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Noch hält die Form.für Werber Don Draper (Jon Hamm).
© Fox

Mad Men: Das Gruseln der Babyboomer

Zwischen Stilbewusstsein und strenger Erziehung: Auch in der finalen Staffel spiegelt die Werber-Serie „Mad Men“ Ängste und Sehnsüchte ihrer Zuschauer.

Geht es weiter abwärts? Anfang dieser Woche ist in den USA die siebte „Mad-Men“-Staffel gestartet. Millionen von Zuschauern warten gespannt darauf, was mit Don Draper passiert. Der Partner der großen Werbeagentur SCP, König der Kreativen, genialer Texter, Alkoholiker, Familienvater, Womanizer, stand am Ende der sechsten Staffel vor dem Nichts. Die Teilhaber der Agentur hatten beschlossen, ihn von seinen Pflichten zu entbinden und auf seine Anwesenheit im Büro zu verzichten. Spannend also die weitere Entwicklung von Draper. Nur so viel sei nach der ersten Folge der letzten Staffel verraten: Erfolg und Frauenheldentum sehen anders aus.

Ein Kreis schließt sich. Im Juli 2009 begann der US-Sender AMC mit der Ausstrahlung der Serie, die, was ihren Helden betrifft, einer klassischen Aufstieg-und-Fall-Dramaturgie gehorcht, außerdem jedoch über jede Menge interessanter Nebenfiguren verfügt, deren Geschichten die von Don Draper konterkarieren, kommentieren oder ergänzen. Spektakulär ist vor allem der Hauptschauplatz: ein Büropalast aus Glas und Stahl, der von einer Vielzahl ähnlicher Hochhäuser umgeben ist, eine geschlossene Welt, in der eigene Gesetze, Regeln und Rituale herrschen.

Don Draper ist im Jahre 1960, als die Serie beginnt, 36 Jahre alt, mit seinem exakten Seitenscheitel im brillantineglänzenden Haar, dem kantigen Kinn, der athletischen Figur und dem energischen Schritt repräsentiert er den erfolgreichen Mann der 1960er. Einstweilen waren Männer wie Don Draper und sein zehn Jahre älterer Chef Roger Sterling Könige - nicht nur der Madison Avenue, sondern gleich der ganzen Welt: als weiße, männliche, heterosexuelle Amerikaner durften sie sich zumindest so fühlen.

Unglück macht auch vor Don Draper nicht halt

Werbung war nach Überwindung der wirtschaftlichen Einschränkungen in der Nachkriegszeit die Zukunftsbranche jener Dekade, auch wenn es der linksliberale Ökonom John Kenneth Galbraith in seinem Bestseller „Gesellschaft im Überfluss“ noch 1958 für möglich gehalten hatte, dass sie sich auf die Dauer nicht durchsetzen werde. Der Schöpfer der „Mad Men“, Matthew Weiner, lässt seine Figuren vor dem Hintergrund realer Ereignisse in den 1960er Jahre agieren. Als Zuschauer hat man mit den Protagonisten teil an Ereignissen, die – wie man erst retrospektiv weiß – den Lauf der Welt verändert haben: die Kuba-Krise, die Ermordung von Präsident Kennedy, das Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung, die Attentate auf Martin Luther King und Robert Kennedy. Die Figuren agieren in geschmackvoll eingerichteten Büros, sie sind tadellos angezogen, die Männer im klassisch-konservativen Stil, die Frauen in schlicht-eleganten Kleidern und Kostümen in gedeckten Farben. Die visuelle Attraktivität geht bis ins kleinste Ausstattungsdetail. Noch die Gläser für die zu jeder Tageszeit konsumierten Alkoholika sind schick, ebenso wie Autos, Handtaschen, Hüte und Frisuren. Im krassen Gegensatz zu den makellosen Oberflächen steht das individuelle Unglück der Figuren, das in Staffel sieben weiter seinen Lauf nimmt und eben auch nicht mehr vor Don Draper halt macht.

