Tatort in der ARD: Das Lamm und sein böser Hirte
„Dicker als Wasser“: Der Kölner „Tatort“ mischt einen Familienkrimi mit Beziehungsfragen.
„Dicker als Wasser“ ist der Titel. Er passt. Noch besser gepasst hätte: „Zweikämpfe“. Denn nichts prägt diesen „Tatort“ aus Köln stärker als die zahlreichen problembeladenen Beziehungen. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) stänkern sich gegenseitig an, das hat was Persönliches, das hat was mit dem akuten Fall zu tun. Der junge Kneipenbesitzer Oliver Mohren ist ermordet worden. Seine Freundin Laura Albertz (Alice Dwyer) hat ihn gefunden – und schon ist eine weitere Beziehungsfrage gestellt. Oliver hatte Laura seinem besten Freund Erik Trimborn (Ludwig Trepte) ausgespannt, darüber war die Freundschaft zwischen Oliver und Erik zerbrochen.
Erik ein Mörder? Dann doch lieber dessen Vater Ralf (Armin Rohde), ein Mann mit einem immensen Vorstrafenregister, gerade erst ist er aus dem Gefängnis entlassen worden. Ralf Trimborn tyrannisiert seinen Sohn, der sich kaum zu wehren weiß. Könnte es sein, dass sich der Vater getreu seinem eisern befolgten Prinzip, Blut sei dicker als Wasser, an Oliver für seinen Sohn gerächt hat? Laura ist offenbar schwankend in ihrer Liebesbereitschaft, jetzt bandelt sie wieder mit Erik an, den sie nur für Oliver verlassen haben will, weil der immer zuließ, dass sich dessen Vater zwischen sie geschoben hat.
Vater Trimborn gerät ins Zentrum
Solche Liebeleien machen keinen „Tatort“ fett. Autor Norbert Ehry konzentriert sich schnell auf Ralf Trimborn. Der hat nicht nur eine kriminelle Vergangenheit, sondern auch eine solche Gegenwart und Zukunft – Trimborn plant das nächste große Ding, der Sohn muss mit von der Partie sein. Hier bekommt der Krimi sein Epizentrum, weil Trimborns Energie ausstrahlt auf Familie und Fahnder. Besonders Schenk ist affiziert, er sieht sich mit Trimborn im Duell. Überhaupt Freddy Schenk: Er schikaniert den neuen Assistenten Tobias Reisser (Patrick Abozen) nach Kräften, was wiederum den Streit mit Ballauf eskalieren lässt. Wer will, der kann sich in diesem „Tatort“ als Beziehungsexperte engagieren, er muss es aber nicht.
Die Inszenierung von Kaspar Heidelbach, er ist mit zwölf Regie-Arbeiten beim Kölner „Tatort“ führend, schaut sich die Protagonisten genau an. Die Gesichter von Behrendt und Bär, seit 1997 als Fahnderduo im Einsatz, entwickeln sich zu Gesichterlandschaften, die aus sich heraus eine Geschichte erzählen und tragen können. Unverkennbar ist die Qualität, dass Regisseur Heidelbach die Kommissare aus dem Effeff kennt, da braucht es keine Mätzchen und Gags mehr, um dieser Beziehung ihre charakteristische Note zu geben. Grumpy old men, das wird noch interessanter in den kommenden Jahren. Das Duo Ballauf/Schenk ist längst nicht verbraucht.
Nicht diese Zweisamkeit steht im Zentrum, es sind Vater und Sohn Trimborn. Was sie miteinander ausmachen und austragen, das setzt den Kölner „Tatort“ unter Spannung. Der Vater will Eriks Freundin vertreiben, der Verdacht kommt herauf, dass Ralf Trimborn schon beim gewaltsamen Tod von Eriks Mutter seine Hände im Spiel hatte. Jetzt bereiten Vater und Sohn einen gemeinsamen Raubüberfall vor. „Er ist ein Lamm, ein Lämmchen“, sagt Trimborn über Erik. Das Lämmchen will betreut und behütet sein, aber ist Erik nur der Schwache, für den ihn der Ex-Häftling hält? Die Empathieverteilung ist schnell klar, zugleich die überbordende Vaterfigur das Interesse an-, fast aufsaugt.
Ludwig Trepte spielt den Sohn, Armin Rohde den Vater. Trepte spielt Erik aus der (scheinbaren) Harmlosigkeit heraus, Rohde seinen Ralf Trimborn aus der Haltung heraus, dass wer mit ihm eine Rechnung offen hat, diese gefälligst sofort und mit Zinseszinsen zu bezahlen hat. Das ist nicht tumb, diese Gewalt ist kalkuliert, selbst in der Beziehung zum Sohn, der sich im verirrten Trimbornschen Familienehrenkodex zurechtzufinden hat. Rohde tänzelt mit der Figur, er malt sie mal mit fettem, mal mit zartem Strich aus. Krimiabendfüllend, auch weil Regisseur Heidelbach dieser und den anderen Figuren eine eigene Erzählung zutraut. Überhaupt ist der „Tatort“ in seiner Konzentration auf die Protagonisten bemerkenswert. Es fehlen kunstwollende Symbolbilder, flirrende Kamerafahrten, pastose Kulissen, „Dicker als Wasser“ wird nicht mit Sozialmilieu überbaut oder von gesellschaftlichen Katastrophen unterspült – es ist eine kriminell aufgeladene Familiengeschichte. Klug gebaut, konkret gefilmt, von schauspielerischer Kraft getragen.
Und dann, im Finale, als sich das Böse vom Guten scheidet, die Toten gezählt und die Morde geklärt sind, schreit sich Ballauf seine Angst aus dem Leib. Schenk hat seine spezielle Beziehung zu Trimborn auf die Spitze getrieben. „Tatort: Dicker als Wasser“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15
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