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Inhalte liefern! Ohne Programme ist auch der neueste Fernseher nur eine Maschine ohne Seele.
© Arne Dedert/dpa

Aufgabe von Rundfunkanstalt und Medienanstalt: Einheit braucht Vielfalt

30 Jahre Medienstaatsvertrag: Was rbb und mabb für Berlin und Brandenburg leisten – und leisten müssen.

Gerade haben wir uns an den Bau der Berliner Mauer vor 60 Jahren erinnert. Daran, was es bedeutete, Menschen, Familien, Freunde zu trennen. Doch die Mauer teilte nicht nur eine Stadt und ein Land, sie teilte auch den Himmel. Dafür, was im Osten gesendet wurde, so ehrlich muss man sein, interessierten sich die Menschen im Westen herzlich wenig. Umgekehrt behielt man im Osten sein Interesse für Westmedien besser für sich. Ein gemeinsames Erleben, einen gemeinsamen Erfahrungsraum gab es praktisch nicht. Das hätte Medien vorausgesetzt, die die Geschichten der Menschen in Ost und West grenzüberwindend erzählen.

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Es sollte bis zum 31. August 1991 dauern, die Mauer war bereits Geschichte. An diesem Tag vor 30 Jahren trat der erste Rundfunkstaatsvertrag in Kraft, ein Regelwerk für die Medien im vereinten Deutschland. „Rundfunkstaatsvertrag“, das klingt nach Bürokratie, ist es natürlich auch, doch es ist vor allem gestaltende Ordnungspolitik. Der sperrige Begriff sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese gemeinsame Medienordnung mithalf, den Riss zu schließen, der während der deutsch-deutschen Teilung die Gesellschaft entzweit hatte. 30 Jahre und 23 Novellierungen später firmiert das Gesetzeswerk unter dem Namen Medienstaatsvertrag. Doch wie damals ist die Bevölkerung gespalten. Diesmal verläuft der Riss nicht entlang von Mauern und Stacheldraht. Vielmehr haben wir es mit mehreren Rissen zu tun. Sie verlaufen quer durch die Gesellschaft, zerfallen in lautstarke Teilgruppen, die einander kaum zuhören und andere Sichtweisen nur schwer aushalten.

Eva Flecken. ist Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
Eva Flecken. ist Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
© Studio Monbijou

Dabei sind regionale Grenzen überwunden. Von medialer Teilung innerhalb Berlins und zwischen Berlin und dem Nachbarland Brandenburg kann keine Rede sein. Zwar hat jede Region ihre eigenen Zeitungen, ihre lokalen Sender, hier wird „Brandenburg aktuell“ geschaut, die „Abendschau“ dort. Doch organisatorisch ist die Medienlandschaft lange schon zusammengewachsen. Wir, der öffentlich-rechtliche Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und die für Regulierung und Förderung zur Sicherung der Medienvielfalt zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), stehen für den Zusammenhalt unserer Region.

Digitale Kommunikation und digitaler Medienkonsum sind längst Alltag. Inzwischen kann sich kaum jemand mehr vorstellen, wie es anders sein könnte, als mit der Familie zu chatten, online Ware zu bestellen, Filme zu streamen und sich ganz selbstverständlich jederzeit und überall auf den neuesten Informationsstand zu bringen. Zugleich basteln sich manche aus dem, was sie im Netz an ungeprüften Quellen finden, ihre eigenen Wahrheiten, lassen sich von kruden Thesen verführen und bilden sich in einsamen Sitzungen vor dem Bildschirm ein Zerrbild der Wirklichkeit, das radikale Züge annehmen kann.

Patricia Schlesinger ist Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb)
Patricia Schlesinger ist Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb)
© rbb

Es müssen nicht einmal Verschwörungen sein. Um den Zustand der Gesellschaft zu beschreiben, spricht der Kommunikationswissenschaftler Bernhard Pörksen in seinem Buch „Die Große Gereiztheit“ völlig zu Recht von einer kollektiven Erregung, die uns treibt, von einer Wahrheitskrise, die Debatten erschwert, wenn nicht gar unmöglich erscheinen lässt. Was also können wir, der rbb und die mabb, zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen? Was uns verbindet, ist nicht nur die Zuständigkeit für die Medien in der Region. Uns eint der Einsatz gegen Desinformation und für journalistische Sorgfalt, unser Engagement für mediale Vielfalt. Der Medienstaatsvertrag eröffnet uns dafür Möglichkeiten, setzt aber auch Grenzen. Umso wichtiger ist seine zeitgemäße Ausgestaltung.

