Dschungelcamp (8): Das Lyrik-Eckchen von RTL
Die bisherigen Kritiken zum Dschungelcamp waren Zeugnisse enttäuschter Liebe. Das ist rührend. Macht Hoffnung. Aber vielleicht ist auch alles ganz anders.
Wenn von meiner Karriere als Fernsehkritiker irgendetwas in Erinnerung bleiben sollte, dann wohl wahrscheinlich der Umstand, dass ich der einzige Fernsehkritiker bin, der mit dem Format „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ überhaupt nichts anfangen kann. In den vergangenen Jahren habe ich an dieser Stelle sehr oft dargelegt, warum ich die Show langweilig und dumm finde und ich habe zugegeben, dass ich womöglich nur dieses „Phänomen“ nicht verstehe. Ich war außerdem überfordert von den Meta-Ebenen, die Kollegen von mir in ihre Texte zogen, um aus dem so genannten Dschungelcamp etwas zu machen, was ich nicht erkannt habe, nicht erkennen konnte. Nun ja. In diesem Jahr nun wird meine Sicht auf die Dinge rehabilitiert.
Die Quoten sind schlechter als im Jahr zuvor (trotzdem ist das immer noch ein guter Wert für RTL) und das, was ich über das Dschungelcamp lese, kommt ohne das Wort „langweilig“ nicht aus. Jedoch sind die Kritiken, die bis jetzt erschienen sind, Zeugnisse einer enttäuschten Liebe – das finde ich dann irgendwie fast schon wieder rührend. Ich lese, dass die diesjährigen Teilnehmer schlecht gecastet seien und hinter den Erwartungen zurückbleiben (allen voran der Mann Aurelio, Sternzeichen Hengst, Aszendent Bringer); ich lese über das Privatfernsehfossil Walter, der irgendwie polarisiert und über die Schauspielerin Maren Gilzer, die dieses Jahr wohl Dschungelkönigin wird, und ich denke, dass es gut ist, wenn man um zehn Uhr ins Bett geht. Während ich schlief, verließ eine Teilnehmerin das Camp freiwillig und die Tochter von Roberto Blanco wurde von den Zuschauern rausgewählt – irre genug, dass mich diese Informationen am nächsten Morgen trotzdem erreicht haben.
Es ist ja irgendwie Halbzeit der Show und ich entschuldige mich, dass ich kein Zwischenfazit ziehen kann, vielleicht nur so viel: Ich halte RTL für einen ganz schlimmen Sender; ungefähr so, wie ich „Bild“ für eine ganz schlimme Zeitung halte. Das „Bild“ das Böse ist, darüber sind sich alle einig, und das würde sich jetzt auch nicht ändern, wenn es innerhalb der Zeitung eine Rubrik geben würde, die irgendwie anders ist und die man immerhin „ironisch konsumieren“ könnte, zum Beispiel ein Lyrik-Eckchen. Vielleicht ist das Dschungelcamp das Lyrik-Eckchen von RTL. Vielleicht habe ich aber auch ganz einfach überhaupt keine Ahnung vom Fernsehen.