Neue Chefin im RTL-Hauptstadtstudio: Breaking News aus der Behrenstraße
Ohne Helm und Schutzweste – Jutta Bielig-Wonka leitet die RTL-Hauptstadtredaktion. Und muss auf Veränderungen im Mediengeschäft reagieren.
Jutta Bielig-Wonka kennt sich mit kniffligen Breaking-News-Situationen aus. Im März 2011 gab Karl-Theodor zu Guttenberg in der Plagiatsaffäre seinen Rücktritt als Bundesverteidigungsminister bekannt – Live-Kameras waren im Bendler-Block allerdings nicht zugelassen. Die n-tv-Reporterin nahm kurzerhand ihr Handy und hielt es während Guttenbergs Ankündigung vor die Lautsprecher. Dadurch konnte der zum RTL-Imperium gehörende Nachrichtensender als einziger live mit einem O-Ton aus dem Ministerium berichten. Seit Anfang Februar hat Jutta Bielig-Wonka ein neue Aufgabe: Die einstige Reporterin und spätere Leiterin der Politikredaktion ist seit rund zwei Wochen die Leiterin der RTL-Hauptstadtredaktion mit über 70 Mitarbeitern der Politik- und Gesellschaftsredaktion.
Auf die Live-Schalte mit Guttenberg wird sie inzwischen nur noch gelegentlich angesprochen. „Aus heutiger Sicht kann man das Theater, das um diese Personalie gemacht wurde, gar nicht mehr nachvollziehen“, sagt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das Handy habe sie dennoch aufgehoben.
In ihrem neuen Büro im RTL-Hauptstadtstudio, ein Gebäudekomplex mit insgesamt mehr als 4000 Quadratmetern parallel zum Boulevard Unter den Linden, hat Jutta Bielig-Wonka das Handy jedenfalls nicht wie einen Oscar ausgestellt. Überhaupt fehlt dort noch einiges an Mobiliar. Ein Schreibtisch und eine Mini-Palme mit zwei kleinen Dschungelcamp-Figuren – Sophia Wollersheim und Thorsten Legat – sind die einzigen Einrichtungsgegenstände. Immerhin: Wenn sie über ihren Doppelmonitor schaut, blickt die 56-jährige Journalistin auf ein großes Foto der Hauptstadt.
Die Zeit, in der man mit einer gewissen Leichtigkeit Themen wie die Guttenberg-Affäre bearbeitet hat, ist nicht nur für die Journalistin, sondern insgesamt einer größeren Ernsthaftigkeit gewichen. Andere Dinge haben eine viel größere Bedeutung, sagt sie. Besonders spürbar sei das beim Flüchtlingsthema. Im August hat RTL für einen Thementag das komplette Programm geräumt. „Dabei wurde auch abgebildet, was unter dem Begriff Willkommenskultur verstanden wird, nämlich die tolle Hilfs- und Einsatzbereitschaft der Leute, die sich engagieren“, erzählt sie. Aber auch die Probleme seien angesprochen worden. „Wir müssen auch gucken, dass die Menschen nicht unter die Räder kommen, die schon jetzt um ihren Lebensstandard und um ihr Auskommen kämpfen müssen“, sieht Jutta Bielig-Wonka RTL und die Medien in der Pflicht. „Wenn wir aufdecken, wie die Situation in Krankenhäusern und Jobcentern ist, dann können wir es der Politik nicht durchgehen lassen, wenn die sagen ,Das wird sich schon wieder legen‘. Zur Wahrheit gehört: Der Problemdruck ist hoch. Wir müssen unseren Zuschauern sagen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Diese Verantwortung haben wir alle miteinander.“
