Raab, Hallaschka, „Lindenstraße“: Das Wahl-Wochenende in der Unterhaltung
Stefan Raab lässt wählen, Steffen Hallaschka testet die Deutschen, die "Lindenstraße" strickt mit heißer Nadel: Was das Wahl-Wochenende in der TV-Unterhaltung bringt.
Am Samstag ist es geschafft. Dann sind all die Talkrunden, Wahl-Duelle, Wahl-Arenen, Berliner Runden, Circus HalliGallis und TVtotals extra zur Bundestagswahl vorbei. Dann standen alle Spitzenkandidaten, Parteispitzen, Parteiexperten mindestens einmal vor jeder Fernsehkamera. Auch am Donnerstagabend gab’s diesbezüglich im Fernsehen kein Entkommen: bei der „Berliner Runde“, auf zwei Kanälen, ARD und ZDF. Zu Gast: Ursula von der Leyen (CDU), Sigmar Gabriel (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Rainer Brüderle (FDP), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Gregor Gysi (Linkspartei). Die wirklichen Spitzenkandidaten, Merkel und Steinbrück, blieben fern. Sie taten gut dran. Der x-te Parteiprogramm-Austausch im Fernsehen zu Steuern, Energiewende, Euro-Krise, Betreuungsgeld hatte eine hohe Abschaltquote. Nur vier Millionen Zuschauer holten sich bei der „Berliner Runde“ letzte Entscheidungshilfe. Ein Ausblick auf die Wahlbeteiligung am Sonntag?
Immerhin, einen Gewinner hatte die müde Veranstaltung. 2,59 Millionen Zuschauer sahen Brüderle & Co. lieber im Ersten, nur 1,41 Millionen drückten bei ihrer Fernbedienung auf das ZDF-Knöpfchen. Ein Phänomen, das sich bei fast allen Parallel-Übertragungen wichtiger politischer Ereignisse einstellt: TV-Duell, Bayern-Wahl, Bundestagswahl. Laut ARD-Medienforschung gilt dieser Einschaltimpuls auch für die Unter-30-Jährigen, denen man doch zutrauen würde, sich lieber bei „RTL aktuell“ zu informieren. Wenn es wirklich wichtig wird, dann wird dem „Tagesschau“-Sender offenbar immer noch die höchste Kompetenz und Seriosität eingeräumt.
Tiefpunkte des Wahl-TV 2013
Das wird gerade jüngere Zuschauer am Samstagabend aber nicht davon abhalten, Stefan Raab und seine Sendung „TV total Bundestagswahl 2013“ auf Pro7 einzuschalten. Hier dürfen in der Primetime noch mal diverse Spitzenpolitiker ran: Ilse Aigner (CSU), Armin Laschet (CDU) Thomas Oppermann (SPD), Rainer Brüderle (FDP), Jürgen Trittin (Grüne), Gregor Gysi (Linke), und sich nach der Vorstellung ihrer Positionen einem Zuschauer-Voting stellen. Das erinnert ein bisschen an einen der Tiefpunkte der Wahlkampfsondersendungen 2013: „Wie geht’s Deutschland“, die Wahl-Quiz-TalkGame-Show des ZDF mit Brüderle und Gysi, die vor Marietta Slomka durchs Studio hüpften. Für ZDF-Chefredakteur Peter Frey auch eine der Lehren des Wahl-TV: „Bei ,Wie geht’s, Deutschland?’ haben wir festgestellt, dass der erste Teil mit der Kombination aus Dokumentation und Diskussion besser funktioniert hat als der zweite Teil.“ Es sei dem ZDF aber gelungen, klassische, eher „harte“ Formate mit jungen und ungewöhnlichen Elementen zu kombinieren. „Unsere Sendungen im Wahlkampf waren alle erfolgreicher als bei den Wahlen 2009.“ Ein ähnliches Fazit zieht der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor: „Unabhängig davon haben wir auch eine gesellschaftliche Verpflichtung, gerade in Zeiten vor wichtigen Wahlen, unsere Zuschauer umfassend zu informieren.“
Informationsbedarf sieht am Samstag auch noch RTL. Steffen Hallaschka geht in „Wie tickt Deutschland? – Das große Live-Experiment“ Einstellungen und Befindlichkeiten der Landsleute nach. Fünf Prominente, darunter Schauspieler Armin Rohde, sollen einschätzen, wie die Deutschen über „gesellschaftlich relevante Themen“ denken. Womit wir beim Sonntag wären – und der „Lindenstraße“. Die ARD-Dauerserie hat zum Wahlausgang für die Folge 1448 drei Versionen in petto. Möglich machen das Redakteure, die um 18 Uhr in Köln im Schneideraum sitzen. Dort passt man den Inhalt der Episode – zuvorderst eine Wahlparty bei Dr. Dressler – samt eingeblendeter ARD-Hochrechnung und Reaktionen der „Lindenstraßen“-Bewohner den ersten Prognosen an. Drei Versionen wurden vorbereitet: Schwarz-Gelb, Rot-Grün und große Koalition. Man kann nur mutmaßen, welcher dieser Konstellationen dem Alt-68er und „Lindenstraßen“-Erfinder Hans W. Geißendörfer am liebsten wäre. Ein Patt ist bei der Planung nicht vorgesehen. Heißt: Wenn die politischen Lager wie prognostiziert kurz nach 18 Uhr gleichauf sind, nimmt der WDR-Redakteur die „Lindenstraße“-Version mit der großen Koalition in die Hand. Die läuft dann um 18 Uhr 50 auf EinsFestival.
„TV total Bundestagswahl 2013“, Pro7, Samstag, 20 Uhr 15; Wie tickt Deutschland?“, RTL, 20 Uhr 15; „Lindenstraße“, EinsFestival, Sonntag, 18 Uhr 50, sowie ARD, 23 Uhr 30
Markus Ehrenberg
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