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Noch-"Bild"-Chefredakteurin Tanit Koch.
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Update

Axel Springer: Chefredakteurin Tanit Koch verlässt "Bild"

Keine Kompromisse mehr: Das Verhältnis zwischen Digital-Chef Julian Reichelt und seiner Print-Kollegin war offenbar schon seit langem angespannt. Sie geht jetzt, er übernimmt.

Eine am Ende vielleicht gar nicht mehr so überraschende Personalie aus dem Hause Axel Springer: Tanit Koch, 40, seit 1. Januar 2016 als Chefredakteurin „Bild“ verantwortlich für die Print-Ausgabe, wird Ende Februar 2018 auf eigenen Wunsch aus dem Verlag ausscheiden. Das teilte der Axel Springer Verlag am Freitag mit.

Julian Reichelt, 37, seit Anfang Februar 2017 neben seiner Funktion als Chefredakteur Bild Digital Vorsitzender der „Bild“-Chefredaktionen, übernimmt die Position des Chefredakteurs „Bild Print“ zusätzlich und trägt weiterhin die übergeordnete redaktionelle Verantwortung für die „Bild“-Marken. Neben Julian Reichelt sind Marion Horn, 52, Chefredakteurin „Bild am Sonntag“, und Miriam Krekel, 40, Chefredakteurin „B.Z.“, weiterhin Mitglieder der „Bild“-Chefredaktion. Ulrike Zeitlinger, 48, bleibt Stellvertreterin des „Bild“-Chefredakteurs.

Die Zusammenarbeit von Koch und Reichelt hat erkennbar nicht funktioniert. Anfang 2016 übernahm Koch die Verantwortung für die gedruckte Ausgabe der „Bild“-Zeitung, bekam ein Jahr später Julian Reichelt – eigentlich für die digitalen Produkte der „Bild“ verantwortlich – als übergeordneten Vorsitzenden aller „Bild“-Chefredaktionen quasi vor die Nase gesetzt. Damit war Tanit Koch an die zweite Stelle gerückt, das Hü und Hott ging munter weiter.

Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner wollte in der Mitteilung die aufgelaufenen Probleme gar nicht verhehlen: „Die Verantwortungskonstellation in der Chefredaktion war zwar gut gemeint, hat aber in der Praxis nicht funktioniert, weil diese Aufstellung nicht zu ,Bild‘ passt. ,Bild‘ braucht ganz klare Verhältnisse.“ Die sind jetzt ja gegeben. Reichelt ist der alleinige starke Mann im „Bild“-Reich, der frühere Kriegsreporter steht für einen Journalismus, der laut sein will, der der Reibung nicht ausweicht, sondern sie geradezu sucht.

Ist das Führen einer Boulevardzeitung für Frauen generell schwieriger?

Mathias Döpfner wollte Tanit Koch nicht ohne Lob ziehen lassen. Innerhalb eines Jahrzehnts habe sie es von der Volontärin an die Spitze von Europas größter Tageszeitung geschafft. Für „Bild“ habe sie Großartiges geleistet, zuletzt als Chefredakteurin. „Wir bedauern das Ausscheiden von Tanit Koch sehr, verstehen und akzeptieren ihre Motivation für diesen Schritt und wünschen ihr Glück und Erfolg.“

Tanit Koch, beschrieben als kontrolliert bis zur Vorsicht, schrieb in einer internen Mail an ihre Kollegen: „Wenn zwei Menschen professionell nicht harmonieren, lässt sich das eine Zeit lang durch Kompromisse ausgleichen.“ 2017 sei davon geprägt gewesen, „bis meine Kompromissbereitschaft an ihre Grenzen gelangte“. Die Gewissheit sei dazugekommen, dass sich „Bild“ nicht durch Kompromisse auszeichne, sondern durch Klarheit. Und sie twitterte: „Es war mir ein Vergnügen.“ Das war auch die Abschiedsformel ihres früheren Chefs Kai Diekmann, dessen Büro sie geleitet hatte.

Insider wollen wissen, dass sie dem früheren „Bild“-Herrscher in dessen Finanzabenteuer folgt. Diekmann arbeitet mit Bankern an einem „Volksfonds“, der im zweiten Quartal an den Start gehen soll. Tatsächlich hat sich Tanit Koch zu ihrer Zukunft am Freitag nicht geäußert. Sie sagte nur: „Ich freue mich auf das nächste Abenteuer.“ Verschiedene Angebote aus dem Springer-Verlag soll sie ausgeschlagen haben.

Der künftige „Bild“-Alleinherrscher Julian Reichelt muss sich den deutlichen Auflagenverlusten des Boulevardblattes stellen. Im vierten Quartal 2017 hatte die „Bild“-Zeitung täglich 1,46 Millionen Käufer erreicht, zehn Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Bei der „Bild am Sonntag“ das nämliche Bild. Dass Bild.de starke Zahlen und starke Umsätze liefert, schönt die Gesamtrechnung.

Im Verlagshaus heißt es, nun müsse Julian Reichelt zeigen, ob er jetzt, wo er durchregieren kann, auch wirklich Chefredakteur kann. Einer nannte Reichelt gar die „letzte Patrone im ,Bild‘-Lauf“. In einem Gespräch, das Reichelt, Diekmann und Koch für das Mitarbeitermagazin von Axel Springer führten, sagte Reichelt: „Das einzig wichtige Kriterium für Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, ist, ob man sich vorstellen kann, zusammen im Schützengraben zu sein. Das ist mein Kriterium für Menschen.“

Ist das Führen einer Boulevardzeitung für Frauen generell schwieriger? „Frauen beherrschen die Formel der großen Gefühle besser als Männer“, sagt Beate Wedekind, Anfang der 80er Jahre Redakteurin bei „Bild“, später Chefredakteurin der „Bunte“. „Frauen wären deshalb eigentlich prädestiniert dafür, einen neuen Typus der gedruckten Boulevardzeitung zu erfinden.“ Bei Axel Springer dürfte das so schnell nicht passieren.

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