Ist das – Satire?: „Charlie Hebdo“ wieder auffällig
Was darf Satire? Darüber wird nicht nur in Deutschland diskutiert, sondern auch erneut in Frankreich. Der Anlass: Auf dem aktuellen Cover zeigt "Charlie Hebdo" eine Muslima mit Affengesicht.
Gegen „Charlie Hebdo“ sind viele Vorwürfe möglich, zwei aber sind es auf keinen Fall. Das französische Satiremagazin ist nicht feige, und fein ist es auch nicht. Wer das nachprüfen will, der sollte sich das Cover der aktuellen Ausgabe ansehen. Eine Muslima wird als Affe dargestellt. Nicht irgendeine, sondern Maryam Pougetoux, die 19-Jährige führt die Studentenunion UNEF an der Pariser Elite-Universität Sorbonne an.
Pougetoux musste schon allerhand Kritik einstecken, unter anderem vom französischen Innenminister, weil sie den Hijab in der Öffentlichkeit trägt, was in Frankreichs Universitäten erlaubt, in den Schulen verboten ist. Pougetoux, eine gläubige Muslima, will das nicht als politisches Signal verstanden wissen.
Zum Affen gemacht
Ihre Darstellung als Affe wird mit der Sprechblase „Ils m’ont prise pour diriger L’UNEF“ („Sie haben mich genommen, um den L’UNEF“ zu leiten“) unterschrieben. Das ist, wie bei „Hebdo“ häufig, durchaus doppeldeutig. Eine Version könnte lauten, die Studentenunion habe eine Äffin zur Präsidentin genommen, eine andere, UNEF habe Maryam Pougetoux mit der Wahl zum Affen gemacht.
Festzuhalten ist: Eine entstellte Muslima mit Hijab scheint in Frankreich im Jahr 2018 als Satire zu gelten. Der Karikaturist der „Süddeutschen Zeitung“, Dieter Hanitzsch, musste das Blatt verlassen, weil er eine Netanjahu-Karikatur mit erkennbar antisemitischen Stereotypen versah, wie Kritiker anmerkten. Heißt das: Islamhass geht, jedenfalls in Frankreich, Antisemitismus geht gar nicht, nicht in Frankreich und nicht in Deutschland?
Oder sind sie beide nicht Satire und nicht Karikatur, das „Hebdo“-Cover nicht und nicht die Hanitzsch-Zeichnung? Wer bei Twitter unter „Charlie Hebdo“ die Debatte verfolgt, der bekommt quasi alle Meinungen und Einschätzungen serviert. Ein Ramazan Akbas schreibt: „Der Karikaturist von der ,Süddeutschen Zeitung‘, der Netanjahu veräppelt hat, wurde gekündigt, während bei ,Charlie Hebdo‘ aber eine JeSuisKotze die Runde machte. Und sie schwafeln von westlichen Werten wie Satirefreiheit gegen Erdogan und Muslime! Bei Juden aber Antisemitismus!“ Der Mipff kommentiert: „Die einen kämpfen für das Recht auf Kopftuch-Verblödung, die anderen für das Recht auf die Rassismus-Verblödung.“
Der Kampfgeist lebt
Die Redaktion des Satiremagazins lebt und arbeitet auch drei Jahre nach dem Anschlag, bei dem elf Mitarbeiter und ein Polizist ermordet wurden, wie in einer „Konservendose“, sagte der Journalist Fabrice Nicolino der „FAZ“. Von der „Je suis Charlie“-Unterstützung ist wenig übrig, vom Kampfgeist viel geblieben.
Was allerdings die Hanitzsch- wie die „Hebdo“-Karikatur als Frage heraufbringen: Was ist wirklich gewonnen, wenn Politic Correctness gegen Political Directness eingetauscht wird, wenn Instinkte gefüttert werden statt Intellekt bedient? Beleidigen ist eine Währung für Aufmerksamkeit geworden. Joachim Huber