Rundfunkgremien: Die Aufseher
Auch bei der ARD haben Politiker feste Plätze in den Sendergremien. Manchmal sind es zu viele, wenn die Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Grundlage genommen wird..
Nach dem Karlsruher Urteil zum politischen Einfluss auf das ZDF sind auch die Aufsichtsgremien der ARD-Anstalten ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil vom Dienstag den Einfluss von Politikern auf das ZDF beschränkt. Der Anteil der Vertreter von Staat und Parteien in den Aufsichtsgremien dürfe höchstens ein Drittel betragen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht zum „Staatsfunk“ werden. Ein Vorwurf, dem sich auch die ARD-Anstalten nicht aussetzen wollen. Welcher Sender ist modellhaft? Welcher hat Nachholbedarf? Ein Überblick.
Grenzwertig verhält es sich beim Südwestrundfunk (SWR). Das ZDF-Urteil muss aus Sicht des Landesrundfunkrates Baden-Württemberg Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrates haben, sagte Landesrundfunkratsvorsitzender Volker Stich. Der Verwaltungsrat sei mit sieben Vertretern der Landtage und der Regierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz besetzt sowie nur acht Vertretern aus dem Rundfunkrat. Anpassungsbedarf gibt es auch beim Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR). Das Gremium hat 47 Mitglieder. Die Landtagsfraktionen entsenden zwölf Vertreter, Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) sitzt für die Staatsregierung drin. Darüber hinaus gibt es „staatsnahe“ Vertreter wie Thomas Goppel, früher Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie CSU-Generalsekretär, er ist Vertreter von „Musik-Organisationen“. Dabei legten die Karlsruher Richter fest, dass die gesellschaftlichen Gruppen – wie Musik-Organisationen – keine Parlamentarier oder hochrangigen Vertreter aus Parteien oder Regierungen in die Gremien schicken dürfen.
Anderes Beispiel: der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Der 30-köpfige Rundfunkrat ist das oberste für die Programmkontrolle zuständige Aufsichtsgremium. Es wählt auch den Intendanten und soll verschiedene gesellschaftlich relevante Gruppen repräsentieren. Naturschützer, Kirche, Gewerkschaften, Ausländerbeauftragte von Berlin und Brandenburg, Landessportbund, Akademie der Künste, Landesfrauenrat – aber natürlich auch Politiker. Der Landtag von Brandenburg entsendet drei Vertreter, das Berliner Abgeordnetenhaus vier. „Nach dem Tenor des Urteils würde man auch noch die Entsendungen des Rates der Bürgermeister von Berlin und der kommunalen Spitzenverbände hinzurechnen, so dass maximal neun von 30 Mitgliedern des RBB-Rundfunkrates zu der von Karlsruhe beschriebenen Gruppe gehören würden“, sagt RBB-Sprecher Justus Demmer. Der vom Rundfunkrat gewählte Verwaltungsrat hat sieben Mitglieder, darunter sind weder Mandatsträger noch Regierungs- oder Parteienvertreter. Beim RBB gebe es in diesen Punkten keinen Handlungsbedarf.
Ähnlich sieht das die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates, Ute Schildt. Sie hält die Zusammensetzung ihres Gremiums für unproblematisch. Anders als beim ZDF säßen bei der Vier-Länder-Anstalt in Aufsichtsgremien keine Regierungsmitglieder. Es werde geprüft, ob der Staatsvertrag oder die Satzung des Rundfunkrates verändert werden müssten. Beim NDR sind 11 der 58 Mitglieder von Parteien entsandt, also weit weniger als ein Drittel.
Die Zusammensetzung des WDR-Rundfunkrats entspricht nach Angaben der Vorsitzenden Ruth Hieronymi sogar den Vorgaben für das ZDF. „Empfehle Modell WDR-Rundfunkrat“, kommentierte Hieronymi, selbst CDU-Mitglied und früher im Europäischen Parlament, das Karlsruher Urteil, in dem als Obergrenze ein Drittel an Politik- und Parteienvertretern im ZDF-Verwaltungs- und Fernsehrat festgelegt wurde. Regierungsvertreter seien von der Mitgliedschaft im WDR-Rundfunkrat ausgeschlossen. Aktuell werden 15 der 49 Gremiums-Mitglieder vom Landtag NRW entsandt. Der öffentlichen Liste der 43 Mitglieder des MDR-Rundfunkrats wiederum ist zu entnehmen, dass neun Mitglieder Abgeordnete und weitere drei Vertreter der Landesregierung sind. Zu diesen zwölf aus der Politik kommen noch zwei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände hinzu. Damit wären fast ein Drittel von der Politik entsandt. Das geht an die Grenze.
Die Medien sollen der Politik auf die Finger schauen. Das ist Sinn der Rundfunkfreiheit und kann nicht funktionieren, wenn zu viel Politiker öffentlich-rechtliche Sender beaufsichtigen. Nach der Karlsruher Entscheidung zum ZDF bleiben also auch bei der ARD noch Zweifel, was das Prinzip der Staatsferne und Vielfaltssicherung betrifft.