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Es bröckelt. Die traditionellen sozialen Medien wie Facebook haben in der Beliebtheit der Nutzerinnen und Nutzer deutlich eingebüßt. Dafür haben Messengerdienste wie WhatsApp gewonnen, weil Kommunikation hier in geschlossenen Gruppen passiert.
© imago/Ralph Peters

Facebook, Twitter & Co.: „Die Begeisterung lässt spürbar nach“

Die Nutzung der sozialen Medien in Deutschland sinkt: Einbruch in Brandenburg auf 38 Prozent, Berlin liegt bei 51 Prozent. Messengerdienste gewinnen

Herr Weber, der aktuelle „Deutschland-Index der Digitalisierung 2019“ widmet sich auch den sozialen Medien. Was sagen die Zahlen im Vergleich 2019 zu 2017 insgesamt: Ist die Begeisterung für Facebook, Twitter und Instagram angestiegen oder abgeklungen?

Die Nutzung von sozialen Medien ist einer von über 90 Indikatoren, die in unsere Berechnungen eingehen. In der Tat hat sich da in den zwei Jahren seit dem letzten Deutschland-Index der Digitalisierung einiges getan. Die Begeisterung für soziale Medien hat in Deutschland spürbar nachgelassen. Statt 57 Prozent haben nur noch 51 Prozent der Befragten angegeben, in den letzten drei Monaten soziale Medien genutzt zu haben. Damit entwickelt sich Deutschland übrigens gegen den europäischen Trend. In allen anderen EU-Ländern hat die Nutzung zugenommen.

Die Studie untersucht die Nutzung dieser Medien Bundesland für Bundesland. Wo wächst die Begeisterung noch, wo ist sie stark rückläufig?

Von wirklicher Begeisterung lässt sich in keinem Bundesland mehr sprechen. In unserem Untersuchungszeitraum stieg die Nutzung nur in Hamburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland und dort auch nur minimal. In allen anderen Bundesländern konnten wir eine nachlassende Nutzung feststellen. Besonders deutlich fällt die in Bremen mit minus 18 Prozentpunkten aus. Fast ein Drittel der Bremerinnen und Bremer, die zwei Jahre zuvor noch soziale Medien genutzt haben, tun das nicht mehr. Allerdings weisen neueste Befragungsergebnisse, die nicht mehr in den Index einfließen konnten, auf eine erneute Trendumkehr in Bremen hin.

Gibt es ein Stadt-Land-Gefälle?

Schon die Analyse der Bundesländer zeigt, dass es kein großes Stadt-Land-Gefälle in dieser Frage gibt. Der Stadtstaat Hamburg und das eher ländlich geprägte Rheinland-Pfalz nehmen die Spitzenpositionen in der Nutzung ein. Insgesamt zeigt sich aber doch ein beobachtbarer Unterschied. Wir greifen für unsere Analysen auf eine jährliche Erhebung des Statistischen Amtes der Europäischen Union – kurz: Eurostat – zurück. Eurostat erlaubt eine Differenzierung der Daten nach städtischen Verdichtungsräumen und dünner besiedelten ländlichen Räumen. Nach den jüngsten Zahlen nutzen 56 Prozent der Einwohner städtischer Räume soziale Medien, in dünn besiedelten Regionen sind es 49 Prozent. Der Unterschied zwischen Stadt und Land ist in Deutschland also nicht sonderlich stark ausgeprägt. Zudem ist der Rückgang in Stadt und Land jeweils nahezu gleich.

Mike Weber ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin-Charlottenburg. Er ist Mitautor des „Deutschland-Index der Digitalisierung 2019“.
Mike Weber ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin-Charlottenburg. Er ist Mitautor des „Deutschland-Index der Digitalisierung 2019“.
© Fraunhoder

Wo ordnen sich Berlin und Brandenburg ein?

