Rundfunkbeitrag: Der Beitragsservice in Erklärungsnöten
Wie kam es zu den Mehreinnahmen beim Rundfunkbeitrag? Der Justiziar ist von der Frage mittlerweile genervt. Wohin das Geld geht, ist schon mal klar.
Wer den neuen Rundfunkbeitrag zu vertreten hat, der gerät leicht in eine Verteidigungshaltung. Hermann Eicher wählt lieber den Angriffsmodus. Der Justiziar des Südwestrundfunks (SWR) ist so etwas wie der Wortführer der ARD in Sachen Beitragsrecht. Er sitzt in einem Raum des Kölner Beitragsservice und rutscht ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her. Stefan Wolf, Geschäftsführer des Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio (vormals GEZ), will Hintergründe zum Geschäftsbericht 2014 erläutern, doch er kommt nicht weit. Hermann Eicher hat etwas klarzustellen: Die Reform, mit der die gerätebezogene Rundfunkgebühr in eine Haushaltsabgabe umgewandelt wurde, sei „ohne Alternative“ gewesen, sagt er energisch. Nun würden sich auch zahlreiche europäische Länder mit einer möglichen Umstellung auf eine Haushaltsabgabe beschäftigen und fragen „bei uns nach den Erfahrungen aus dem Modellwechsel nach“. Die Schweiz hat am vergangenen Wochenende als erstes Land bei einem Referendum mit knapper Mehrheit für eine Umstellung gestimmt.
Eicher ist allerdings auch erkennbar genervt. Insbesondere die Behauptung, die Anstalten hätten einen „geheimen Plan“ zur Mehrung ihrer Einnahmen gehabt, ärgert ihn. Das sei „ehrenvoll, aber falsch“, sagt er. Zu den Mehreinnahmen komme es vor allem durch den einmaligen Meldedatenabgleich in Verbindung mit dem Ende 2013 beschlossenen Instrument der Direktanmeldung. Dadurch sei es möglich geworden, eine unerwartet große Zahl bis dahin nicht angemeldeter Personen in den Bestand des Beitragsservice aufzunehmen.
Geld eintreiben, bis zur Zwangsvollstreckung
2014 wurden 8,32 Milliarden Euro zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Systems eingenommen, 643 Millionen mehr, als von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) ursprünglich veranschlagt worden war. 2013 betrugen die Mehreinnahmen 188 Millionen Euro. Insgesamt wird in der Gebührenperiode 2013 bis 2016 mit Mehreinnahmen von 1,51 Milliarden Euro gerechnet. Das Geld fließt auf ein Sperrkonto und steht den Sendern nicht zur Verfügung.
Der Beitragsservice führt die Mehreinnahmen zu 70 Prozent auf die sogenannten Direktanmeldungen zurück. Dieses Instrument hatten die Intendanten eingeführt, weil viele auf ein Anschreiben nach dem Datenabgleich mit den Meldeämtern nicht reagierten. Der Datenabgleich allein habe noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Haushalte erbringen können, weil es keine Statistiken über bewohnte Wohnungen gebe und der Beitragsservice auch nicht auf die Wohnungskataster zugreifen dürfe.
Wer auf das Anschreiben nach dem Datenabgleich nicht antwortete, wurde trotzdem angemeldet, und der Beitragsservice versuchte anschließend, das Geld einzutreiben, bis zur Zwangsvollstreckung. Laut Geschäftsbericht wurden allein 2014 nach dem Datenabgleich 8,1 Millionen Personen angeschrieben. Dies führte zu 4,7 Millionen Neuanmeldungen, darunter 3,5 Millionen per Direktanmeldung.
Mehr freiwillige Anmeldungen als erwartet
Nur rund ein Drittel der Direktanmeldungen erwies sich dann allerdings als „voll ertragswirksam“. Bei den übrigen stellte sich heraus, dass bereits andere Personen den Rundfunkbeitrag für den Haushalt zahlen oder dass Gründe für eine Befreiung von der Beitragszahlung vorliegen.
Zu 30 Prozent seien die Mehreinnahmen dadurch zu erklären, dass es mehr freiwillige Anmeldungen gegeben habe als erwartet. „Offenbar hatte bereits die Ankündigung der Umstellung einen heilsamen Effekt, sich ehrlich zu machen, und hat so einen Schub von Anmeldungen produziert“, sagt Geschäftsführer Stefan Wolf. Im vergangenen Jahr sprach der Beitragsservice auch wegen der hohen Zahl der Direktanmeldungen 21,1 Millionen Mahnungen aus, das waren 41,4 Prozent mehr als im Jahr 2013 (14,9 Millionen Mahnungen).
Laut Wolf ist der Anteil der bei Gewerbebetrieben, Institutionen und Einrichtungen des Gemeinwohls eingesammelten Erträge mit knapp unter zehn Prozent annähernd gleich geblieben. Ende Dezember waren 2,5 Millionen Personen von der Beitragszahlung befreit, 500 000 war eine Ermäßigung gewährt worden. Zwei Drittel der Befreiten sind Hartz-IV-Empfänger.