Putin-Porträt im ZDF: Die Gefahr aus dem Osten
Das ZDF verspricht ein „Psychogramm“ von Russlands Staatschef Wladimir Putins. Geboten wird jedoch vor allem Boulevardeskes.
Eigentlich möchte man nicht schon wieder Wladimir Putin mit nacktem Oberkörper durchs eigene Wohnzimmer reiten sehen. Keine dieser üblichen Propagandabilder bitte, schon gar nicht in diesen brüchigen, ernsten Zeiten. Nun verspricht das ZDF jedoch, aufgrund „exklusiver Dokumente“ und „Dossiers mehrerer westlicher Geheimdienste“ ein „bislang unbekanntes und teilweise irritierendes Bild des starken Mannes im Kreml“ zeichnen zu können. Putin verstehen, das ist eine spezielle journalistische Disziplin geworden. Im Fernsehen geht es dabei weniger um Politik als um die Frage: Was ist der russische Staatspräsident für ein Mensch? Gerne auch mit tadelndem Unterton: Was ist das bloß für ein Mensch?
Ein Interview mit Putin hat das ZDF nicht
In diese Kategorie fällt der Film von Michael Renz. Der Autor versucht sich an einem „Psychogramm“, wie er selbst sagt. Ein Interview mit Putin gewährte ihm der Kreml nicht, im Gegensatz zum viel geschmähten ARD-Kollegen Hubert Seipel, dem man einen zu freundlichen Umgang mit Putin vorwarf. Aber wenn man das boulevardeske Getue im ZDF – jeder Satz eine geraunte Schlagzeile, jedes Bild ein Akt suggestiver Meinungsmache – überstanden hat, lernt man die sachliche, zurückhaltende Art Seipels schätzen. Was Renz unter „Psychogramm“ zu verstehen scheint, zeigt sich schon in den ersten beiden Sätzen: „Er sei eine Gefahr für den Weltfrieden, sagen manche“, dräut es dunkel aus dem Off. Und nach dem Zitat einer jungen russischen Abgeordneten und Putin-Verehrerin heißt es: „Er habe ein Problem mit Frauen“ – was offenbar genauso schwerwiegend ist wie die Sache mit dem Weltfrieden.
Also: Was erzählt uns Renz? Wenig Neues. Putin steht sehr früh auf, isst gerne Hüttenkäse zum Frühstück, geht schwimmen und pumpt anschließend im Fitnessraum, „übrigens an Fitnessgeräten aus den USA“ (was an diesem Detail bemerkenswert sein soll, verrät der Autor nicht). Der Präsident inszeniert sich als kraftvoller Mann – da sind sie, die halbnackten Reitbilder – und demonstriert seine Macht, indem er regelmäßig zu spät kommt und sogar Staatsgäste wie Angela Merkel warten lässt. Dann der erste Hinweis auf ein „geheimes Dossier“: Putin habe sich 2010 einer kosmetischen Gesichtskorrektur unterzogen. Die Vorher-nachher-Montage lässt zwar kaum einen Unterschied erkennen, aber nun haben wir einen wahrlich „irritierenden“ Hinweis: Der Mann ist eitel, sapperlot!
Mal davon abgesehen, dass die meisten angeblich „exklusiven“ Geheimdienstinformationen etwa über seine Zeit als sowjetischer Agent in Dresden – der öde Schreibtischjob, sein Hang zu Alkohol und Partys („nicht nur mit männlichen Waffenbrüdern“) – längst schon anderswo veröffentlicht wurden: Es gibt in diesem Film nichts, was das bekannte Putin-Bild erschüttern würde. Putin, der als Jugendlicher Judo lernte, um sich auf den Straßen Leningrads wehren zu können. Putin, der seine Frau geschlagen haben soll. Putin, der sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschickt an die Macht manövrierte. Putin, der misstrauische Ex-Agent, der einen kleinen Zirkel alter Geheimdienstfreunde um sich geschart hat, die allein Einfluss auf ihn haben.
Bei all dem stützt sich Renz auf Putin-Biografen (Stanislaw Belkowski, Masha Gessen und Ben Judah), auf Nina Chruschtschowa, die in den USA lebende Enkelin des ehemaligen sowjetischen Staatschefs, auf Sergey Bezrukow, den ehemaligen KGB-Vorgesetzten Putins in Dresden. Und auf Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom, mit dem das ZDF wohl bei der Analyse der diversen Quellen zusammengearbeitet hat. Einmal ist konkret von Stasi-Akten die Rede, ansonsten handelt es sich offenbar um Papiere des BND, der CIA und des britischen SIS. Viel kommt nicht dabei herum, um politische Analysen geht es nur am Rande. Die brisantesten Details: Angeblich habe es 1999 einen versuchten Staatsstreich von Angehörigen des russischen Fernmeldedienstes Fapsi gegeben. Außerdem registrierten die Dienste insgesamt fünf Attentatsversuche auf Putin.
Die kalten blauen Augen von Putin
Bezeichnend ist diese Einstellung: Putin blickt uns mit kalten, blauen Augen an. Die Kamera ist ganz dicht dran an diesem Foto und fährt langsam wieder weg – das sind Bilder, die an das Wahlplakat der CDU von 1953 („Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“) erinnern. Und die deutlich machen sollen, wo das Feindbild auch 60 Jahre später wieder zu finden ist: im Osten.
„Mensch Putin!“, ZDF, Dienstag, 20 Uhr 15