Dschungelbuch (1): Da geht nichts kaputt!
Weil der „ernsthafte“ Berliner Schauspieler Winfried Glatzeder nun im RTL-Dschungelcamp sitzt, machen sich Kollegen in der Stadt Sorgen um sein Image. Die erste Folge der achten Staffel von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ zeigte jedoch: Er weiß mit der Situation so einiges anzufangen.
In Zeiten, da der Kulturrelativismus selbst vermeintlich seriöse Publikationen dazu bringt, sich ernsthaft mit dem RTL-Dschungelcamp zu beschäftigen, ist es durchaus sympathisch, wenn sich irgendwer noch durch irgendwas ernsthaft aus der Ruhe bringen lässt. „Dschungel-Trip: Seine Freunde schütteln den Kopf“, hieß es am Montag im „Berliner Kurier“ über den Schauspieler Winfried Glatzeder. Im Artikel zur Überschrift wurde neben anderen Althauern des Show- und Bühnengeschäfts mit Ost-Tradition die Sängerin Dagmar Frederic zitiert, und zwar wie folgt: „Man erarbeitet sich doch nicht 50 Jahre lang ein Image und macht das dann in 14 Tagen kaputt.“
Der Wert des Images
Dies ist nun gleich aus mehreren Gründen wunderbar: nicht nur, weil die vermeintliche Selbstdemontage eines Kollegen Berliner Künstler offenbar nicht ungerührt lässt. Sondern auch, weil die Aussage gleich mitten ins Zentrum des Diskurses um die am Freitagabend gestartete achte Staffel von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ führt. Denn: Was ist eigentlich ein Image und welchen Wert hat es? Wie verhalten sich die medialen Bilder, die früher von den Dschungel-Insassen gezeichnet wurden, zu denen, die sie nun unter Extrembedingungen, Dauerbeobachtung und RTL-Regie produzieren? Und schließlich: Was bedeutet in diesem Fall eigentlich „kaputt“?
Das alles passt in besonderer Weise zu jenen ersten Folgen jeder „IBES“-Staffel, in denen die Kandidaten mit letzten Aufnahmen im Luxus noch einmal „angehoben“ werden, bevor sie dann – mit Gemeinheiten wie Fallschirmsprüngen, Gewaltmärschen und Leibesvisitationen – in der Tiefe des Dschungels landen. Fein, wie RTL hierfür die Camper in spe nacheinander mit einem Boot zum Champagner-Meet'n'Greet in einer Villa am Wasser fahren lässt! Entscheidend ist die Art, wie sie dann den Steg betreten: mit einem neckischen Hüpfer der Modegeck, mit einer Rolle der sportliche Moderator, mit einer „Mir gehört die Welt“-Geste der Schlagersänger. So wollen sie wirken – doch wie werden sie sein? Diese Frage ist filmisch schon schlechter inszeniert worden.
Die Model-Zicke und der Philantroph
Doch zurück zu Winfried Glatzeder – der einzige, der sich beim Sprung an Land höflich beim Bootsmann für den Transport bedankt. Der wird später im Einzelinterview über just diese Situation sagen: „Die Bilder, die jeder jetzt im Vorfeld von sich gibt, die kann ich gar nicht ernst nehmen.“ Ein schöner Satz, dem weitere folgen. Die RTL-Regie nimmt's dankend hin und lässt Glatzeder zwischenzeitlich wie einen antiken Chor das Geschehen um die in jeder Staffel unvermeidliche Model-Nervensäge - in diesem Fall heißt sie Larissa Maroldt - kommentieren. „Die hat eine andere Motorik als ich. Ich versuche hier, auf eine nicht genussvolle, aber erträgliche Art zu überleben.“ Es sind schöne, ironisch-larmoyante Sätze, die dabei von seinen Lippen kommen.
Ansonsten ist alles wie immer: Die bereits erwähnte Model-Zicke scheint in diesem Jahr schlimmer als im Jahr zuvor. Dafür muss sich der Schlagersänger Michael Wendler tatsächlich bemühen, seine bis zum Campbeginn über Jahre in einschlägigen Medien gepflegte Narzissmus-und-Egomanie-Fassade aufrecht zu erhalten. Zwischenzeitlich wirkte er an diesem ersten Tag fast wie ein herzlicher und ernsthafter Philanthrop. Die Moderationen sind so gut wie die Ekelprüfungen uninteressant. Wer diese Rezension mit Interesse bis zum Ende gelesen hat, weiß es eh: Hier passiert etwas ungeheuer Spannendes – die Dekonstruktion alter und die Konstruktion neuer Images. Dass dadurch nichts „kaputt“ gehen muss, wie Dagmar Frederic befürchtet: Diesen Beweis kann nicht zuletzt ihr Freund Winfried Glatzeder antreten.