"Mona Lisa": Der lange Marsch aus der Nische
Erst für Frauen, jetzt für alle: Das ZDF-Magazin „ML Mona Lisa“ feiert 1000 Sendungen und wird 25.
Ein Frauenmagazin im Fernsehen und dann noch im ZDF, das war und ist in Zeiten der Emanzipation eine heikle Sache. Erinnert es doch fatal an die Zeitung von gestern, in der es die Seite „Frau und Gesellschaft“ gab oder an das „Damenprogramm“ auf Diplomatentreffen. Kurz: Ein Frauenmagazin bedeutet, dass Frauen noch nicht so richtig dazugehören und deshalb besondere Probleme haben, die eine Extrawurst erfordern. Und das wollte im Jahre 1988 niemand mehr so richtig eingestehen, weder die Frauen, die gekämpft und an vielen Fronten gesiegt hatten, noch die Männer, die es leid waren, an den Pranger gestellt zu werden. Genau genommen aber war die Gleichberechtigung lückenhaft geblieben und die Männerwelt bloß „verbal aufgeschlossen bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ (Ulrich Beck). Also konnte Maria von Welser, die erste Moderatorin des ersten Frauenmagazins im deutschen Fernsehen sagen: „Wir brauchen die Nische noch.“
Auch Fernsehformate mit auf Zielgruppen zugeschnittenen Themen wollen in die Breite wirken: „ML Mona Lisa“ musste weniger gegen männliche Vorurteile ankämpfen als gegen die eigenen Ängste, womöglich als Emanzengedöns abqualifiziert zu werden. Also sollte die um Gleichheitsideen weitgehend unbekümmerte Frauenmehrheit dort abgeholt werden, wo sie stand, und das war, so glaubte frau, in der Küche oder vorm Kleiderschrank. Deshalb wurden Rezepte und Modetipps von den Macherinnen der ersten Stunde, zu denen ab 1989 auch Petra Gerster gehörte, keineswegs verschmäht; solche Programminhalte waren aber eher als List gedacht, über die das große weibliche Publikum am frühen Sonntagabend für 45 Minuten in eine kritische Grundstimmung hineingelockt werden sollte.
Conny Hermann folgt auf Maria von Welser ein knappes Jahrzehnt nach dem Einstand, und da sind die Themen des Magazins schon ziemlich politisch und außenpolitisch. Der Kampf um die Reform des Abtreibungsparagrafen gehört ebenso dazu wie Berichte über die rituelle Beschneidung von Mädchen in Afrika. Die Sendung ist mit ihren Anliegen auf die große politische Bühne getreten und dabei doch frauenpolitisch geblieben. Die Nische ist verlassen, oder besser: Sie hat sich von selbst geöffnet, da sich zeigte, dass die Fragen, die dort zwischengelagert waren, ein großes Publikum angingen. Unter der Leitung von Barbara Dickmann ab 2003 geht es dann auch thematisch aus der Frauenperspektive immer mal ganz raus. Über Tiertransporte, Altnazis und Umweltsünden wird berichtet, das Magazin heimst Preise für seine Investigation ein. Was sich da niederschlägt in den Sujets ist die Einsicht, dass Frauen Menschen sind wie ich und er, dass also ihre Belange für alle interessant sein können und die Belange aller interessant für sie.
Und die Zielgruppe? Die sollte in Zeiten des Formatfernsehens und einer wachsenden Bedeutung der Quote schon klar umrissen sein. Das ist sie nun nicht mehr. Wer schaut „ML“? Alle Frauen? Schön wär’s. Engagierte Frauen? Das wäre zu wenig. Auch Männer? Darum hat sich „ML“ von Anfang an bemüht, offenbar mit Erfolg. Seit dem Start machen männliche Zuschauer so um vierzig Prozent des Publikums aus – wenn auch wohl anfangs weniger aus Empathie mit Frauennöten als aus Neugier darauf, wie das Weibsvolk so tickt. Spätestens seit Sibylle Bassler im Jahre 2008 die Redaktionsleitung übernahm, präsentieren sich Themen, Look und Machart von „ML“ aber nicht mehr derart frauenspezifisch, dass ein männlicher Spanner dabei auf seine Kosten käme. Gleichwohl bleiben die Männer als 40-Prozent-Anteil dabei.