Berlin liegt mit 51 Prozent genau im Bundesdurchschnitt. In Brandenburg ist es jedoch im Untersuchungszeitraum zu einem deutlichen Einbruch bekommen. Während Brandenburg beim Deutschland-Index 2017 mit 54 Prozent etwa im Bundesdurchschnitt lag, sind es zwei Jahre später nur noch 38 Prozent. Nach Bremen verzeichnet Brandenburg damit den stärksten Rückgang im Bundesländervergleich. Anders als in Bremen zeichnet sich hier auch keine erneute Trendumkehr ab.

In den ostdeutschen Bundesländern mit Ausnahme von Berlin werden Werte von unter 50 Prozent erreicht. Ein deutlicher Unterschied zum Westen Deutschlands. Liegt die schwächere Nutzung im Osten nur an der Internet-Versorgung, am höheren Altersschnitt, oder, oder, oder?

Hier kommen eine ganze Menge von Einflussfaktoren zum Tragen: oft eher ländliche Strukturen, Altersstruktur und Mobilfunkversorgung spielen dabei sicherlich eine Rolle, der Einfluss jedes einzelnen Faktors bleibt aber sehr gering. Die Unterschiede fallen auch sehr viel kleiner aus als etwa bei der Infrastruktur. Facebook-Post und Twitter-Tweet scheitern also nur selten am fehlenden Internet. Auch sollte man aus den Unterschieden nicht schlussfolgern, dass das Leben in Ostdeutschland weniger digital ist. Im Index für digitales Leben, in den noch sechs weitere Indikatoren einfließen, belegen Sachsen-Anhalt und Sachsen Spitzenplätze unter den Flächenländern.

Die gesunkenen Zahlen überraschen auch deswegen, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, im Netz folge Shitstorm auf Shitstorm. Ist das Internet nur „lauter“ geworden ist?

Das Erstaunen rührt sicherlich auch daher, dass die öffentliche und politische Aufmerksamkeit für Digitalisierungsfragen in der letzten Zeit rasant zugenommen hat. Was im Internet passiert, hat immer stärkeren Einfluss auf unser tägliches Leben. Die Zahlen zeigen aber auch, dass dieser Einfluss sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Gerade zwischen den Altersgruppen unterscheidet sich das Mediennutzungsverhalten ja beträchtlich. Bei der Nutzung sozialer Medien etwa liegt die Nutzung von Rentnerinnen und Rentnern gegenüber Jugendlichen um stolze 70 Prozentpunkte auseinander. Also: Ja, das Internet ist „lauter“ geworden – einige Bevölkerungsgruppen können aber deutlich besser weghören als andere.

Platzhirsche wie Facebook verlieren

Wissen Sie, wie sich die Nutzung auf die verschiedenen sozialen Medien verteilt? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Die von uns analysierten Daten liefern dazu keinen Aufschluss. Aus anderen Veröffentlichungen lässt sich aber ersehen, dass die „alten“ Platzhirsche, allen voran Facebook, eher verlieren, während neuere wie Instagram und Snapchat eher dazugewinnen. Zudem lässt sich eine Art „Privatisierung“ der Kommunikation beobachten. Geschlossene Gruppen in Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Threema übernehmen immer mehr Funktionen, für die zuvor klassische soziale Netzwerke benutzt wurden.

Das digitale Leben in Deutschland ändert sich offensichtlich: Wenn die Nutzung der sozialen Medien sinkt, wofür wird das Netz dann vermehrt genutzt?

In erster Linie wird es anders genutzt, nämlich mobil. Hier verzeichnet unser Index beträchtliche Zuwachsraten. Dafür spielt dann die Infrastruktur auch wieder eine große Rolle. Das Nutzungsverhalten ändert sich sonst eher langsam. Einkaufen im Netz, Online-Banking, Online-Spiele und Musik- und Video-Streaming nehmen über die Jahre kontinuierlich zu. Für mich ist dabei besonders erfreulich, dass auch die aktive Gestaltung der digitalen Zukunft immer wichtiger wird: Die Arbeit in FabLabs und die Autorenschaft bei Wikipedia erfreuen sich beispielsweise großer Beliebtheit.

Das Interview führte Joachim Huber.

Mike Weber ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin-Charlottenburg. Er ist Mitautor des „Deutschland-Index der Digitalisierung 2019“.

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