Klimaschutz und nachhaltiges Fernsehen: Das grüne Leuchten
Zwischen Mehrweg, Mikroplastik und Gütesiegel: Immer mehr Fernseh- und Kino-Formate legen Wert auf nachhaltige Produktion.
Was ist gute Unterhaltung? Über diese Frage lässt sich streiten, gerade im Fernsehen. Ist es gut, wenn alle Sinne unterhalten werden, wie Moderator Thomas Hermanns sagt? Wenn es sinnstiftend wird? Ein Aspekt scheint im Bewusstsein von Machern und Zuschauern in jüngster Zeit hinzugekommen: die Art und Weise, wie Fernsehunterhaltung hergestellt wird. Stichwort Nachhaltigkeit. Die Frage, wie viele Plastikbecher so am Set herumstehen, oder wer von den Schauspielern, Regisseuren, Moderatoren etc. mit Flugzeug, Auto oder Bahn angereist ist. Denn natürlich, auch TV- und Filmproduktionen führen zu Schadstoffen. Allein die Produktionen, die in der Stadt London jährlich gedreht werden, verursachen so viel CO2 wie 24 000 Haushalte: rund 125 000 Tonnen. Ein „Tatort“-Dreh über 30 Tonnen. An den Zahlen kommen Fernsehsender nicht mehr vorbei.
Und reagieren. Beispiel Sky. Der Münchner Pay-TV-Sender hat seine Shows „Masterchef“ und „Quatsch Comedy Club“ nach den Kriterien des Grünen Drehpasses der Filmkommission Hamburg Schleswig-Holstein hergestellt. Die Dreharbeiten kamen vor und hinter den Kulissen weitestgehend ohne Einwegplastik aus. „Wir produzieren unsere Serien und Shows zunehmend nach grünen Standards und verpflichten unsere Partner dazu, diesen Weg mit uns zu gehen“, sagt Christian Asanger, verantwortlich für die non-fiktionalen Formate bei Sky. Das bedeutet konkret: Reduzierung von CO2-Emissionen, Strom, Papier und Abfall bei Produktionen, weniger Flugreisen (bei „Masterchef“ ist Sky von 104 auf 38 Flüge heruntergekommen), kein Einwegplastik an Sets. Dazu beim Transport so weit wie möglich Umstieg auf Hybridfahrzeuge, Einkauf von regionalen Lebensmitteln, in der Maske zu 100 Prozent Verzicht auf Mikroplastik. Neben „Quatsch Comedy Club“ und „Masterchef“ wurden bei Sky auch die Serien „Der Pass“ und „8 Tage“ grün produziert, die anstehende Serie „Hausen“ ebenso.
Immer mehr Formate und Sender schließen sich dem an. Die quotenstarke RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ schmeißt Wegwerfbecher aus ihrem „Vereinsheim“, einem der Hauptspielorte der Daily Soap. Bei rund drei Millionen Zuschauern sei es für die Macher von „GZSZ“ wichtig, eine klare Botschaft zu senden, sagt Creative Producerin Dominique Moro. Wenn nur ein Bruchteil der Zuschauer ins Nachdenken gerate und sein Handeln überdenke und verändere, dann habe die Serie schon einen großen Teil geleistet. „Wir versuchen zu inspirieren.“
Anregen möchte auch das ZDF, Gründungsmitglied des Arbeitskreises „Green Shooting“ der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg. Ziel der Initiative sei es, so ein Sprecher des Mainzer Senders, alle Beteiligten für ressourcenschonende Produktionsmethoden zu sensibilisieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Bereits 2015 wurde die Produktion der ZDF-Show „Der Quiz-Champion“ mit dem „Grünen Drehpass“ ausgezeichnet. Die Sendung mit Johannes B. Kerner war die erste TV-Show überhaupt, die dieses Gütesiegel für nachhaltige Dreharbeiten erhalten hat. Auch „Notruf Hafenkante“ und „Dengler“ haben den „Grünen Drehpass“ bekommen.