Auch sie selbst sieht sich gefordert. Sie will sich den Freiraum schaffen, um in solchen Fragen Position zu beziehen. Zum Beispiel zu AfD-Frontfrau Frauke Petry. „RTL ist als Sender sonst nicht als links oder rechts zu verorten. Aber in solchen Momenten muss man ganz klar sagen, dazu haben wir eine Haltung, und die zeigen wir auch.“ Ein eigenes Format werde es zwar nicht geben, aber bei täglich sechs Stunden Live-Berichterstattung gebe es viele Möglichkeiten Politik unterzubringen, sagt sie. Nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln wurde in der RTL-Hauptstadtredaktion viel diskutiert, ebenso zur AfD. „Insgesamt sind wir uns einig: Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir den unangenehmen Teil von bestimmten Problemen den anderen überlassen, damit meine ich AfD & Co. Wir müssen das ganze Bild in den Blick nehmen. Das macht am Ende unsere Glaubwürdigkeit aus.“
Jutta Bielig-Wonka hat ein ganz klares Bild davon, wofür die RTL-Hauptstadtredaktion stehen soll. „Wir wollen Nachrichten für die Zuschauer machen.“ Und vom Zuschauer hat sie eine klare Vorstellung: „Das ist die Frau an der Supermarktkasse, mein Kfz-Mechaniker oder der Kinderarzt und die Krankenschwester, zu denen ich nachts meine Kinder mit Fieber bringe“, sagt sie. Das seien nicht unbedingt Menschen, die jeden Tag zwingend drei Leitartikel lesen. „Das heißt nicht, dass sie weniger schlau sind. Sie sind nur mit anderen Dingen beschäftigt, möchten aber trotzdem wissen, wie alles zusammenhängt.“ Mit diesem Konzept ist der Kölner Privatsender erfolgreich. „RTL aktuell“ mit Anchor Peter Kloeppel ist nach „Tagesschau“ und „heute-journal“ die am dritthäufigsten gesehene Nachrichtensendung.
Ihre Berufung zur Leiterin des Hauptstadtstudios wertet Jutta Bielig-Wonka als tolle Geste und als Signal: „Es gibt ein berufliches Leben nach der 50, und es gibt ein Leben nach der Teilzeit-Working-Mum-Phase.“ Für sie kommt die neue Aufgabe am Ende einer Familienphase. Die beiden Kinder befinden sich im Studium und in der Ausbildung. Aber auch während ihrer Teilzeittätigkeit sei sie nicht auf die typischen Frauenthemen reduziert worden. Vielmehr konnte sie weiter die Top-Themen machen. „Ich war im Zuge von Bundeswehreinsätzen im Balkan und in Afghanistan unterwegs, unter anderem auf Reisen mit dem Minister“, erzählt sie. Dazu gehörte auch, dass man auf eigene Faust vorher die Orte besuchte. „Ich will mich allerdings nicht mit Reporter-Kollegen wie Antonia Rados vergleichen“, sagt sie. Das Thema Sicherheit habe sie möglicherweise anders gewertet als Kollegen. „Schutzweste und Helm wurden Gott sei Dank nie geprüft. Doch ob man auf Patrouille in Kabul und Kandahar wirklich sicher ist, weiß man nicht. Es gibt ja auch Kollegen, die in vermeintlicher Sicherheit im Schlepptau von Delegationen Ziel von Anschlägen geworden sind.“
Jetzt hat Jutta Bielig-Wonka andere Aufgaben. Sie muss dabei auch auf Veränderungen im Mediengeschäft reagieren. „Die bloße Nachricht gibt es inzwischen überall – wie Wasser aus dem Wasserhahn“, sagt sie. RTL wolle den Zuschauern darum mit den Nachrichten zugleich verstärkt Einordnungen, Zusammenhänge und Hintergründe liefern. Experten zu Themen wie Sicherheit oder Integration sollen dabei für Verlässlichkeit stehen. Die Brüssel-Berichterstattung soll ausgebaut werden, weil dort verstärkt über zentrale Themen gestritten und entschieden wird.
Eine reine 40-Stunden-Woche reicht dafür nicht, als Journalist ist man auch nach Feierabend noch im Beruf. Jutta Bielig-Wonka will versuchen, dieses Pensum in verträgliche Einheiten zu portionieren und auch mal das Telefon liegen zu lassen. „Das kann ich, weil ich weiß, dass mein Team schon viele Breaking-News-Situationen gemeistert hat. Die brauchen nicht unbedingt die Chefin dazu. Da kann ich dann auch mal mit dem Hund in den Wald gehen – im schönen aber unhippen Reinickendorf.“
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