Stefan Raab beendet TV-Karriere: Eine Fernsehgeneration hört auf
Raab, Kerkeling, Schmidt - das deutsche Fernsehen verliert Stars. Panik muss deswegen nicht ausbrechen, vielleicht aber Langeweile
Stefan Raab beendet zum Ende des Jahres seine TV-Karriere. Nach mehr als 16 gemeinsamen Jahren werde Stefan Raab Ende 2015 seine letzte TV-Show moderieren. Das gaben ProSieben und der Entertainer am späten Mittwochabend in einer gemeinsamen Presseerklärung bekannt. Raab sagte, "ich habe mich entschlossen zum Ende dieses Jahres meine Fernsehschuhe an den Nagel zu hängen. ProSieben hat mir eine mehrjährige Vertragsverlängerung angeboten. Das hat mich sehr geehrt." Dennoch habe er seine Entscheidung nach reiflicher Überlegung und mit Überzeugung getroffen. Weitere Gründe für seinen Entschluss nannte er nicht, statt dessen sagte er: "Ich bedanke mich bei meinem Sender ProSieben, der mich in den vergangenen Jahren alle meine Ideen hat umsetzen lassen." Der Sender und er, sie würden die Zusammenarbeit im besten Verhältnis beenden, "das man haben kann - vielen Dank für 16 außerordentliche, tolle und erfolgreiche Jahre."
Die Sender warten auf Talente statt sie selber zu finden und auszubilden
Raab gehört in eine ganze Generation von Bildschirm-Stars, die sich zurückziehen. Hape Kerkeling, 50, hat schon vor längerem gesagt, dass er nicht mehr die große Bühne bespielen will. Harald Schmidt, 57, hatte einst bei Sat 1 die Late-Night-Show ins deutsche Fernsehen gebracht, ehe er von Sender zu Sender wanderte, um schließlich beim Abo-Fernsehen Sky seine letzten Auftritte zu absolvieren. Thomas Gottschalk, 65, hatte seine Moderation der ZDF-Show „Wetten, dass..?“ nach dem Unfall von Samuel Koch beendet. Günther Jauch, 58, wird seine gleichnamige ARD-Talkshow Ende des Jahres aufgeben.
Das muss alles keine Panik auslösen: Die vollzogenen wie angekündigten Rücktritte werden die Sender, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, nicht bewegen, ihre 24/7-Programme einzustellen. Das Medium ist und bleibt ein audiovisuelles Perpetuum mobile. Was die Sender allerdings nachdenklich machen muss: Die genannten Größen sind nicht wirklich "Erfindungen" des Fernsehens. Raab und Kerkeling. Schmidt und Jauch, sie kamen nicht aus irgendwelchen Talentschmieden, sie brachten ihre Kompetenz, ihre Qualität und ihre Originalität mit. Sie hatten ein erfolgreiches Medien- und Künstlerleben vor dem Einstieg ins Fernsehen. Das ordnet sie mehr in die Generation der Frankenfelds, der Kulenkampffs und der Carrells ein. Sie hatten längst Zuschauer- und Wirkungserfahrung, sie wussten schon vor den Kamerauftritten, wie ein Publikum zu fangen und zu begeistern ist.
Das ist das Überraschende: Die Talente und die Kompetenzen im Fernsehsektor sind nicht in dem Maße gewachsen, wie sich das Medium in immer mehr Programmangebote ausgebreitet hat. Anders als der Fußball, der immer mehr Geld in die Findung und Förderung von Nachwuchs gesteckt hat, sind die Sender der irrigen Meinung aufgesessen, die Talente würden schon wie von selbst an der Studiotür anklopfen. "Germany's Next TopModel" (ProSieben) oder "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) gehen in die x-te Staffel, "Verstehen Sie Spaß?" (ARD) ins das x-te Jahrzehnt, so riesengroß ist die Not. Wenn Youtube und die Streaming-Dienste wie Netflix tatsächlich das Fernsehen von morgen sind, dann müssen die Sender von ARD bis RTL anerkennen, dass sie die Konkurrenz auch aus eigenem Unvermögen und der Unfähigkeit zur Innovation groß machen.
Wolfgang Link, ProSieben-Senderchef und Vorsitzender der Geschäftsführung der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH, hatte schon Recht, als er zu Raabs Entschluss kommentierte: "Mit Stefan Raabs Entschluss, seine TV-Karriere zu beenden, geht eine TV-Ära zu Ende." Raab habe ProSieben und das deutsche Fernsehen geprägt. "Er hat uns viele neue Shows und unzählige magische Momente geschenkt" ,sagte Link. An zwei davon wollte Link besonders erinnern, einmal an Lenas Sieg beim "'Eurovision Song Contest" in Oslo und an das TV-Duell zur letzten Bundestagswahl.
Kreative Leistung von Stefan Raab
In diesen Events zeige sich die ganze Bandbreite von Raabs kreativer Leistung. Mit seinem werktäglichen "TV total"' habe er mehrere Generationen begeistert. "Schlag den Raab" hat nach Links Einschätzung' hat die Samstagabend-Unterhaltung verändert. Die Show sei in der ganzen Welt adaptiert worden, in dem sich der Matador und sein Herausforderer über viele Runden mit Wissen und Körpereinsatz beweisen müssen. "ProSieben und ich werden Stefan Raab sehr vermissen. Sollte er jemals einen Rücktritt vom Rücktritt in Erwägung ziehen: Bei ProSieben stehen ihm alle Türen offen", sagte Link. Der Senderchef hat Recht: Stefan Raab hat das Unterhaltungsfernsehen in Deutschland geprägt. Sein Verlust für ProSieben kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Was er in Zukunft machen will, das verriet er (noch) nicht. ProSieben will bei der Jahresprogrammkonferenz am 7. Juli aufzeigen, wie der Verlust kompensiert werden soll. Das muss überzeugend passieren, ProSieben gehört zu einem börsennotierten Fernsehkonzern.
Stefan Raab ist Musiker, Komponist, Moderator, Entertainer und, und, und. Er hat in seiner TV-Karriere alle wichtigen Preise gewonnen, die man gewinnen kann: den Adolf-Grimme-Preis, den Deutschen Fernsehpreis, den Comedy-Preis und den Bayerischen Fernsehpreis. Nachdem Raab, 1966 in Köln geboren, Anfang der 90er Jahren ins Fernseh- und Pop-Business eingestiegen war, machte er sich rasch unentbehrlich. Zum Rotz kamen Ruhm und Reichtum. Der Musiker und Komponist entdeckte die Grand-Prix-Gewinnerin Lena, parallel zu seinem viermal wöchentlichen Pro-Sieben-Betthupferl „TV total“ für die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen entwickelte er eine Abendshow nach der anderen: die Wok-WM, das „TV total Turmspringen“, Stockcar-Rennen, Pokernächte und den Wettbewerb „Schlag den Raab“, in dem sich der Matador und sein Herausforderer über viele Runden mit Wissen und Körpereinsatz beweisen müssen. Stefan Raab hat ProSieben zum Stefan-Raab-Sender gemacht.
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