Je mehr die Autoren der Serie die Zuschauer hinter die Fassaden schauen lassen, umso düsterer wird auch das Bild der Sechziger, das sich nun noch einmal anders zusammensetzt. So streng und undurchlässig sind die sozialen Machtverhältnisse, die Verhaltensregeln, die Formen, so stark der Druck durch Kunden und Vorgesetzte, so rigide die Abstrafung bei Regelverstößen, dass die Figuren ständig frustriert sind und diesem Frust mit exzessivem Konsum von Alkohol, Nikotin, Medikamenten und bewusstseinsverändernden Drogen begegnen.

Ob Dons unter Hausfrauensyndrom leidende Ehefrau Betty schon vormittags Rotwein trinkt, ob sein Chef Roger Sterling raucht und säuft, bis er einen Herzinfarkt erleidet, ob die jungen Grafiker in ihrem Großraumbüro gemeinschaftlich kiffen oder Don selbst schließlich schon zum Frühstück Wodka in seinen Orangensaft kippt – mit stets angewiderter Miene betäuben sich die Mad Men und Mad Women, damit sie ihr Leben überhaupt aushalten.

Leidtragende sind die Kinder, die Generation der Babyboomer, in „Mad Men“ repräsentiert durch die Geschwister Sally und Bobby Draper. Deren Väter kamen abends in Hut und Mantel nach Hause. Für ihre Familie war ihre Welt, die Welt draußen, weit weg. Wenn Don Drapers Tochter Sally doch einmal verzweifelt im Büro auftaucht, ist es nicht ihr Vater, sondern eine Sekretärin, die sich ihrer annimmt. Auch ihre Mutter: Betty Draper, so abscheulich sie ihre Hausfrauenarbeit findet, so ist sie dabei am liebsten allein.

Wer das gerne sieht? Es scheinen die abgeschobenen, vernachlässigten und überforderten Kinder der 1960er zu sein, die jetzt nicht nur für Interior Design und Mode ihrer Kindheitsjahre schwärmen, sondern auch für das Stilbewusstsein und die strengen Verhaltensnormen ihrer Elterngeneration, und die schließlich einen gewissen Trost darin finden mögen, dass sie nicht allein sind. Die zweite wichtige Gruppe der „Mad-Men“-Fans ist eine Generation jünger. Sie verspürt ein angenehmes Gruseln angesichts der längst überwunden scheinenden Diskriminierungspraxen. Sie konsumiert den Stil der 1960er als Retro-Phänomen, sie nimmt die brachialen Erziehungsmethoden staunend zur Kenntnis. So funktioniert „Mad Men“ auch als Zeitmaschine. Allerdings vergisst man leicht, dass heutzutage die politische Korrektheit zumindest für die Mittelschicht ihre eigenen Regeln hervorgebracht hat. Dazu gehört etwa, wenig und gesund zu essen, sich mit Rücksicht auf ökologische Nachhaltigkeit zu kleiden, Tempolimits einzuhalten, keine anzüglichen Witze auf Kosten welchen Geschlechts auch immer zu machen, äußerlich und innerlich ewig jung zu sein.

Dazu will der immer größer werdende Frust im Job passen, womit sich Don Draper in der finalen Staffel auseinanderzusetzen hat. Bis das alles im deutschen Free TV, wahrscheinlich bei ZDFneo, ankommt, wird mindestens ein Jahr vergehen. Vorher steht die sechste Staffel an, die der Video-on-Demand-Anbieter Watchever ab Juli im Programm hat. Immerhin, die finale siebte Staffel wird hierzulande ab August beim Pay-TV-Sender Fox (via Sky) zu sehen sein.

Von der Autorin ist gerade das Buch „Lost in the Sixties – Über Mad Men“ im Bertz+Fischer Verlag erschienen.

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