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Medien: „Das ist nur eine Rolle!“ Schauspielerin Fischer und Regisseur Probst

über Serien und Sehnsüchte

Frau Fischer, 20 Jahre immer dieselbe Rolle in der „Lindenstraße“. Wer Sie auf der Straße sieht, muss doch denken: Ah, da kommt die Anna Ziegler!

FISCHER: Naja, zunächst einmal, ich zieh‘ mich anders an. Die Anna hat nach wie vor einen miserablen Geschmack. Das ist eiskalt 80er Jahre.

Anna Ziegler ist die zweitwichtigste Figur nach Mutter Beimer.

FISCHER: Das seh‘ ich gar nicht so. Die Anna ist auf jeden Fall jemand, der stark polarisiert. Sie hat ihre Fans, aber viele denken auch: No credit!

Sie ist bespuckt worden...

FISCHER: ...als Anna Helga Beimer den Hans ausgespannt hat, ja. Das hat mich auch schockiert. Ich habe zu den Leuten gesagt: He, das ist nur eine Rolle!

Das zeigt, wie sehr die 50 Darsteller mit der „Lindenstraße“ identifiziert werden. Joachim Hermann Luger alias Hans Beimer hat mal gesagt, die Rolle werde er sein Lebtag nicht mehr los.

FISCHER: Das kommt drauf an, was man für schauspielerische Ambitionen hat. Ich hatte keine, wollte lieber schreiben. Man spielt aber auch nicht 20 Jahre dieselbe Rolle. Anna Ziegler hat ihre Entwicklung genommen, vom verschreckten Mäuschen zu einer toughen Frau.

PROBST: Es ist die Frage für junge Schauspieler: Wie lange bleibt man in der „Lindenstraße“? Kann mir das als Sprungbrett dienen, wie bei Til Schweiger?

Ein Erfolgsgeheimnis der „Lindenstraße“ sind die vertrauten Sehgewohnheiten, die Einheit des Ortes; immer in der WG, im Treppenhaus, im griechischen Restaurant. Kann man da als Regisseur überhaupt etwas Besonderes inszenieren?

PROBST: Ich bin ja auch Doku-Filmer, war vorher Kameramann bei Schlingensief. Man kommt zur „Lindenstraße“ und denkt, man macht alles schneller, witziger, filmischer. Eine meiner ersten Szenen war ein Außendreh am Strand von Warnemünde. Da hatten wir mit der Kamera eine 20 Meter lange Schienenfahrt auf den Dünen. Ich war total begeistert.

Ihre Frau war acht Jahre Schauspielerin in der „Lindenstraße“, als Sie 1995 Regisseur werden sollten – gab es da Bedenken?

PROBST: Geißendörfer hatte gehört, dass es bei Paaren am Set manchmal Spannungen gibt. Aber da warten wir heute noch drauf (lacht).

FISCHER: So kann man in der „Lindenstraße“ auch nicht arbeiten. Dann wären nicht so viele von Anfang an dabei geblieben, seit 1985.

Sie schreiben an der „Lindenstraße“ mit.

FISCHER: Ich mach‘ das aber nicht, um mich großartig in Szene zu setzen, spiele auch nur noch 15 Folgen. Wir treffen uns zwei Mal im Jahr mit Geißendörfer und drei anderen Autoren, um die Storylines für die nächsten 26 Folgen festzulegen.

Die „Lindenstraße“ will ja auch ein Stück deutsche Realität aufgreifen und reflektieren. Was sind denn noch die großen Themen? Hartz IV, Rechtsextreme, mehr Sex and Crime oder Familie?

FISCHER: Wir versuchen, Geschichten zu erfinden, die zu den Figuren passen. Jetzt sind die Storylines bis zum Herbst 2006 vorgezeichnet. Verraten dürfen wir natürlich nichts. Nur so viel: Wir greifen weiter politische Themen auf, nie genau wissend, ob das im Mai 2006 dann noch so wahnsinnig interessant ist.

Die „Lindenstraße“ ist nach dem Ende der Kohl-Ära aber nicht mehr so bissig.

PROBST: Die großen Tabuthemen sind ja auch vorbei. Es sind mehr die kleinen Geschichten, die privaten Schicksale. Das Thema Aids ist behandelt wurden.

FISCHER: Mit diesen Themen kann man auch nicht mehr so Signale setzen. Damals, vor 20 Jahren, gab es die Privaten noch nicht in dem Maße. Als Carsten Flöter sich als homosexuell outete, da ging ein Schrei durch die Nation.

Was unterscheidet die „Lindenstraße“ dann noch von anderen Serien?

FISCHER: Zum Beispiel die Geschichte mit Anna Ziegler und ihrem behinderten Kind. Das ist eine gesellschaftspolitische Aussage, natürlich nicht so aufwühlend, wie wenn man beim Umweltminister Klaus Töpfer aus Protest gegen Atomstrom Postkarten in Vorgärten kippt. Letztendlich ist das mit dem Kind wahrhaftiger als solche Aktionen. Die „Lindenstraße“ will keine falschen Ideale vermitteln. Sie liebt den Alltag. Der Alltag ist das Leben der Leute. Da kann sich jeder finden.

Die Gutmenschen aus der „Lindenstraße“.

FISCHER: Andere Serien schüren da doch schwierige Sehnsüchte. Nach mehr Geld, mehr Glamour. Die „Lindenstraße“ wirbt für Toleranz, für Mitgefühl, für all‘ das, was aus der Mode gekommen ist.

Gibt es eine 2000te „Lindenstraße“? Wird im Abspann mal „Ende“ stehen?

FISCHER: Das liegt an Geißendörfer.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg

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