Politikerporträt in der ARD: Die Macht und Ohnmacht des Wolfgang Schäuble
Bundesfinanzminister Schäuble gewährt im ARD-Film ungewohnte Einblicke. Die CDU-Spendenaffäre will er allerdings nicht aufklären.
Wolfgang Schäuble ist auf dem Weg in die USA und freut sich schon auf den Rückflug. Die Reisestrapazen setzen ihm zu, und dann noch den ganzen Tag Englisch reden: Der deutsche Finanzminister ist müde. In New York blickt er aus dem Autofenster in die normale, reale Welt, in der Menschen am Straßenrand stehen und auf ihr Smartphone blicken. Schäubles reale Welt ist ein Treffen mit Investmentbankern. Vor dem Hochhaus der Deutschen Bank wirbt wie bestellt ein Plakat für die intrigenreiche US-Politserie „House of Cards“, drinnen schütteln Manager Schäuble der Reihe nach höflich die Hand. Und dann sitzt dieser erschöpfte, schmächtige Mann im Rollstuhl am Tisch, eingerahmt von den herausgeputzten Häuptlingen der Finanzwelt, und man macht sich ein klein wenig Sorgen. Ein hübsches Bild mit Symbolkraft. Aber wie die Machtverhältnisse zwischen Politik und Kapital hier zum Ausdruck kommen, erfährt man natürlich nicht. Gesprochen wird hinter verschlossenen Türen, hinterher teilt Schäuble lediglich mit, die Investmentbanker hätten wegen der Griechenland-Krise Sorge um ihre Investments geäußert.
In Stephan Lambys Film „Schäuble – Macht und Ohnmacht“ ist viel von Griechenland die Rede, denn die Dreharbeiten fielen zufällig genau in die Zeit des jüngsten Kräftemessens, als die Euro-Gruppe mit der neu gewählten Syriza-Regierung um ein weiteres Hilfspaket und die künftige Politik in dem Land rangen. Mit Schäuble („Nenn mich Wolfgang“) und seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis prallten Welten aufeinander, aber man duzte sich. Wenn sie heute übereinander reden und den Streit Revue passieren lassen, ist das unterhaltsam, aber die Euro-Krise schrumpft auf das Maß eines persönlichen Duells.
Stephan Lamby, Autor zahlreicher Filme über Politiker, meidet allzu viele inhaltliche Details, dennoch bieten der Zusammenschnitt seiner Interviews und manche Beobachtung am Rande aufschlussreiches Material zum Treiben der politischen Klasse. Den deutschen Finanzminister präsentiert er als fleißigen, angesehenen, eigenwilligen, aber am Ende fügsamen Gefolgsmann Angela Merkels, der seine Idee vom zeitweisen Euro-Ausstieg Griechenlands nicht durchsetzen konnte.
Überraschende Aussagen zur Spendenaffäre
Die aktuellen Ereignisse bilden den dramaturgischen Rahmen, dazwischen skizziert Lamby den Werdegang des 72 Jahre alten CDU-Politikers auf. Und da wird es plötzlich spannend, weil Schäuble ihm den Gefallen tut, mit überraschenden Aussagen zur CDU-Spendenaffäre und unverblümten Worten zu Helmut Kohl unverhoffte Akzente zu setzen. „Er wollte mir drohen“, sagt Schäuble über den Altkanzler, und es klingt, als ginge es in der Partei bisweilen so familiär zu wie bei den „Sopranos“, jener Mafia-Familie in der gleichnamigen US-Serie. Zur Erinnerung: Im Januar 2000 brach die CDU unter der Führung ihres Bundesvorsitzenden Schäuble mit ihrem Ehrenvorsitzenden Kohl, weil der sich weigerte, die Namen von Gönnern zu nennen, von denen er insgesamt rund zwei Millionen D-Mark als Parteispenden angenommen hatte. „Es gibt keine (Spender-Namen, d.Red.)“, sagt Schäuble nun, um dann etwas geheimnisvoll nachzuschieben: „Weil es aus der Zeit von Flick schwarze Kassen gab.“ Pause. Dann, abwiegelnd: „Vielleicht gibt’s auch Spender.“ Was denn nun? Die Wahrheit tritt nicht zutage. In der alten Fehde mit Kohl wird Schäuble konkreter. Kohl habe Kontakt zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber gehabt, dessen Spende die Affäre ins Rollen gebracht hatte.
Lamby ergänzt Schäubles Aussage sehr schön mit einem Interview-Ausschnitt von 2003, in dem Kohl behauptete, er kenne Schreiber nicht. Anfang 2000 jedoch, so Schäuble, habe Kohl ihn wissen lassen, dass er Faxe „von komischen Menschen“ und demnächst „noch andere Informationen“ erhalten werde. Gemeint war Schreiber. Schäuble nennt die Vorgänge „eine üble Affäre mit kriminellen Zügen". Aber warum äußert er sich erst jetzt in dieser Deutlichkeit?
An der Praxis der schwarzen Kassen war auch Schäuble selbst beteiligt, was er im Film ein wenig verniedlicht: „Das ging dann schief“, sagt er und betont sogar, dass er wieder so handeln würde. Und dass er im Bundestag leugnete, eine Barspende von Schreiber erhalten zu haben, kommentiert er etwas lapidar mit: „Ich habe mich dann blöd verhalten.“ Diesen Fehler habe er unverhältnismäßig büßen müssen. Am 16. Februar 2000 verkündete Schäuble, er werde nicht mehr für den Partei- und Fraktionsvorsitz kandidieren. Da ergeben sich jetzt einige Fragen: Welche Rolle spielte bei Schäubles Rücktritt die Drohung Kohls? Und sind die schwarzen Kassen heute wirklich leer? Stoff genug für einen neuen Film.
„Schäuble – Macht und Ohnmacht“, ARD, Montag, 21 Uhr 30