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70 Jahr', blondes Haar. Wolfgang Joop (li.) ist das Epizentrum der Show. Dafür gibt es Applaus von Co-Juror Thomas Hayo.
© dpa
Update

"Germany's Next Topmodel" auf ProSieben: Der alte Mann und die Models

Seit gestern geht es auf ProSieben bei „Germany's Next Topmodel“ wieder wöchentlich um Träume und Tränen. Der einzige Hingucker, den die Jubiläumsstaffel zu bieten hat, ist der 70-jährige Wolfgang Joop.

Man könnte ja annehmen, nach zehn Jahren hätte man in dieser Sendung alles gesehen und zwar zigfach: Dicke Spinnen auf zarter Haut, fragwürdige Designerroben, unfassbar naive Mädchen, Gekreisch, Gezänk, Geheule. Und wie Heidi Klum nicht müde wird zu betonen, gibt es am Ende immer nur ein „Germany's Next Topmodel“. Am Donnerstagabend ist die Jubiläumsstaffel gestartet und selbst wer noch noch nie eingeschaltet hat, kennt die Eckdaten.

Zu Beginn gibt es große Castings, dann werden in jeder Folge Mädchen ausgesiebt („Ich habe heute leider kein Foto für dich!“). Sie müssen sich mit absurden Shootings und fiesen Kontrahentinnen herumschlagen. Für den großen Traum von der Modelkarriere wird eben keine Mühe gescheut. Und? Auch schon gegähnt?

Die Klum'sche Selbstvermarktungsmaschine auf ProSieben lahmt, in den vergangenen Jahren ist der Marktanteil in der werberelevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen deutlich abgesackt. „Die Menschen werden sich immer für schöne Mädchen interessieren“, wird Heidi Klum im Vorfeld des Staffelbeginns vom Sender zitiert. Damit mag sie Recht haben, doch schöne Mädchen gibt es nicht nur in ihrer Show. Auch Fremdscham, Wettbewerb und platte Komik reichen in der Ära der Casting-Shows nicht mehr aus, um Zuschauer zu fesseln. Am Donnerstag schalteten nur 14,9 Prozent des jüngeren Publikums ein.

Heidis Kuschel-Hölle

Die meist hilflosen Versuche, den Fall von "Germany's Next Topmodel" abzufedern, haben sich in den vergangenen Jahren gehäuft: Während sie früher als kalte Gouvernante unter verängstigten Nachwuchsschönheiten auftrat, menschelt Heidi Klum seit einigen Staffeln, was das Zeug hält. Sie kümmert sich um die Sorgen und Ängste der Bewerberinnen, beißt in den mittlerweile obligatorischen Döner („Sollen wir gleich noch einen bestellen?“) und bekommt - oh Schreck! - auch mal Fieber. Dass die Topmodel-Parade immer mehr zum Reality-Format rund um Heidi Klum wird, ist eine unaufhaltsame Entwicklung.

Gleich zu Beginn der neuen Staffel steigt Heidi Klum gemeinsam mit Co-Juror Thomas Hayo in einen Tour-Bus, um die ersten Stationen der Vorrunde abzuklappern. Was folgt, sind Heidi und Thomas beim Einrichten ihrer Kajüten, beim Rumblödeln, beim Umziehen, Abschminken und Einschlafen. Allein Wolfgang Joop als drittes Jury-Mitglied scheint immer noch davon auszugehen, dass es in der Show vorrangig um die Suche nach schönen Gesichtern geht. Selbstredend entzieht er sich der Kuschel-Hölle im Bus. Sowieso bringt er seit seinem ersten Auftritt in der vorangegangenen Staffel etwas Abwechslung in die drögen Sendungen. Das Wesen des Designers passt nicht in das glattgebügelte Konzept, mit dem vor allem Heidi Klum bestmöglich präsentiert werden soll.

"Was soll das Gelaber?"

