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© WDR

Satire: Der das Spiel verdirbt

Heute Nacht zeigt der WDR die "Zimmer frei!"-Folge mit Martin Sonneborn, die zunächst nicht gesendet werden sollte. Joachim Huber hat sie schon gesehen. Sein Fazit: ein mittelgroßes Medienereignis.

Der WDR ist der mächtigste Sender in der ARD. Wie der Zuschauer jetzt weiß, ist er auch der dünnhäutigste. Kommt einer wie Martin Sonneborn – auf Einladung – zu „Zimmer frei!“ und spielt das WG-Spiel nicht mit, dann ist der Sender von Intendantin Monika Piel abwärts beleidigt und sperrt das Sonneborn-Tape in den Giftschrank. Auf Druck der Straße wurde es herausgeholt und in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gezeigt – und siehe da, es hätte gleich am 4. Oktober ausgestrahlt werden können. Es gab keine Katastrophe zu besichtigen.

Wer den früheren Chefredakteur der „Titanic“ und Vorsitzenden der Partei „Die Partei“ zu sich bittet, der muss mit Sonneborn pur rechnen. Der sieht zwar aus wie ein nie beförderter Finanzbeamter, ist aber ein Schlaufuchs, ein Satire-Profi. Satire spielt mit der Wirklichkeit, nimmt sich davon, was sie braucht, modelt um, macht neu, verzerrt, dass es quietscht. Das alles hat Sonneborn als WG-Gast nicht wirklich getan, er war nur ganz bei sich. Er nahm das Spiel als Spielmaterial und spielte damit. Mal als Ex-Chefredakteur, mal als Bürger Sonneborn, mal als Vorsitzender der „Partei“.

Christine Westermann und Götz Alsmann, die beiden Gastgeber, sind es gewohnt, dass an Comment und Routine nicht gerüttelt wird. Es wird gegessen, getrunken, ein paar Rätsel werden gelöst, am Ende stimmt das Studiopublikum über den potenziellen WG-Gast ab. Das Konzept geht in 99 Prozent der Fälle auf.

Martin Sonneborn als Gast der Fernseh-WG „Zimmer frei!“ war nach seinen Maßstäben lustig, komisch, hinterfotzig, er war unnötig böse zu Frau Westermann und minutenweise auf Krawall getrimmt. Das machte Zuschauer und Moderatoren in diesem Wir-haben-uns-alle-so-lieb- Format schier fassungslos: Da will einer nicht Liebling der Massen werden.

Sonneborn verweigerte Frau Westermann frecherweise ein Gespräch über Ironie, er brach die Moderatorin und deren Rolle ironisch (entzwei). Das brachte sie an den Rand ihrer Möglichkeiten und Contenance. Auf dem Höhepunkt des Missverständnisses – Sonneborn gab ihr gegenüber konsequent den Politiker – sagte sie es frei heraus: „Wenn ich Sie im Fernsehen sehen würde, würde ich ausschalten.“ Dazu kam es bekanntermaßen erst nach Ende der Aufzeichnung.

Diese „Zimmer frei!“-Ausgabe war spannend, nahe am mittelgroßen Medienereignis. Einer verweigert sich, das ist eine so große Irritation, als würde Gottschalk nicht den Gastgeber, sondern den „music act“ geben, als würde Guido Westerwelle in der politischen Talkshow nicht als Parteichef, sondern als Guido Westerwelle auftreten. Jeder hat in dieser Fernsehrepublik seine Rolle, verdammt noch mal, und wehe, einer fällt da raus, dann wird das Fernsehen grantig und sagt: „Nicht lustig, Herr Sonneborn!“

Christine Westermann war nur noch empört über den Spielverderber, Götz Alsmann rutschte fast die Tolle ins Gesicht. Erstaunlich doch, wie leicht die Moderatoren zu verunsichern sind. Anscheinend pochen sie immer auf Heimrecht und Heimspiel, und hastenichgesehn rauscht einer rein, der den Teppichboden zu verdrecken im Sinn hat. Martin Sonneborn hat mit seiner Regelverletzung die Regeln von „Zimmer frei!“ zugleich gebrochen und bestätigt. Wer will, der kann diese Unterhaltungssendung nolens volens aus den Angeln heben. Alle 500 Ausgaben kann das gerne mal passieren. Das reicht. Schließlich geht es nur um „Zimmer frei!“.

Im Übrigen ist das ein glasklares Mann-Frau-Ding. Westermann nahm übel, die WDR-Fernsehdirektorin nahm übel, die WDR-Sprecherin stimmte mit ein, die WDR-Intendantin übte sich in Solidarität. Dass Martin Sonneborn, wie der Einspieler zeigte, nur über Pornovideos mit Frauen was anfangen kann, das ist sein wahres Problem. Joachim Huber

PS: Wenn der WDR bei „Zimmer frei!“ derartige Qualitätsmaßstäbe anlegt, wie rechtfertigt er das übrige Programm?

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