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Auch heute noch Gänsehaut-Feeling: Jimi Hendrix’ Improvisation von „The Star-Spangled Banner“ am Schlusstag des Woodstock-Festivals von 1969.
© WDR/Barry Levine

50 Jahre Woodstock: Drei Tage Peace & Music

Der „Summer of ’69“ auf einer Kuhwiese nahe Woodstock – ein Dokumentarfilm ergründet den US-Mythos.

Der Sommer 1969 ist für die USA von hoher mythischer Bedeutung: binnen weniger Wochen fanden gleich mehrere Ereignisse statt, die in die Geschichte des Landes, letztlich in die Weltgeschichte Eingang fanden und noch heute mit ihren ikonischen Bildern jederzeit im kollektiven Gedächtnis der Menschen abrufbar sind.

Es beginnt mit der Landung der „Apollo 11“ auf dem Mond am 21. Juli 1969, einem historischen Ereignis, dem Abermillionen Menschen vor den Fernsehgeräten gebannt folgen. Am 9. August 1969 lässt der berüchtigte Psychopath und Clan-Guru Charles Manson von den Mitgliedern seiner Kommune „The Family“ im Haus des Filmregisseurs Roman Polanski dessen 26 Jahre junge, hochschwangere Frau, die Schauspielerin Sharon Tate, die in Polanskis „Tanz der Vampire“ die weibliche Hauptrolle spielte, mitsamt vier weiteren Personen auf brutalste Art und Weise töten. Es ist ein regelrechtes Massaker im Anwesen am Cielo Drive in Beverly Hills, Hollywood.

Schließlich pilgern nur vier Tage danach die ersten Besucher nach Bethel, einem kleinen unscheinbaren Ort in den Catskills, im US-Bundesstaat New York gelegen, etwa 150 Kilometer von New York City entfernt. Denn in Bethel wird es auf der Kuhwiese des republikanischen Farmers Max Yasgur ein Open-Air-Event geben. Es trägt den schön prosaischen Titel „3 Days of Peace & Music“ und soll am Nachmittag des 15. August 1969 um fünf Uhr offiziell eröffnet werden und drei Tage dauern: eine halbe Million Menschen wird schließlich in dieses Wiesental pilgern – 70 Kilometer vom namensgebenden Woodstock entfernt.

Der 95-minütige abendfüllende Dokumentarfilm „Woodstock. Drei Tage, die eine Generation prägten“ geht dem Mythos Woodstock nach. Regisseur Barak Goodman konnte dafür auf bislang unveröffentlichtes dokumentarisches Material aus jenen August-Tagen zurückgreifen, Material, das seinerzeit für den gleichnamigen Kinofilm „Woodstock“ von 1970 gedreht wurde und, da es sich um hunderte Stunden an Filmaufnahmen handelt, nie verwendet wurde. Hier nun sind zumindest einige weitere Momente dieser unzähligen Stunden zu sehen, es sind Aufnahmen, die die Kamerateams damals direkt in dieser gigantischen Menschenmenge erstellten, direkt auf der Bühne, ganz nah etwa bei Joan Baez, nah bei Jimi Hendrix, als er am Morgen von Tag vier, als die Massen längst im Aufbruch sind, ein improvisiertes Stück auf seiner E-Gitarre spielt, längst Legende, das einem auch bei neuerlichem Sehen Gänsehaut bereitet: „The Star-Spangled Banner“. Es ist der Morgen des 18. August 1969, als Woodstock friedlich endet. Alles hat eine große Unmittelbarkeit und hohe Authentizität. Fast wirkt es so, als wäre man in Echtzeit mit dabei – genau 50 Jahre später.

Was fehlt ist der historische Kontext

Doch was Barak Goodman nicht macht, ist, dass er Woodstock in den historischen und zeitlichen Kontext einbettet. Er erklärt nicht, er analysiert nicht, was zunächst kein Manko sein muss. Es gibt Dokumentarfilme, die sich aus der reinen kommentarlosen Deskription heraus selbst erklären. Doch Woodstock ist nicht nur ikonisch aufgeladen, es ist gerade auch durch seine zeitliche Verortung eben einmal von hoher gesellschaftlicher und letztlich politischer Bedeutung. Kein Wort bei Goodman von „Apollo 11“ und der Mondlandung, kein Wort von dem blutigen Massaker in Roman Polanskis Hollywood-Anwesen, das das Land tief erschüttert, kein Wort von der gesellschaftlichen Krise, in der die USA Ende der Sechziger Jahre stecken. „Woodstock“ bleibt auf der visuellen Ebene in der reinen Auswertung des historischen Materials.

Was Filmautor Barak Goodman neu hinzufügt sind aktuelle Interviews mit Zeitzeugen von einst, die dabei waren, die auf Max Yasgurs Kuhwiese in Bethel drei Tage lang unter der sengenden Sonne und dem strömenden Regen standen, saßen, lagen, dort essen, tranken, schliefen – und sich noch heute so gut daran erinnern können, als sei der legendäre Summer of ’69 der Sommer des Jahres 2019.

Diese Interviews finden allein auf der auditiven Ebene statt, man hört die Zeitzeugen nur, man sieht sie in keinem Moment. Ihre Erinnerungen liegen unter den Bildern, die unfassbare 50 Jahre alt sind und denen heute wie damals die ebenso simple wie hehre Botschaft anhaftet, dass ein friedliches Miteinander der Menschen dann geht, wenn der Wille dazu vorhanden ist und sich alle solidarisch im Umgang miteinander zeigen. Denn leicht hätte unter 500 000 Menschen, die drei Tage und drei Nächte an einem Ort ausharren, Panik ausbrechen können, leicht hätte es zu Gewalt kommen können. Nichts von dem geschah, sogar die anfangs skeptisch bis ablehnenden Bauern halfen mit, als es kein Essen mehr gab, und ausgerechnet die Armee unterstützt das Festival tagelang mit einem Dutzend Hubschraubern, um Proviant einzufliegen.

Damals tobte der Krieg in Vietnam und spaltete die USA, Richard Nixon kam an die Regierung und wurde Amerikas bis dahin kontroversester Präsident, die Gesellschaft befand sich im tiefen Umbruch. Und heute …?!

„Woodstock. Drei Tage, die eine Generation prägten“, Mittwoch, 22 Uhr 45 im Ersten

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