Joop als Teil ihrer Entourage - welcher Produktionsmitarbeiter hat da eigentlich nicht aufgepasst? Der Potsdamer ist ein Epizentrum, viel mehr noch als die blonde Sirene aus Bergisch Gladbach. Und so nimmt er natürlich den Flieger zum ersten Staffel-Casting in Köln, ruft immer wieder nach seinem Assistenten und stoppt das Defilee der Schönheiten, um sich ein Stück Donauwelle und Kaffee bringen zu lassen.

Als ihm die ganze Sache zu lange dauert, haut er zügig auf den Buzzer, der den Sprung in die nächste Auswahlrunde bedeutet. Eigentlich werden die Mädchen erst ein wenig ins Kreuzverhör genommen, der Spannung wegen - aber nicht mit einem unterzuckerten Joop. „Was soll das Gelaber?“, schnauft er. Später wird er aufspringen, nervös an seinem Schal zupfen und um eine Pause bitten. Manchmal wirkt er auch etwas fahrig und überfordert. Inmitten all der schönen, jungen Körper fällt das Alter eben besonders auf. Vanitas-Momente zwischen Stolz und Verlorenheit sind vielleicht die größte Neuerung bei „Germany's Next Topmodels“ - und sicher nicht gewollt.

Rebellion gegen Model-Imperatorin Heidi Klum

Was hingegen zum Plan der diesjährigen Inszenierung gehört, sind die Auftritte mehrerer junger Männer auf dem Casting-Laufsteg. Als der erste in Strumpfhosen und High Heels auf die Jury zustakst, wird klischeegerecht Conchita Wursts Hit „Rise Like a Phoenix“ gespielt. Transgender, cross-dressed, transsexuell: Ja, auch das gehört jetzt zu „Germany's Next Topmodel“, aber eher als Gag und halbherzige Toleranz-Botschaft. Und wieder ist es Wolfgang Joop, der mit einem Akt der Rebellion gegen Model-Imperatorin Klum verhindert, dass man vor dem Fernseher einschläft. Der Titel der Show erlaube eigentlich einen geschlechterneutralen Wettbewerb, sagt er. Ob nicht auch ein Mann schön genug für den Sieg sein könne? „Wenn er hier angekommen wäre und ausgesehen hätte wie eine Frau - absolut“, antwortet Heidi Klum verdattert. Von Joop kommt aber ebenfalls ein wenig durchdachter Kommentar: Transgender sei doch jetzt „modern“.

Eine Dekade, keine Weiterentwicklung

Eine Bewerberin, die 25-jährige Pani, hat sich vor Jahren einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und schafft es „unbemerkt“ durch die Castingrunde. Ihr Geheimnis - das keines ist, weil Pani es hinter der Bühne in die Kamera plaudert - wird in den nächsten Folgen offiziell gelüftet. Für die Jury ist das dann natürlich eine Riesenüberraschung, die erst einmal verdaut werden will. Irgendwie hat sich „Germany's Next Topmodel“ innerhalb einer Dekade also doch nicht weiterentwickelt. Da lohnt es sich vielleicht schon eher, die am Mittwoch gestartete RTL-Show „Deutschlands schönste Frau“ mit Guido Maria Kretschmer einzuschalten. Körperliche Unterschiede und Abweichungen vom Mainstream müssen da immerhin nicht versteckt werden.

Sonstige Versuche, „Germany's Next Topmodel“ neues Leben einzuhauchen, sind eher mager gehalten. In den kommenden Wochen sollen zu Beginn jeder Folge einige Mädchen zu Castings in Mode-Metropolen reisen. Außerdem wird es eine wöchentlich wechselnde Anführerin in der Model-Villa geben, die für Harmonie und Ordnung sorgen soll (als ob!). Und weil es nach Foto-Shootings in großen Höhen und mit einem Haufen toter Fische offenbar kaum noch Steigerungsmöglichkeiten gibt, hat Heidi Klum laut eigener Aussage die schwierigsten Shootings der vergangenen Staffeln ausgewählt und „noch einen oben drauf gesetzt“. Die Fernsehnation bebt vor Spannung.

„Germany's Next Topmodel, ProSieben, donnerstags, 20 Uhr 15.

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