Sichtbar werden solche Geschichten für die Zuschauer vor allem im Programmablauf. Den Themen Plastikmüllvermeidung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit will sich RTL in einer Aktionswoche vom 16. bis zum 23. September widmen, so eine Sprecherin des Kölner Privatsenders. „Im Sendezentrum in Köln-Deutz, in dem wir täglich mehrere Stunden Live-Sendungen wie ,Guten Morgen Deutschland‘ oder ,Punkt 12‘ produzieren, wurden 2017 alle Coffee-to-go-Becher gegen umweltfreundlichere Mehrwegbecher ausgetauscht, ein Pfandsystem integriert.“ In Sachen Umweltschutz verweist RTL auf das „Green Team“ der Produktionsfirma Ufa („Unter uns“, „Alles was zählt“) sowie Plastikvermeidung und Wiederverwertbarkeit bei „DSDS“, „Supertalent“ oder „Let’s Dance“. Ähnliches (kein vermeidbarer Müll, mehr Pfand- als Einwegprodukte) gilt beim WDR für Shows wie „Frag doch mal die Maus“ oder „Hirschhausens Quiz des Menschen“ sowie Kochsendungen. Im Bereich der fiktionalen Auftragsproduktionen („Tatort“) sollen beim WDR 2020 Pilotprojekte nach den Maßgaben des „Green Shooting“ realisiert werden.
„Fridays for Future“ und Greta Thunberg also in aller Munde, die Sender strengen sich an. Ob Krimi, Show, Film oder Serie – wird der Grüne Drehpass wichtiger als die Goldene Kamera? Auf der aktuellen Pass-Liste finden sich 155 TV- und Kino-Formate, von „Antboy3“ über den „Tatortreiniger“ bis zum NDR-„Tatort – Treibjagd“. Verantwortlich für das Label ist Christiane Dopp von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Sie schaut sich vor Ort den Dreh an. Von sechs Themenfeldern (z. B. Energie, Transport, Catering) müssen vier erfüllt werden, dann gibt es den Grünen Drehpass. Mit dem Prozedere konfrontierte Dopp Branchenvertreter auch jüngst auf dem Filmfestival Locarno. „Green Filmmaking“ hieß die Veranstaltung, die Ansätze vorstellte, wie die Situation verbessert werden kann. 38 Tonnen CO2 hat der letzte Luzerner „Tatort“ verursacht. Das entspricht der jährlichen CO2-Aufnahme von 304 Laubbäumen. Der nächste Schweizer „Tatort“ soll grüner werden.
„Als wir 2012 mit dem ,Grünen Drehpass‘ begonnen haben, war das echte Pionierarbeit“, sagt Christiane Dopp. Im Laufe der Jahre sei die Nachfrage nach der Auszeichnung stetig gestiegen, besonders im vergangenen und im aktuellen Jahr werde deutlich, welchen Stellenwert das grüne Drehen erreicht hat. „Mit regelmäßigen Trainings, Panels und Workshops wollen wir die Filmbranche für das Thema sensibilisieren.“ Ein besonderer Fokus liege auf der Kooperation mit der Hamburg Media School, die seit 2013 alle Produktionen der Filmstudenten mit dem Grünen Drehpass produzieren lässt. „Der Filmnachwuchs ist die Zukunft, um die Dreharbeiten nachhaltiger und umweltfreundlicher umzusetzen.“
Und der Zuschauer derjenige, der dieses Bewusstsein noch mehr in sein Alltagsverhalten übernehmen sollte. Vielleicht ist es Zeit, im Fernsehen über eine „grüne“, aufklärende Mini-Sendung direkt vor der „Tagesschau“ nachzudenken. Auch wenn der NDR auf das Format „Wissen vor 8“ verweist, indem Themen wie Verschwendung von Lebensmitteln behandelt werden – da scheint die „Börse vor 8“ wichtiger zu sein als das Klima.
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