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Die Frau am Checkpoint Charlie: Petra Schmidt-Schaller spielt in "Wendezeit" eine DDR-Spionin, die in den US-Geheimdienst CIA eingeschleust wurde.
© rbb/ARD/Volker Roloff

TV-Drama "Wendezeit" in der ARD: Die CIA-Spionin, die aus dem Osten kam

Das Doppelagentendrama „Wendezeit“ mit Petra Schmidt-Schaller erzählt die Geschichte vom Mauerfall aus einer neuen Perspektive.

Die Handlung des TV-Dramas „Wendezeit“ ist fiktiv, doch sie beruht auf wahren Begebenheiten: Es ist die Geschichte von DDR-Spionen, die wie einst Günter Guillaume als Mitarbeiter von Willy Brandt an sensiblen Stellen im Westen eingesetzt wurden. Eine von ihnen hätte Saskia Starke (Petra Schmidt-Schaller) sein können, die eigentlich Tatjana Leschke heißt und als Ost-Agentin in der West-Berliner US-Botschaft für die CIA arbeitet, mit dem Amerikaner Richard (Harald Schrott) verheiratet ist und mit ihm zwei Kinder hat. Der Niedergang der DDR und speziell der Fall der Mauer sind für sie alles andere als die herbeigesehnte Befreiung. Nicht aus politischen, sondern vielmehr aus persönlichen Gründen – denn aus der Agentenlegende mitsamt bürgerlicher Familie ist längst ihr Leben geworden.

Der Fernsehfilm aus Anlass des 30-jährigen Mauerfall-Jubiläums, das der RBB für die ARD produziert hat, nimmt seinen Lauf bei einer Feier in der Zehlendorfer Villa mit den überwiegend amerikanischen Freunden der Starkes. Von einer Kollegin erfährt Saskia beiläufig, dass die CIA gerade einen Stasi-Überläufer aus Ost-Berlin in den Westen holen will, der brisante Informationen über einen Maulwurf anbietet.

Saskia weiß, um wen es sich handelt. Sie selbst ist der Maulwurf, und sie muss handeln. Sie täuscht eine Migräne vor, zieht sich ins Schlafzimmer zurück. Aus der braunhaarigen Saskia wird der Blondschopf Tatjana. Im Trenchcoat geht’s via Checkpoint Charlie nach Ost-Berlin. Wie in einem James-Bond-Streifen mit Daniel Craig kommt es zum beinharten Kampf auf Leben und Tod zwischen ihr und dem Überläufer, bei dem die Wohnungseinrichtung arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Am Ende ist der Stasi-Mann tot, die Doppelagentin kann ihre Fassade aufrechthalten – vorerst. Man merkt Regisseur Sven Bohse die Faszination an, die die Welt der Geheimdienste „mit kaltem Krieg auf beiden Seiten der Mauer“ auf ihn ausgeübt hat.

Zur Vorbereitung "Kundschafter des Friedens"

Petra Schmidt-Schaller, die an der Seite von Wotan Wilke Möhring auch schon eine „Tatort“-Kommissarin gespielt hatte, hat zur Vorbereitung auf „Wendezeit“ unter anderem das Buch „Kundschafter des Friedens“ von der Ex-Doppelagentin Gabriele Gast gelesen. „Selbst lügen und das Verstricktwerden in ein Lügensystem führen irgendwann dazu, dass man einfach alles glaubt“, lautete ihre Erkenntnis daraus.

Am Lügendetektor: Die CIA-Agentin Saskia Starke (Petra Schmidt-Schaller) heißt eigentlich Tatjana Leschke und arbeitet für den DDR-Auslandsgeheimdienst.
Am Lügendetektor: Die CIA-Agentin Saskia Starke (Petra Schmidt-Schaller) heißt eigentlich Tatjana Leschke und arbeitet für den DDR-Auslandsgeheimdienst. Doch nach Jahren des verdeckten Einsatzes weiß sie nicht mehr so genau, wem ihre Loyalität gilt.
© rbb/ARD/Volker Roloff

Nur wenige Personen kennen Tatjanas wahre Identität. Einer davon ist ihr Vater, der Stasi-Oberst Erich Leschke, ein linientreuer Staatsdiener. Seine Tochter hat er als Spionin hinter den feindlichen Linien abgerichtet. Seine wichtigste Lektion: Traue niemandem. Und gib niemals deine Deckung auf. Ebenfalls eingeweiht ist Markus Wolf (Robert Hunger-Bühler), der Leiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes, auch bekannt unter dem Namen „Hauptverwaltung Aufklärung“. Wolf ist nicht nur ihr oberster Chef, sondern auch ein väterlicher Freund. Er rät ihr, sich auf Saskias Familienrolle einzulassen. Tatsächlich galt der reale HVA-Chef Wolf anders als viele andere Funktionsträger der DDR nicht als komplett ideologisch verblendet. Am 4. November 1989 gehörte er zu den Sprechern der Großdemonstration in Ost-Berlin. Den Weg der Erneuerung sah er jedoch im sozialistischen Kontext. Entsprechend ausgebuht wurde er auf dem Alexanderplatz.

Nach der geplatzten Überläufer-Aktion beginnt in West-Berlin derweil eine regelrechte CIA-Maulwurfsjagd auf den Doppelagenten. Angeführt wird die Hatz vom neuen Leiter der West-Berliner Residenz. Das Ziel von Jeremy Redman (Ulrich Thomsen): Er will nicht nur die Stasi-Akte des Maulwurfs. Er will alle Maulwurfsakten der Stasi-Auslandsaufklärung, also das, was nach dem Fall der Mauer als Rosenholz-Dateien bekannt wurde. Diese Agentenkartei war noch zu DDR-Zeiten auf Film archiviert worden, diese Filme gelangten später zur CIA. Für die Jahre 1951 bis 1988 enthält die Kartei 6000 Agenten, die für die HVA in der Bundesrepublik und in West-Berlin tätigt waren, wobei 1988 noch 1553 aktiv waren. Für 1989 fehlen jedoch die Eintragungen, genauso wie für die Agenten mit den Anfangsbuchstaben La, Le, Li.

Wem die Loyalität gilt

Redmans Verdacht fällt schnell auf Saskia. Sie fürchtet ihre Enttarnung längst nicht nur aus Loyalitätsgründen für die DDR. Vielmehr will sie ihr Leben an der Seite von Richard und den beiden Kindern behalten. Was an sich schon kompliziert genug ist. Ihre Gothic-Tochter hat sich in einen Punker aus Ost-Berlin verliebt, was Saskias Probleme weiter vergrößert.

„Wendezeit“ ist ein sehenswerter Film mit einer beeindruckenden Petra Schmidt-Schaller, die am Dienstagabend im neuen ARD-Talk "Hier spricht Berlin" zu Gast ist . Herausgekommen ist keine Geschichtsstunde, sondern ein spannendes TV-Drama mit interessanten Wendungen. Dass die Doppelagentin ausgerechnet bei der CIA eingeschleust wird, die ebenso wie der ehemalige Geheimdienst der DDR nicht unbedingt für ihren Altruismus bekannt ist, erleichtert dem Zuschauer das Mitfiebern mit Saskia. Das Drehbuch von Silke Steiner verzichtet zudem auf Schilderungen, wen die Doppelagentin alles verraten hat – auf beiden Seiten. Am Ende entscheidet ohnehin nicht Ost oder West darüber, wem Saskias Loyalität gehört.

„Wendezeit“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15, ab 22 Uhr 45 wird das Thema in „Maischberger“ vertieft

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