Warum sehen sich Fernsehzeitschriften so ähnlich?: Blau und Frau
Viele Fernsehzeitschriften sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Doch trotz sinkender Auflagen wollen sie an diesem Konzept festhalten. Nicht einmal zu Weihnachten gibt es eine Ausnahme.
Lutz Carstens hat es mit Brad Pitt versucht, mit George Clooney und all den anderen Schönlingen aus Hollywood. Immer ist es schiefgegangen. Sobald er einen Mann auf die Titelseite der „TV Spielfilm“ nimmt, verkauft er deutlich weniger Hefte. Deshalb bleibt der Chefredakteur lieber beim bewährten Konzept: Blau und Frau.
Seit Jahren setzen die zweiwöchentlich erscheinenden Programmtitel auf diesen Einheitslook. Dabei können sie sich schon inhaltlich kaum unterscheiden. Die „Tagesschau“ läuft nun mal um 20 Uhr im Ersten. Doch anstatt sich deshalb umso mehr über die Optik voneinander abzugrenzen, gestalten die Magazine auch ihre Titel alle ähnlich. Gezeigt wird eine Schauspielerin oder ein Model, oft tief dekolletiert, vor einem blauen Hintergrund. Auch jetzt zu den Festtagen, wo sich die TV-Magazine so gut wie sonst nie im Jahr verkaufen, fast überall der gleiche Look. Nur dass viele Damen für eine weihnachtlichere Anmutung ein rotes Kleid tragen.
Dabei sind es in der Regel nicht die Männer, sondern die Frauen, die die Magazine vom Einkaufen mit nach Hause bringen und abends bestimmen, welches Programm eingeschaltet wird. Doch gerade bei ihnen kommen die Cover gut an, ist „TV Spielfilm“-Chefredakteur Carstens überzeugt: „Frauen interessieren sich für Frauen, schließlich haben auch die meisten Frauen- und Modemagazine eine Frau auf dem Cover.“ Mit den schönen Schauspielerinnen würden sie sich ein Stück Glamour ins Wohnzimmer holen. Katharina Lukas, Chefredakteurin der „TV Direkt“, verweist auf einen weiteren Aspekt: „Männer mögen keine Konkurrenz auf dem heimischen Wohnzimmertisch. Frauen haben damit kein Problem“.
Aber warum Frau auf blauem und nicht auf rotem, weißem oder grünem Hintergrund? „Blau ist eine der beliebtesten Farben in Deutschland, sympathisch und neutral zugleich“, sagt Stefan Westendorp, Chefredakteur der „TV Movie“. Vor allem ist Blau das Markenzeichen geworden für die 14-tägigen Fernsehzeitschriften. Eingeführt wurde die Optik im Februar 1991 mit dem Start der „TV Spielfilm“ aus der Verlagsgruppe Milchstraße. Bis dahin gab es nur wöchentliche TV-Titel am Kiosk. Angesichts des Erfolgs zogen andere Verlage nach, im Dezember 1991 beispielsweise Bauer mit der „TV Movie“, die sich gegen Plagiatsvorwürfe wehren musste. Es folgten Hefte wie „TV Today“, „TV 14“, „TV Direkt“, insgesamt zehn Titel zählt die IVW heute in dem Segment. „Blau und Frau“ sollen die Leser automatisch mit den zweiwöchentlich erscheinenden Magazinen assoziieren.
Bis zur kleinsten Pore in Photoshop bearbeitet?
Dass die Titel in ihrer Ähnlichkeit am Kiosk schnell verwechselt werden, fürchtet Carstens nicht: „Wir haben sehr treue Leser, die sehr wohl zwischen den unterschiedlichen Marken unterscheiden können“. Beispielsweise durch die unterschiedlichen Schwerpunkte und Bewertungssysteme der Filme.
Produziert werden die Magazine etwa sechs bis acht Wochen vorher. Wenn ein Hollywoodstar wie Julia Roberts aufs Cover soll, muss das Bild von ihrer Agentur erst freigegeben werden. Bis zu 20 000 US-Dollar kann so eine Lizenz kosten, heißt es aus der Branche. Eigenproduktionen mit deutschen Schauspielern seien allerdings nicht viel günstiger. Dass die Frauen auf den Titeln bis zur kleinsten Pore gephotoshopt werden, bestreitet „TV Movie“-Chefredakteur Westendorp: „Heute wird nicht mehr so viel nachbearbeitet wie früher. ,TV Movie‘ druckt zu 95 Prozent internationale Stars. Und bei diesen dürfen wir maximal die Farbe der Kleidung am Bildschirm verändern.“
Die "Hörzu" macht beim "Blau und Frau"-Trend nicht mit
Die „Hörzu“, die 1946 als erste deutsche Fernsehzeitschrift im Springer-Verlag erschien und jetzt an die Essener Funke-Mediengruppe verkauft wurde, ist dem „Blau und Frau“-Trend nicht gefolgt. Sie hat an ihrem wöchentlichen Erscheinungsrhythmus festgehalten und will journalistische Inhalte und Service jenseits des TV-Programms bieten mit Themen zu Ernährung, Rente, Hausbau. „Solche Themen sind auf einem Titel deutlich schwieriger umzusetzen, als einfach nur eine Schauspielerin zu zeigen“, sagt Chefredakteur Christian Hellmann.
Gemeinsam haben alle Fernsehzeitschriften eines: Die Auflage sinkt. Auch, weil sich der Fernsehkonsum der Menschen verändert hat. In Zeiten von Mediatheken, Youtube und Streamingseiten wollen sich immer weniger Zuschauer an festen Zeiten orientieren und stellen sich ihr eigenes Programm zusammen.
Die Auflagen der Programmzeitschriften sinken
Die verkaufte Auflage der „Hörzu“ sank im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 7,4 Prozent auf rund 1,2 Millionen Exemplare. Die „TV Spielfilm“ verzeichnet ein ähnliches Minus bei einer verkauften Auflage von rund 969 000 Heften, die „TV Movie“ zählt rund 1,3 Millionen verkaufte Exemplare bei einem Minus von rund vier Prozent, wobei hier die Freiexemplare um fast 30 Prozent und sonstigen Verkäufe um mehr als 150 Prozent erhöht wurden.
Dass sich die TV-Zeitschriften mit der Veränderung der Sehgewohnheiten überflüssig machen, glaubt „Hörzu“-Chefredakteur Hellmann nicht: „Es gibt immer mehr Sender. Wer aber erst 100 Programme durchzappen muss, verliert den Überblick. Deshalb wird das Bedürfnis der Leser nach Orientierung sogar noch weiter steigen.“ Ohnehin würden sich die Sehgewohnheiten so schnell nicht ändern, betont „TV Spielfilm“-Chefredakteur Carstens, der über das mobile Angebot des Magazins im Netz die Zugriffszahlen verfolgt: „Zwischen 20 Uhr 13 und 20 Uhr 15, wenn in der ,Tagesschau‘ das Wetter kommt, haben wir die meisten Besucher auf unseren Seiten und Apps“, sagt er. „Die meisten Menschen sitzen immer noch zur Primetime vor dem Fernseher.“
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