Gesellschaftliche Einheit

Insofern ist es bemerkenswert, wie aktuell die vor 30 Jahren verfasste Präambel im „Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland“ noch heute ist. Unverändert dient das Gesetz dem Ziel, nicht nur eine räumliche, sondern gesellschaftliche Einheit zu gewährleisten. Erstmals und gemeinsam legten die 16 Bundesländer im Jahr 1991 fest, was das duale Rundfunksystem in Deutschland ausmacht: Der öffentlich-rechtliche und der private Rundfunk sind der freien Meinungsbildung und Meinungsvielfalt verpflichtet. Gegenstand des Gesetzes waren und sind die Bestands- und Entwicklungsgarantie beider Systeme, das Sicherstellen der Verbreitung ihres Programmangebots und das Regelwerk für eine vielfältige Medienlandschaft. Was sich seither jedoch in damals unvorstellbarem Maß geändert hat: Es sind wenige, global agierende und vor allem an wirtschaftlichen Zielen ausgerichtete Tech-Konzerne, die ihre Architektur weltweit anbieten und damit nicht nur die Kommunikationsräume abstecken, in denen wir uns bewegen. Sie bestimmen auch die Art, wie sich Menschen miteinander austauschen, sich individuell informieren oder schlicht Zerstreuung suchen.

Authentische Informationen

Das Bundesverfassungsgericht behält diese Entwicklung im Blick. Seinen jüngsten Beschluss zum Rundfunkbeitrag nahm es zum Anlass, erneut festzustellen, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Zusammenspiel mit den privaten Medien eine große Verantwortung zukommt: die Aufgabe, durch authentische und sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderzuhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken. Damit hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein die Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. Karlsruhe nennt explizit einseitige Darstellungen, Filterblasen, Fake News und Deep Fakes. Sie gilt es zu durchdringen und zu entlarven. Eine Aufforderung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, im Netz Präsenz zu zeigen und sich dort für glaubwürdigen Journalismus zu engagieren und das Meinungsspektrum so breit wie möglich zu spiegeln.

Linear reicht nicht mehr

Es reicht für einen Sender wie den rbb eben nicht mehr aus, lineare Programmstrecken zu bestücken. Wir müssen auch jene Nutzer und Nutzerinnen erreichen, die es nicht mehr gewohnt sind, den Fernseher zu einer bestimmten Uhrzeit einzuschalten, denn sie sind vorwiegend auf digitalen Plattformen und sozialen Medien unterwegs. Dort dürfen wir sie nicht den Algorithmen der Tech-Konzerne überlassen, wenn wir unseren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen wollen. Deshalb ist dem rbb die Audiothek und Mediathek nicht weniger wichtig als das klassische Fernsehen und Radio. Es braucht passgenaue Angebote für alle Teile der Gesellschaft. Ein Beispiel dafür ist das gerade mit dem Prix Italia ausgezeichnete rbb-Format „Safespace“, das auf TikTok 14- bis 16-Jährigen aus Berlin und Brandenburg Orientierung bei Fragen zu Gesundheit und zum eigenen Körper bietet. Formate dieser Exzellenz braucht der rbb künftig mehr.

Digital heißt Zukunft

Für eine Landesmedienanstalt wie die mabb wiederum reicht nicht mehr aus, sich über analoge Kabelbelegung oder terrestrische Verbreitungskapazitäten fürs Fernsehen zu verständigen. Das sind Themen der Vergangenheit. Längst hat sich der Blick geweitet, über digitale Angebote klassischer Rundfunkveranstalter hinaus auch auf Youtube-, TikTok- und Facebook-Kanäle. Dabei müssen Regulierung und Förderung Hand in Hand gehen.

