"The Man in the High Castle" in deutscher Fassung: „Die Idee ist gar nicht so weit hergeholt“
Am Freitag startet die neue Staffel der erfolgreichen Nazi-Serie „The Man in the High Castle“ in deutscher Fassung. Ein Interview mit Rupert Evans über die Macht von Filmen und den Wert der Meinungsfreiheit.
Herr Evans, sie werden zum Widerstandskämpfer in „The Man in the High Castle“, der erfolgreichsten Serie von Amazon Prime Video. In der „Was wäre wenn“-Geschichte haben Nazis und Japaner den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die USA unter sich aufgeteilt. Doch deren Macht wird vom Widerstand und einigen mysteriösen Filmen bedroht. Am Freitag startet die zweite Staffel bei Amazon im englischen Original. Worauf führen Sie den Erfolg der Serie zurück?
Die Serie umfasst verschiedene Genres, vom zeitgeschichtlichen Drama über eine alternative Geschichtsschreibung bis hin zur Science-Fiction. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie sich die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg hätte unter anderen Umständen entwickeln können. Das regt die Vorstellungskraft des Publikums an.
Ist die Welt mit den Nazis noch immer nicht fertig?
Das gilt sicherlich für die Serie, aber auch für die Realität, auch wenn es sich nur um eine kleine Minderheit handelt, die immer noch an die Ideen und Werte von damals glauben.
„The Man in the High Castle“ ist keine politische Serie im eigentlichen Sinn mit einer bestimmten Botschaft.
Es gibt durchaus eine Botschaft beziehungsweise eine Fragestellung. Sie lautet: Halten wir unser Schicksal selbst in Händen? Können wir überhaupt etwas ändern oder sind wir nur ein Produkt unserer Umwelt? Vor allem aber stellt die Serie die Frage, wie man sich selbst in einer solchen Situation verhalten würde?
Das Hakenkreuz am Times Square, deutsche Atombomben, die US-Städte in Schutt und Asche legen – als Philip K. Dick 1962 diese Geschichte mit siegreichen Nazis und Japanern schrieb, die Amerika mit Ausnahme einer neutralen Zone unter sich aufgeteilt haben, war der Krieg noch nicht lange vorbei. Doch wie kann man heute ernsthaft gefesselt sein von einer solch abstrusen Story?
Die Ausgangsidee ist gar nicht so weit hergeholt. Sie besagt, dass die Nazis und die Japaner den Krieg gewonnen haben, weil sie die Atombombe zuerst entwickelt und auf Washington geworfen haben. Man kann sich häufig nicht vorstellen, was alles passieren kann. Nehmen Sie Syrien als Beispiel. Was dort gerade jetzt stattfindet, hätte vorher auch niemand für möglich gehalten.
Als Sie das Angebot für diese Serie bekamen, was hat Sie an dieser abenteuerlichen Geschichte besonders gereizt?
An meinem Charakter Frank Frink schätze ich, wie er in dieser Umgebung überlebt. Heute, 50 Jahre später, haben wir Telefon, Social Media und Meinungsfreiheit, in der Serie gibt es nichts davon.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Das Wichtigste war die Lektüre des Buches. Die Serie ist keine exakte Umsetzung des Romans, aber das Buch hilft dabei, die Welt von Philip K. Dick zu verstehen – und die reicht weit über Amerika, Japan, Nazi-Deutschland hinaus bis zum Mittelmeer und nach Afrika. Interessant ist, wie sich in Dicks Story die West- und die Ostküste von Amerika voneinander unterscheiden. Die Nazis versuchen, die Amerikaner an der Ostküste in ihre Welt zu integrieren, die Japaner tun das nicht.
Der japanische Geheimdienst Kempeitai wird beinahe noch schlimmer dargestellt als die Nazis, wie ihr Frank Frink in der ersten Staffel erfahren musste.
Ja, er wurde sogar gefoltert. Und für mich als Schauspieler war es nicht angenehm, nackt gezeigt zu werden.
Ein wichtiger Bestandteil der Serie ist die Jagd nach besonderen Filmen, die ebenfalls eine mögliche andere Realität zeigen und vor denen selbst Adolf Hitler Angst hat, weil sie sein Reich zum Einsturz bringen könnten. Wie mächtig können Filme sein?
Fernsehen und Kino können durchaus machtvoll sein und Menschen sehr schnell zu anderen, neuen Orten transportieren. In der Serie stellen die Filme, die ein anderes Leben und eine andere Welt zeigen, für die Menschen in den besetzten Gebieten zugleich eine Hoffnung dar. Mit sehr guten Filmen können die Menschen der Realität entfliehen. Für mich sind Filme jedenfalls sehr wichtig.
Aber können Filme die Realität verändern?
Ich glaube, dass dies möglich ist. Dokumentationen können zum Beispiel Menschen zum Nachdenken anregen und dazu führen, dass sie etwas verändern. Und als Schauspieler hat man natürlich die Hoffnung, dass Filme etwas bewegen.
Worauf können sich die Zuschauer in der zweiten Staffel einstellen?
Die zweite Staffel unterscheidet sich deutlich von der ersten. Neben New York und San Francisco spielt diesmal Berlin eine wichtige Rolle. Es gibt zudem einige Zeitsprünge. Am Ende der ersten Staffel sah der japanische Handelsminister eine Welt ohne Nazis und japanische Okkupation, aber das war dann doch nicht die Realität. Die Charaktere entwickeln sich zudem in unterschiedliche Richtungen. Und es wird eine Begegnung mit dem Mann im hohen Schloss geben. Er bekommt einen gewichtigen Platz in der Serie.
Ihre Figur Frank Frink schließt sich dem Widerstand an, er muss seine Neutralität aufgeben, sich dem Kampf stellen. Hat die Serie möglicherweise doch mehr mit der Realität zu tun, als man zunächst denkt?
Absolut richtig, und das hängt möglicherweise damit zusammen, was seit der ersten Staffel in Europa passiert ist, mit den Terroranschlägen in Frankreich, aber auch mit der Unruhe insgesamt in der Welt. Die zweite Staffel greift das auf. Es gibt so viel Veränderungen, Donald Trump, der Brexit.
Welchen Einfluss hat Isa Dick Hacket, die Tochter von Autor Philip K. Dick, auf den Film genommen?
Sie war zwar nicht jeden Tag am Set, aber als ausführende Produzentin war sie sehr direkt an der Entstehung der Serie beteiligt. Ich habe mich sehr oft mit ihr unterhalten. Der Mann im hohen Schloss ist zudem ein bisschen so gezeichnet wie ihr Vater.
Wird es eine Fortsetzung geben?
Ich fände das großartig, aber die Entscheidung wird erst im Januar fallen, wenn in Deutschland auch die synchronisierte Fassung (ab 13. Januar) gestartet ist.
Das Interview führte Kurt Sagatz.
Rupert Evans, 40, ist ein englischer Schauspieler, der im Theater (Royal Shakespeare Company) genauso präsent ist wie auf der Kinoleinwand („Amerikanisches Idyll“) oder im Fernsehen.