2011 gibt es einen Neustart. Das ZDF-Magazin, inzwischen auf 35 Minuten geschrumpft, wandert vom Sonntag auf den Samstag 18 Uhr und handelt sich dadurch die „Sportschau“ als Konkurrenz im Ersten ein. Ganz schön mutig, aber wie gesagt, die Männer gucken es trotzdem. Dafür heißt die Sendung jetzt mit Untertitel: „Frauen, Männer und mehr“. Das „und mehr“ ist erklärungsbedürftig: Sind Kinder gemeint? Oder Tiere? Man weiß nicht so recht und darf mutmaßen, dass hier die Redaktion einfach auf die gängige Mode reingefallen ist, die alle möglichen Anbieter, sei es von Kuchen, Tee oder Reisen, dazu angestiftet hat, ein „und mehr“ an ihre Kernkompetenz dranzuhängen. Immerhin verweisen die ersten beiden Worte des Untertitels noch auf die Herkunft des Magazins aus der Frauenbewegung. Denn wo beide Geschlechter genannt werden, vermutet das Publikum, dass es um Spannungen und Konflikte zwischen ihnen geht. Man kann den Untertitel aber auch so interpretieren, wie ihn die Redaktion verstanden wissen möchte: „Weil wir der Überzeugung sind, dass wir relevante gesellschaftspolitische Themen, die unser Zusammenleben beeinflussen, nur gemeinsam verändern können. Frauen und Männer! Denn alles, was uns Frauen betrifft, geht auch Männer an.“ Das „und“ hätte, so verstanden, eine verbindende, auf Gemeinsamkeit setzende Funktion. Symbolisch dafür steht der erste Mann in der Moderation, Alexander Mazza, der im letzten Jahr dazugekommen ist und die seit 2011 moderierende Barbara Hahlweg zeitweilig ablöst. Die Themen der letzten Sendungen kreisten um Magersucht bei Jungen, japanische Tsunami-Opfer auf Deutschlandbesuch, Alkoholismus, schwule Väter und Fragen wie „Was wurde eigentlich aus dem Bildungspaket“? Man sieht: Die Frauenperspektive ist kontingent, das Magazin aktuell, aufklärend, kritisch. So was kann man/frau in der Tat gut gebrauchen.
Das Studio ist in einer Münchner Hochhausetage untergebracht, es erlaubt den Blick auf die Stadt. Die Devise heißt: „Wenn Kopf auf Gefühl trifft“, ein Peng, das, wie die Hirnforschung bestätigt, beide Geschlechter zu irritieren vermag. Kämpferisch möchte „ML“ bleiben, aber weniger geschlechter-kämpferisch als allgemein-kämpferisch gegen Unrecht und Diskriminierung. Okay. Frauenpolitik wird aber jenseits allgemeinmenschlicher Attacken ihren feministischen=antipatriarchalen Index verteidigen müssen, da beißt kein verbindliches „und“ einen Faden ab. Man darf davon ausgehen, dass die „ML“-Macherinnen und -Macher (es gibt auch Männer in der Redaktion) das wissen und dass dieses Wissen ihre Arbeit beeinflusst. Sie wollen es bloß nicht laut sagen, denn Feminismus, das klänge dann wieder nach Nische und Männerfeindlichkeit, und so eine Assoziation fürchtet „ML“ seit 1988 wie der Teufel das Weihwasser. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. „ML Mona Lisa“ ist selbst der beste Beweis dafür, dass die sogenannte Nische nie eine war, dass sie nur dafür gehalten wurde und dass frau, als sie glaubte, die Nische noch zu brauchen, sich sehr schnell auf der gesellschaftspolitischen Bühne wiederfand. Am 20. April steht ein Doppeljubiläum an: zum 25. Geburtstag gibt es die 1000. Sendung.
„ML Mona Lisa“, Samstag, 18 Uhr, ZDF