Der rbb darf nun nicht nur Dokus oder den „Tatort“ länger in der Mediathek belassen. Der Staatsvertrag erlaubt es auch, reine Online-Formate anzubieten und damit digitale Plattformen zu bespielen, ohne dass es dafür einen Bezug zu einer konkreten Sendung aus dem linearen Programm braucht. Künftig werden außerdem private Sender mit einer besseren Auffindbarkeit und damit mehr Aussicht auf Reichweite belohnt, wenn sie gesellschaftlich relevantes Programm anbieten. Außerdem gelten nun auch für Suchmaschinen, soziale Netzwerke und andere sogenannte Medienintermediäre gewisse vielfaltssichernde Ziele der Diskriminierungsfreiheit und Transparenz.

rbb muss selber entscheiden können

Wünschenswert wäre mehr. So sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk flexibler entscheiden dürfen, welche Sender künftig linear verbreitet werden sollen und welche besser rein digital. Das zu ändern, ist Aufgabe der Länder. Das alles nimmt den rbb nicht aus der Pflicht, sowohl im Gemeinschaftsprogramm Das Erste Präsenz zu zeigen – mit dem „Polizeiruf“, dem im Wechsel mit dem ZDF produzierten „Mittagsmagazin“ oder im Zusammenspiel mit den Landesrundfunkanstalten in der Mediathek –, als auch in der Region präsent zu sein: mit Studios in Cottbus, Frankfurt/Oder, Perleberg und Prenzlau, verstärkt durch 14 weitere Korrespondenten für Brandenburg. Schließlich merken wir nicht nur in Krisenzeiten, wie groß der Bedarf an sorgfältig recherchierten, unabhängigen Nachrichten aus Region und Nachbarschaft ist. Entsprechend relevant bleibt die staatsferne Förderung lokaljournalistischer Medien, wie sie die mabb mit Landesmitteln ermöglicht.

Funktionieren der Demokratie

Das Publikum honoriert diese Anstrengungen: Einer Studie der Stiftung Neue Verantwortung und Pollytix zufolge erachten 72 Prozent der Menschen in Brandenburg unabhängigen Journalismus als wichtig für das Funktionieren der Demokratie. Zudem haben rund zwei Drittel großes Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in regionale Tageszeitungen. Verdrossenheit sieht anders aus. Und doch glauben immerhin rund ein Viertel der Befragten in Brandenburg, dass Politik und Medien unter einer Decke stecken, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren. Brandenburg unterscheidet sich damit nicht wesentlich von Gesamtdeutschland. Wie aber geht das zusammen: sich täglich über Medien zu informieren und die gesellschaftspolitische Bedeutung des Journalismus anzuerkennen, andererseits ihm aber die Unabhängigkeit abzusprechen?

Gereiztheit als größtes Problem

Da sind wir wieder bei Pörksens kollektiven Erregungswellen, der großen Gereiztheit, der gezielten Desinformation. Dieses aktuell wohl größte Problem der Mediengesellschaft lässt sich nur auf einem Weg lösen: mit unaufgeregtem Journalismus, der nicht bevormundet, sondern seriös berichtet, einem, der recherchiert, einordnet und Sichtweisen und Erzählungen in ihrer größtmöglichen Vielfalt spiegelt. Und mit Nutzerinnen und Nutzern, die durch die digitale Welt zu navigieren wissen. Auch deshalb liegt der mabb so viel daran, sich bei der Vermittlung von Informations- und Nachrichtenkompetenz auf diversitätssensible Projekte zu fokussieren.

Unser Ziel muss sein, in diesem noch gar nicht so lange vereinten Land sozial-integrativ zu wirken. Das zu gewährleisten, sehen wir beim rbb und bei der mabb, so unterschiedlich die Arbeit einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und die einer Landesmedienanstalt in Berlin und Brandenburg auch sein mag, gleichermaßen als Aufgabe und Verantwortung.

Es ist unsere Art, der Gesellschaft zu dienen.

Eva Flecken ist Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).

Patricia Schlesinger ist Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb).

Eva Flecken, Patricia Schlesinger

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