Bloggerkolumne: Die Jugendverdrossenen
Johnny Haeusler beobachtet im Wahlkampf zwischen Piratenpartei und Etablierten ein neues Phänomen: Die Jugendverdrossenheit.
Vor etwa zwei Jahren twitterte Max Winde alias „@343max“: „Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.“ Er erntete damit jede Menge Applaus und Weiterverbreitung. Zu Recht, denn die Aussage kehrt den ewigen Vorwurf des politischen Desinteresses der Jugend in eine mittlerweile sehr wahr gewordene Prognose um.
Als jüngste Umfragen der größtenteils von jungen Menschen geprägten Piratenpartei bessere Ergebnisse vorhersagten als der FDP, vor allem aber einen möglichen Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus, da reagierte das politische Establishment mit Warnungen durch Klaus Wowereit und einem mäßig gelungenen Witzchen von Renate Künast. Die grüne Spitzenkandidatin sagte, sie wolle die Piraten „resozialisieren“. Und auch, dass in dieser Woche ein kleines Wunder in Sachen politischer Bürgerbeteiligung geschehen ist, als innerhalb weniger Tage die noch fehlenden 25 000 Mitzeichner einer Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung im Internet mobilisiert werden konnten, ruft bei der Politik keine hörbare Begeisterung hervor, sondern allenfalls betretenes Schweigen.
Da wird der Bürger also aktiv, und dann ist es anscheinend auch wieder nicht richtig. Stattdessen: Debatten über Facebook-Buttons und Rufe nach mehr Kontrolle im Netz.
Wenn sich beachtenswerte Teile einer Generation mithilfe ihres wichtigsten Mediums, dem Internet, politisch äußern und engagieren, dann sollte das für die Etablierten jedoch kein Anlass zur Sorge, sondern zur Begeisterung sein. Es braucht Unterstützung statt Restriktion. Man könnte fast meinen, die Politik sei jugendverdrossen.
Der Autor betreibt das Weblog www.spreeblick.com und ist Mitveranstalter der jährlichen Konferenz re:publica.
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