaust-Überlebenden Coco Schumann. Thomas Gehringer
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität