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Tino Chrupalla war nach der Wahl des AfD-Kandidaten-Duos ein begehrter Gesprächspartner.
© John MACDOUGALL, AFP

Entlarvung braucht Zeit: Drei Interviews mit Tino Chrupalla und eine Lehre

ZDF, ARD und der Deutschlandfunk sprachen mit dem AfD-Spitzenkandidaten - und zwei von ihnen hinterließen Frust im Publikum. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Claus Kleber schien mit sich zufrieden zu sein. Jedenfalls erklärte der Heute-Journal-Moderator am Dienstagabend am Ende von sechs Minuten, in denen er zuvor mit Tino Chrupalla gesprochen hatte, dass er dieses Gespräch vor der Sendung „genau so geführt“ habe. „Schlimm genug!“, mochten da einige vorm Fernseher seufzen.

Tino Chrupalla ist einer von zwei AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Die AfD ist eine Partei, in der Rechtsextremisten Wortführer sind. Darüber kann man sich mit guten Gründen empören. Sich aber als Interviewer vor allem auf diese Empörung zu berufen ist fahrlässig. Kleber jedenfalls war in Mimik und Tonlage vorwurfsvoll und unterließ es dabei, auf das von Chrupalla Gesagte zu achten. So wurde unwidersprochen die Ansicht verbreitet, dass die AfD Volkspartei sei, die nur von den Öffentlich-Rechtlichen in die Extremistenecke gedrängt werde, oder dass die Grünen eine Kriegstreiberpartei wären.

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Das ist umso ärgerlicher, als die Sendungsplaner:innen längst schlauer sein könnten. Dass sich das Format Kurz-Interview nicht für die Enttarnung oder Entlarvung von extremistischen Weltbildern und Absichten eignet, hat sich vielfach in der Praxis erwiesen. Warum wird diese Lektion nicht gelernt? Wollen die (nein, der Hinweis auf die hohe Bezahlung soll hier mal nicht fallen) Moderator:innen womöglich aus Eitelkeit nicht davon lassen?

Die AfD unmöglich finden ist keine Kunst

Nach Kleber (ZDF) versuchte sich dann noch Ingo Zamperoni von den ARD-Tagesthemen an seiner Chrupalla-Demaskierung, und auch ihm misslang das einigermaßen.

Zurück bleiben nach solchen Fehlschlägen zur besten Sendezeit grinsende Extremistenvertreter und ein deprimiertes Publikum. Geht das wirklich nicht besser? Die AfD unmöglich zu finden ist noch keine journalistische Leistung. Deren Vertreter aber mit den richtigen Fragen so lange zu nerven, bis die sich in ihren Widersprüchen und auswendig gelernten Antwortstanzen verheddern, darum sollte es gehen.

Der Deutschlandfunk hat es am Mittwochmorgen besser gemacht. Dort wurde Tino Chrupalla fast 15 Minuten lang befragt, und da dürfte er froh gewesen sein, als die anstehenden Nachrichten dem Interview ein Ende setzten. Das Radio hat sich Zeit genommen und wirkte besser vorbereitet als die TV-Sender. Dort wählte man statt scharfer Fragen einen scharfen Ton, was albern-plump nach Parteilichkeit klingt. Parteilich aber sollen die öffentlich-rechtlichen Sender doch nicht sein.

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