Doku über Fußballer Thomas Broich: Der Poet und die Pässe
Thomas Broich galt als der "neue Netzer", er ließ sich als kickender Schöngeist fotografieren - und scheiterte nach rasantem Aufstieg in der Bundesliga. Eine Doku zeigt, wie der deutsche Fußballer am anderen Ende der Welt sein Glück gefunden hat.
Die Bundesliga, die am Freitag in ihre 50. Saison geht, hat schon viele bunte Vögel gesehen. Sogar einen, der einen Töpferkurs belegte, ein Philosophiestudium begann, Klavier und Gitarre spielen kann und einen „Aufruf zur Fußballkunst“ verfasste. Klar, dass so einer kein Innenverteidiger ist. Auch auf dem Spielfeld ist der vielseitig begabte Thomas Broich ein Ästhet. Einer, der endlos über den Rasen schnörkelt und an guten Tagen Gegenspieler reihenweise ins Leere grätschen lässt. Und der den „entscheidenden Pass“ spielen kann. Einem solchen Pass, sagt Broich, „haftet fast etwas Poetisches an“.
Warum scheitert so ein hochbegabter Individualist im deutschen Fußball-Zirkus? Aljoscha Pause, der für seine Recherchen über Homosexualität im Fußball („Tabubruch“) vor zwei Jahren den Grimme-Preis erhielt, hat die Karriere Broichs seit 2003 begleitet und für eine Dokumentation über ihn gedreht.
Broich legte einen rasanten Aufstieg vom Zweitligisten Wacker Burghausen zu Borussia Mönchengladbach hin, wo er zum „neuen Netzer“ und möglichen Star bei der WM 2006 hochgejubelt wurde. Broich ließ sich mit Buch in der Hand als kickender Schöngeist fotografieren, Medien und Mitspieler gaben ihm den Spitznamen „Mozart“. Doch sein Glück fand der heute 31-jährige Broich, der die Fußballkunst eines Zinedine „Zizou“ Zidane anhimmelt, erst in Australien, wohin er 2010 nach weiteren Anläufen beim 1. FC Köln und 1. FC Nürnberg gewechselt war. Dort wurde er mit Brisbane Roar zwei Mal Meister und zuletzt Fußballer des Jahres.
Sicher hat Filmmacher Pause ein wenig die Distanz verloren zu Broich, diesem coolen Typen, den er im Privatleben mit Lebensgefährtin Lena zeigt und sogar bis ins Badezimmer verfolgen darf. Bilder vom Ausflug Broichs mit einem Kumpel in den australischen Dschungel haben die Ästhetik eines Werbeclips mit tollen Naturburschen. Dennoch ermöglicht die Langzeit-Doku „Tom Meets Zizou“ ungewöhnliche Nahsichten auf den Liga-Alltag, auf das Leben eines Profis und den allgegenwärtigen Medienrummel, der ab dem Wochenende wieder über Spieler, Vereine und Publikum hereinbricht.
Selbstkritisch spricht Broich im Rückblick von seinem „aufgeplusterten Ego“und davon, dass er eitel genug gewesen sei, „um in viele Fallen zu tappen“. Für Michael Oenning, seinen Freund und ehemaligen Trainer in Gladbach und Nürnberg, ist er ein „tragischer Held“. Dass er gerne scheitert, habe er ein bisschen in sich. Die Bundesliga? „Das ist nicht seine Welt.“ Thomas Gehringer
„Tom Meets Zizou – Kein Sommermärchen“; WDR, 22 Uhr 30