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Ressortleiter für Print und Online: Chefredakteur Wolfgang Büchner will Spiegel umbauen

Ist es ein Machtkampf oder wird nur ein Zeitplan eingehalten? "Spiegel"-Chefredakteur Wolfgang Büchner will Ressortleiterposten neu ausschreiben. Und plant einen Kulturbruch.

Als Wolfgang Büchner im vergangenen Jahr die Chefredaktion des „Spiegel“ übernahm, hatte er einen klaren Auftrag: Der ehemalige dpa-Chef sollte die Print- und Online-Redaktionen erstmals gemeinsam führen und damit die publizistische Zukunft der Medienmarke Spiegel erfolgreich gestalten, hatte „Spiegel“-Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe dem Journalisten mit auf den Weg gegeben. Ein Jahr später teilt Büchner der alles entscheidenden Mitarbeiter KG des „Spiegel“ mit ihrer 50,5-Prozent-Mehrheit am Verlag mit, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre alle Ressortleiterstellen beim Nachrichtenmagazin neu ausgeschrieben werden, wie die „Berliner Zeitung“ berichtete. Die künftigen Ressortchefs sollen sowohl für das Print-Heft als auch für die Online-Ausgabe gleichermaßen verantwortlich sein. Doch das kann auch ganz anders gedeutet werden.

Im entspannten Falle setzt Büchner damit den im Dezember 2013 vorgestellten Zeitplan auf dem Wege zu einer gemeinsamen Print-Online-Redaktion um, für den jetzt die Strukturen geschaffen werden müssen. Es gibt aber auch eine andere Erklärung, die viele Beobachter präferieren – und die hat nichts mit dieser Aufgabenstellung zu tun. Demnach versucht sich der „Spiegel“-Chefredakteur auf diese Weise von unliebsamen Kritikern zu trennen, ist aus Hamburg zu hören. Dabei wird die Neubesetzung als Reaktion Büchners auf das Misstrauensvotum der Ressortleiter gewertet. Drei der Bereichschefs hatten Verlagschef Saffe zuletzt mitgeteilt, dass sie Büchner für untragbar halten. Eine einvernehmliche Lösung scheint in dieser Situation nur schwer vorstellbar.

In Hamburg droht der große Showdown

Bereits beim Versuch, Ex-„Bild“-Mann Nikolaus Blome als neuen „Spiegel“-Vize zu installieren war Büchner auf Konfrontationskurs zu Redaktion und Mitarbeiter KG gegangen. Am Ende wurde Blome Leiter des Hauptstadtbüros und Mitglied der „Spiegel“-Chefredaktion. Der Eklat konnte so zwar verhindert werden, doch die Stimmung hat sich seither nur unwesentlich verbessert. Denn während Büchner bei Blome noch die Vertrauensfrage stellen konnte, droht nun in Hamburg der große Showdown.

Geht die Mitarbeiter KG unter Leitung von Vertriebschef Thomas Hass nicht auf Büchners Wünsche ein, könnte es für den „Spiegel“-Chefredakteur eng werden – und auch die Position von Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe, der Büchner zum „Spiegel“ holte, wäre geschädigt. Doch die Lage könnte sich genauso zuspitzen, wenn die KG den Neubesetzungen zustimmt. Die Redaktion des Magazins dürfte der Entmachtung der Ressortleiter nicht tatenlos zusehen wollen. „Der Gedanke an Streik liegt in der Luft“, spitzt die „Berliner Zeitung“ die Konfrontation bereits zu. Allerdings ist nicht sicher, ob sich Gesellschafter Gruner + Jahr beim „Spiegel“ auf eine weitere Chefredakteurssuche begeben möchte, nachdem gerade erst an der „Stern“-Spitze eine Ablösung erfolgt ist. Kurt Sagatz

Kurt Sagatz

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