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Die Moderatorin Anne Will im Studio ihrer Sendung in Berlin-Adlershof (Archivbild von 2007)
© picture alliance/dpa/Jens Kalaene

TV-Kritik "Anne Will" zu Griechenland: Ein Dank nach Luxemburg

Andere TV-Talker haben sich schon in die Sommerpause verabschiedet. Also nahm sich Anne Will noch einmal des unendlichen Themas Griechenland an. Ein Luxemburger brachte wenigstens etwas Frische in die zermürbende Krisendebatte.

Die schlechte Nachricht zuerst. Das Referendum findet bald statt. Nur noch ein paar Tage Schonfrist. Krisenstimmung in den Redaktionsstuben. Blankes Entsetzen bei den Talkshow-Mannschaften. Über was soll man reden, wenn die Causa Hellas mal ausgestanden und beendet ist?

Maischberger hat sich  schlau in den Sommerurlaub verabschiedet. Und der Rest? Anne Will schnappt sich den abgenagten Knochen „Griechen-Chaos“ und hübscht ihn mit der aktuellen Volksbefragung auf. Der tief in die politische Substanz gehende Sendetitel: „Tspiras lässt das Volk abstimmen – Provokation oder Chance für Europa?“

"Volkswille" kommt immer gut an

Für den Griechen Giorgos Chondros, Mitglied im Zentralkomitee der Regierungspartei Syriza, ist die Volksabstimmung eine Chance für Griechenland. Ausdruck der demokratischen Grundhaltung der Griechen. Im übrigen Europa herrschten eh nur finstere Mächte, die die Emanzipation der Griechen verhindern wollten. Dass diese Befragung strengen demokratischen Maßstäben nicht standhält  – zu wenig Zeit, keine Wahlbeobachter, unverständliche Fragestellungen, Abstimmung über etwas, das eigentlich gar nicht mehr zur Wahl steht – geschenkt. Mit Reizworten wie „Demokratie“, „Wahlentscheidung“, „ Volkswille“ kann man halt doch immer punkten.

Nach diesem demokratischen Diskurs schlendert das weitere Gespräch wieder auf dem üblichen Griechenland-Diskussions-Weg. Milliarden-Solidarität für Athen oder nur Finanzhilfe für Zocker-Banken. Sparpolitik, die die fast nicht existente griechische Wirtschaft stimuliert? Oder Sparpolitik, die als fieses Folterinstrument, den stolzen Griechen die Seele raubt?

Kauder, Wagenknecht - was für eine Gästeauswahl!

Griechenland ist alles andere als ein richtig organisierter Staat. Es gibt kein Katasteramt, keine funktionierende Steuerbehörde. Aber für Chondros sind die anderen daran Schuld. Europa. Der Internationale Währungsfonds. Die früheren Regierungsparteien. Dann bringt er auch noch geschickt Deutschland in dieser Argumentationskette unter. Die Deutschen hätten es ja bis jetzt nicht geschafft, eine Reichensteuer zu etablieren. Natürlich ist es immer schlecht  von einer Einzelperson auf einen irgendwie gearteten Nationalcharakter zu schließen. Aber ganz ehrlich, ein Ouzo und ein intimes Zweiergespräch mit Chondros – der Ausdruck „mentale Folter“ bekäme einen anderen  Interpretationsklang.

Überhaupt die Gästeauswahl. Die Redaktion von Anne Will geht da wirklich neue Wege. Wer hatte denn vor dieser Sendung Volker Kauder auf dem Schirm? Bei einer Talkshow? Dieser seltene Gast und unverbrauchte Politfrischling. Und Sahra Wagenknecht? Schräg! Mal nicht der übliche Laber-Mainstream. Hurra für diese journalistische Tapferkeit. Giorgos Chondros hatte seinen letzten Auftritt bei Will vor einer Woche. Wahrscheinlich hat er im Studio übernachtet. So sparsam, diese Griechen.

Ein frisches Gesicht aus Luxemburg

Aber Anne Will hat auch ein neues Gesicht zu bieten – Pierre Gramegna, Finanzminister von Luxemburg. Ein erfrischend ehrlicher Zeitgenosse. Er sagt Dinge, die sich die Griechen eigentlich in Marmor meißeln müssten. Dass die Verantwortung für die griechische Wirtschaft wirklich nur bei der griechischen Regierung liegt. Und dass Griechenland endlich ein richtiges Geschäftsmodell braucht. Mit Fetakäse, Olivenöl und Schuldzuweisungen allein kommt Griechenland nie auf einem grünen Zweig. Gramegna ist es zu verdanken, das die unendliche Griechenland-Talk-Story diesmal etwas anders ablief. Danke Luxemburg.

Wann nimmt eigentlich Anne Will ihre wohlverdiente Sommerpause?

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