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Winfried Glatzeder beim Insektenbad.
© RTL

Dschungelbuch (6): Dschungelcamp: Rekordversuche in Sado-Maso

Es geht wieder mal um Sex und unerfüllte Begierden. Das Leben ist eine Quälerei, die vom Sofa aus besser zu ertragen ist. Auch als Einschlafhilfe.

Annäherungsversuche an der Hängematte, der nächtliche Besuch eines Frosches, den niemand küssen will, viel Gerede über das ewige Rein-und-Raus-Spiel – am Tag Nummer sechs im Dschungelcamp gibt der phonetische Gleichklang das Thema vor: Sex. Brillant! Die Reality hätte es nicht besser scripten können.

Aber die erotische Glückserwartung bleibt bei fast allen Beteiligten unbefriedigt. Marco kann bei „Schoko-Maus“ Gabby nicht landen, weil die ihn zu soft findet. Pornodarstellerin Melanie gelingt es weder mit Oben-ohne-Duschen noch mit oralen Bekenntnissen, Molas Interesse für Sex im Urwald zu wecken. Und Schlagerfuzzi Michael Wendler, der nach dem vorzeitigen Auszug angeblich gerne wieder reinwollte, muss draußen bleiben. So regt sich wenig, und am Ende ist wieder tote Hose. Nur zwei Camper kommen sich beim gemeinsamen Ekeln etwas näher: Das gallige Defa-Gespenst Winfried Glatzeder und das glücklose Dauer-Mobbing-Opfer Larissa Marolt. Das ungleiche Paar, das bisher durch gegenseitige Abstoßung auffiel, wird vom Publikum treffsicher zur Dschungelprüfung auserkoren und vom Moderatoren-Team – in selten dämlicher Analogie – zur GroKo erklärt: „Soziopathisches Dummchen“ (SPD) trifft auf „cholerisch-despotischen Unhold“ (CDU). Tapfer lassen sich beide in Sanduhren sperren und überstehen den fünfminütigen Insektenregen, bevor sie mit der Höchstpunktzahl als trautes „Dreamteam“ ins Camp zurückkehren. So kommt das Publikum zu einem seltenen Höhepunkt in einem Format, das auf Flachlinie programmiert ist.

Wenn es überhaupt eine gibt, die in diesem Dschungelkollektiv Starqualitäten zeigt, dann ist es das österreichische Model Larissa Marolt. Weil sie die Begierden, die sie weckt, nicht enttäuscht. Sie funktioniert perfekt im Sado-Maso-Spiel mit dem Zuschauer, der sie aus Mitleid mit ihrem Ungeschick  gleichzeitig in die Arme nehmen und quälen möchte. Bereits zum siebten Mal muss sie dafür zur Prüfung antreten. Das ist Rekord. Gib’ bloß nicht auf, Larissa!

Rekord ist auch die Zuschauerzahl, die vom Sofa aus die Insassen der achten Dschungelcamp-Staffel regiert. Mehr als 8,37 Millionen bescherten RTL am Mittwochabend einen Marktanteil von 34,6 Prozent.

Gelobt sei die schweigende Mehrheit, die sich das einfach nur anschaut, ohne weitere Worte darüber zu verlieren – oder die noch größere Masse, die das Dschungelcamp völlig ignoriert. Denn viel, viel quälender, als sich dieses Hirntod-Fernsehen antun zu müssen, sind die feuilletonistischen Versuche, der Show irgendeinen Metatext, eine zweite Bedeutungsebene, gar ein Narrativ zu unterstellen. Ja, auch das ist Kultur, wenn man es irgendwo zwischen Faustkeil und Faust ansiedelt. Aber nein, es hat keinen weiteren Sinn oder tiefere Bedeutung.

Und es gibt, von der australischen Urwaldkulisse abgesehen, eigentlich nichts zu sehen, was die schweigende Masse nicht tagtäglich selbst zu ertragen hat: Der Hackordnung einer Gemeinschaft ausgeliefert zu sein, der wir im wirklichen Leben nur durch einen Lottogewinn, den Eintritt ins Rentenalter oder durch den Tod entkommen können. Vom Sofa aus ist es für viele offenbar gut auszuhalten. Sogar als Einschlafhilfe.

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