Medien: Da steppt der Papst
Was „Popetown“ hervorrief: Eine MTV-Serie und ihre Diskussion
Nur weil der Islamismus den so genannten Karikaturenstreit vom Zaun gebrochen hat, muss die katholische Kirche jetzt verlangen, dass die Serie „Popetown“ verboten wird. Da will man sich unbedingt genauso verletzlich zeigen, was „religiöse Gefühle“ betrifft. Und meint doch hier wie dort nur eine fundamentalistische Abschottung gegen alles, was mit geistiger Distanz zu tun hat, sei es Mangel an Ehrerbietung oder Kritik, Veräppelung, Satire. In der Diskussion, die der Ausstrahlung einer „Popetown“-Folge auf MTV vorausging und folgte, fiel ein Satz, der diese Absurdität auf den Punkt brachte: Kritik, meinte ein Anrufer, müsse erlaubt sein, dürfe aber die Gefühle anderer Menschen nicht verletzen.
Wie bitte? Herr Gott, erkläre du deinen Geschöpfen, dass die Gefühle, mit denen du sie ausgestattet hast, ob nun religiös oder nicht, keineswegs nur dazu da sind, umschmeichelt, sondern auch dazu, verletzt zu werden. Sonst können sie nicht reifen. Seit dem Zeitalter der Aufklärung wissen wir, dass auch religiöse Gefühle ihre Infragestellung brauchen, alles andere wäre Dogmatismus . Nur weil der Islamismus als geistige Macht die Schwelle der Aufklärung nicht überschritten hat, müssen doch der katholische Klerus und die CSU keine solchen Rückschritte machen und eine brachialkomische Zeichentrickserie vom „Southpark“-Typus, die zufällig im Vatikan spielt, als Angriff auf ihre Ehre brandmarken. Glücklicherweise zeigte eine Umfrage, die MTV in Auftrag gegeben hatte und während der Diskussion vorstellte, dass die große Mehrheit der 14- bis 39-Jährigen in der deutschen Bevölkerung das ähnlich sieht.
Der Witz an der Sache ist, dass es bei „Popetown“ gar nicht um Religion geht. Vorgeführt wird ein fiktiver Vatikan, und zwar nicht als Zentrale des katholischen Glaubens, sondern als ein kommerzielles Unternehmen, das er auf seine Weise ja auch ist: mit seinen Galionsfiguren, mit seinen Geldsorgen und Werbestrategien. Im Mittelpunkt steht „Seine Heiligkeit“ als infantiler Zwerg, der nach dem Frühstück mit seinem Adlatus Pater Niklas Verstecken spielt. Dabei geht er im Kellergewölbe verloren, nun muss Pater Niklas für den Empfang einer Gruppe querschnittsgelähmter Waisenkinder ein Double engagieren. Er findet den perfekten Doppelgänger – der ist ausgerechnet ein Jude aus Brooklyn mit entsprechendem Akzent.
Was hier mit den Mitteln der überspitzenden Cartoon-Kaskade durchaus treffsicher der Lächerlichkeit preisgegeben wird, ist in keiner Sequenz der christliche Glaube, sondern die Geschäftemacherei, die sich an das Charity-Wesen anlagert, ist das Fernsehen, wo die Nonne als Moderatorin dem gelähmten Kind einen Tritt versetzt, weil es das Falsche sagt, ist die Neigung zur Fassade, zum Pomp, zum weihevollen Okkultismus, die der katholischen Kirche nun mal eigen ist. Dass der Heilige Vater hier von den Füßen auf den Kopf gestellt und zu einem störrischen Kind gemodelt wird, das sich weigert, beim Versteckspiel auch mal anzustehen – „Ich bin der Papst. Ich muss nie suchen“ –, das ist eine charmante Idee von echt komischem Potenzial. Dieser Papst hüpft, rockt und steppt, und er schafft es sogar, sich den größten aller Kinderträume zu erfüllen: als Superheld mit Knarre die Bösen in den Staub zu treten. Wie heißt es doch in der Bibel: „So ihr nicht werdet wie die Kindlein ...“
Der Theologe Richard Schröder hatte am Mittwoch an dieser Stelle dargelegt, dass er ein „Popetown“-Verbot zwar nicht befürworte, vom Anschauen der Serie, die er als „armseliges Machwerk“ bezeichnete, aber abraten müsse. Er argumentierte so: MTV sei ja wohl auch nicht bereit, eine Serie „Homotown“" zu senden, in der Schwule verulkt würden. Denn so was gehöre sich nicht. Da hat er zwei Fehler gemacht: Erstens ist das Fernsehprogramm voll von Sendungen, in denen Schwule verulkt werden. Zweitens sind Schwule keine Macht. Die katholische Kirche aber ist eine. Und gerade Mächte müssen verulkt werden dürfen - mit allen Mitteln. So ist es jedenfalls hier bei „uns“, die wir vor zirka 250 Jahren ins Zeitalter der Aufklärung eintraten. Hinter das wir uns unter keinen Umständen von Leuten wie Kardinal Wetter aus München und den anderen Klerikern, die ein „Popetown“-Verbot befürworten, zurückscheuchen lassen dürfen.
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