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"Goodbye Guido Knopp": Bewegte Bilder, bewegende Zeugen

ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp geht in den Ruhestand. Zum Abschied gibt’s 30 Jahre Zeitgeschichte.

Von „Histotainment“ reden Historiker, wenn sie Guido Knopp meinen. „Knopp ist das zentrale Ereignis des deutschen Geschichtsfernsehens“, urteilte ein renommierter Neuzeitler vor Jahren auf einem Historikertag, und alle Teilnehmer stöhnten auf. Dabei entging ihnen die Pointe dieser Feststellung: dass es nämlich überhaupt so etwas wie „deutsches Geschichtsfernsehen“ gibt.

Das Geschichtsfernsehen hat einen Namen: Guido Knopp. Am vergangenen Dienstag feierte der Chefhistoriker des ZDF seinen 65. Geburtstag und geht nun in einen Ruhestand, der bei dem umtriebigen Leiter der Redaktion „Zeitgeschichte“ eher ein Unruhestand werden dürfte. Zumindest sind Knopps Fernsehfeatures so beliebt wie eh und je. Vor allem die mit der Darstellung der Nazi-Zeit machten lange Zeit tüchtig Quote. So erreichten etwa die Ende der neunziger Jahre in dichter Folge produzierten Serien über Hitler und Hitlers Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg bei den Marktanteilen Traumwerte zwischen 15 und 22 Prozent. „Aufklärung braucht Reichweite“, hat Knopp den Run auf die Quote stets verteidigt. Zuletzt hat das Interesse der Zuschauer jedoch nachgelassen.

Das Grundkonzept hat Knopp stets mehr oder minder beibehalten, es läuft in perfekter Routine ab. Der „Spiegel“ beschrieb Knopps Konkurrenzkampf gegen Seichtes auf den anderen Kanälen schon vor vielen Jahren so: „Dagegen setzt er ein Potpourri aus kurz geschnittenen Schwarz-Weiß-Sequenzen alter Filme, nachgestellten Szenen in Farbe (das Prinzip übernahm Knopp von der BBC) und Kurzbefragungen vor dunklem Hintergrund.“ Dazu „dramatische Musik und eine raue Kommentarstimme“. Die „FAZ“ giftete damals, Knopp verbinde „Goebbels’ Wochenschauen mit Hollywood-Reizen“. Knopp selbst hat das nie angefochten, im Gegenteil: „Bewegte Bilder und bewegende Zeitzeugen sind die Pfunde, mit denen wir wuchern können.“

Mit den Zeitzeugen ist es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden; soweit sie für die Jahre vor 1945 zuständig sind, werden es dramatisch weniger. An ihre Stelle sind jüngerer Historiker getreten, die gerne ihre Forschungsergebnisse vorstellen dürfen. Knopp, der vor fast 35 Jahren als promovierter Historiker beim ZDF anheuerte und schließlich 28 Jahre lang erst die Redaktion, dann den Programmbereich „Zeitgeschichte“ mit zeitweise 16 Redakteuren aufbauen und leiten durfte, sieht die Probleme durchaus: „Insgesamt ist es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, den Zuspruch zu den ZDF-Dokumentationen am Dienstagabend wieder zu steigern“, gestand er in einem internen Interview des ZDF: „Da muss sich das Haus überlegen, ob es für Zeitgeschichts-Dokus nicht einen besseren Sendeplatz gibt.“

Dass die sinkenden Quoten nur dem Sendeplatz geschuldet sein sollen, dürfte eine allzu fernsehtechnische Betrachtung sein. Es hat gewiss auch mit der Veränderung der Zuschauerstruktur zu tun. Die Generation, die selbst noch den Krieg erlebt hat oder zumindest aus Erzählungen ihrer Eltern kennt, nimmt immer mehr ab. Der Enkelgeneration der Unter-Vierzigjährigen entrücken die Jahre 1933–45. Allerdings wehrt sich Knopp gegen den jahrelang erhobenen Vorwurf, er sei vorrangig dem Nazi-Boom gefolgt: „Was die reine Quantität betrifft, haben sich fünf Prozent unserer Programme mit der Thematik Hitler beschäftigt.“ Immerhin waren es, wie man hinzusetzen darf, die erfolgreichsten fünf Prozent. Immerhin räumt Knopp inzwischen ein, „dass alles Wesentliche gesagt worden ist“.

Insgesamt sind seit 1980 um die 2000 Sendungen unter der Verantwortung von Guido Knopp entstanden. Die Zahl der Mehrteiler ist kaum zu überblicken; darunter befinden sich Erfolgstitel wie „Der verdammte Krieg“ (1991–95), eine Serie in 18 Folgen, die in Kooperation mit dem russischen Fernsehen entstand, „Hitler – eine Bilanz“ von 1995, „Hitlers Krieger“ (1998) und, auch das, „Hitlers Frauen“ (2001). „Stalingrad“, „Bombenkrieg“, „Stauffenberg“ reihen sich nahtlos ein, und noch 2011 enthüllte Knopp „Geheimnisse des Dritten Reiches“. Dass eine näher am Heute orientierte Serie wie „Kanzler – die Mächtigen der Republik“ 1999 nicht gleichermaßen einschlug, ließ sich so verschmerzen.

Umso mehr, als Knopps Filme mit zahlreichen Preisen bedacht wurden, darunter der Deutsche sowie der Bayerische Filmpreis (beide 1997), die Goldene Kamera sowie der Grimme-Preis (beide 2004) und zudem der Emmy Award 2005 in der Sparte Dokumentarfilm für „Das Drama von Dresden“. So viel auch internationale Anerkennung wurde 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse gewürdigt.

Auch wenn sich Knopp jetzt aus der ZDF-Redaktion verabschiedet – für den Zuschauer geht’s vorerst noch weiter. Die im vergangenen Jahr begonnene Serie „Weltenbrand“ über die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts wird noch bis in den Herbst dieses Jahres hinein fortgesetzt. Knopp bedient sich in dieser Serie eines weiteren Stilmittels: der Kolorierung historischen Filmmaterials. Er bevorzugt bunte Bilder, „weil sie unserer heutigen Weltsicht entsprechen, die ja farbig ist“. Schwarz-Weiß bezeichnet er „als Verlust an Realismus“.

Und getreu seinem Erfolgsrezept sieht er „die Zukunftsform der TV-Geschichtsdarstellung in der szenischen Dokumentation – auch aus Etatgründen“. Immerhin betragen die Kosten für ein 90-minütiges Doku-Drama laut Knopp „1,5 Millionen Euro“. Da hilft es, dass Knopps Filme bei zahlreichen ausländischen Sendern als Markenartikel begehrt sind. Und was immer Historiker und Hochschullehrer gegen Knopps Populärkonzept einwenden: Mit seinen Filmen hat Fernsehdeutschland Geschichte wenn schon nicht gelernt, so doch zumindest gesehen.

„Goodbye Guido Knopp“,

Sonntag, ZDF, 23 Uhr 35

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