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An Sprüchen und Ansprüchen lässt es der Rundfunk Berlin-Brandenburg für sein Fernsehprogramm nicht fehlen.
© rbb/Oliver Ziebe

Was leistet das RBB Fernsehen?: Berliner und Brandenburger – sie haben Rücken

Rekordquote bei Wiederholungen, Rekordwert bei Nachrichten: Studie analysiert das RBB Fernsehen im Vergleich mit ARD-Dritten.

Es ist schon kurios. Kein Fernsehangebot in Deutschland war im April 2019 erfolgreicher als die Dritten Programme der ARD. 12,9 Prozent Marktanteil reichten zum knappen Sieg über das ZDF mit 12,8 Prozent, dem auf Marktführerschaft getrimmten Programm. Aber in den Aufmerksamkeitsfokus geraten die Dritten nur selten, offenbar kann die regionale Ausrichtung das Publikum (im Seniorenalter) nicht in größere Wallung bringen. Beim Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin, wenn Notre-Dame in Paris brennt, werden sofort die nationalen Player ARD und ZDF nachgefragt. RBB, MDR bis hin zum WDR Fernsehen sind Fernsehen aus dem Alltag für den Alltag.

Entsprechend groß ist die Forschungslücke, entsprechend groß ist das Verdienst der Otto Brenner Stiftung, die sich um dieses Desiderat kümmert. Angeführt von Medienwissenschaftler Joachim Trebbe und einem Mitarbeiterteam des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin, sind seit 2012 Studien zur programmstrukturellen und inhaltlichen Ausrichtung der Dritten erschienen. Mit der aktuellen Untersuchung des RBB Fernsehens und einer wiederholten Analyse des SWR-Programms unter dem Titel „Krimis, Kontroversen, Kochrezepte“ schließen Trebbe und Eva Spittka die Reihe ab.

„Die Studien sind in Zeiten entstanden“, schreibt Trebbe, „in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur unter hohem ökonomischen Legitimationsdruck stand (und steht), sondern auch rechtspopulistischen Angriffen und Diffamierungen ausgesetzt war.“ Heißt auch: Eine ARD-Anstalt wie der Rundfunk für Berlin und Brandenburg muss mit Sorgfalt und Ehrgeiz im gemeinsamen Fernsehprogramm für beide Länder leisten, was der RBB-Staatsvertrag vorgibt: „Seine Angebote dienen der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung und erfüllen den kulturellen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Zu den erfolgreichsten Sendungen im RBB Fernsehen gehören die Regionalmagazine wie „Brandenburg aktuell“ mit Moderatorin Tatjana Jury.
Zu den erfolgreichsten Sendungen im RBB Fernsehen gehören die Regionalmagazine wie „Brandenburg aktuell“ mit Moderatorin Tatjana Jury.
© rbb/Thomas Ernst

Große Aufgabe, schwierige, regionale Aufgabe. Der RBB, 2003 fusioniert aus Sender Freies Berlin und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg, lebt eine Fiktion. Die Bundeshauptstadt Berlin und das Flächenland Brandenburg müssen in ein 24/7-Fernsehprogramm zusammengefügt, besser: zusammengezwungen werden. Der Marktanteil 2018 zeigt die Herausforderung an: 5,9 Prozent bedeuten den vorletzten Platz 2018 unter den ARD-Dritten. Mit der Dichotomie Stadt/Land, Berlin/Brandenburg ist viel an Erklärungspotenzial aufgerufen, aber sendet der Mitteldeutsche Rundfunk nicht für drei Bundesländer, der Norddeutsche Rundfunk gar für Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein?

Die OBS-Studie geht auf Erfolge und Misserfolge nicht ein, hier geht es um die Analyse des Programms 2018 über vier Wochen, speziell um die „Landesversion für Brandenburg“. Die Ergebnisse lassen sich trotzdem generalisieren, schließlich wird das RBB-Fernsehen an einem Sendetag nur zwischen 19 Uhr 30 und 20 Uhr gesplittet: in „Brandenburg aktuell“ und die „Abendschau“ für Berlin. Über 23 Stunden und 30 Minuten und damit zu mehr als 98 Prozent der Sendezeit sind Brandenburger und Berliner ein Fernsehpublikum. Laut Studie verzweigt sich nur das HR-Fernsehen noch seltener unter den Dritten. Wird beim RBB-TV ein Regionalgefühl forciert, das tatsächlich ein Berlin-Brandenburger ist?

Der RBB-Zuschauer wird pro Sendetag mit null Werbung belästigt und mit 53 Minuten Programm-Trailern, also Hinweise auf noch ausstehende Hast-du-noch-nicht-gesehen-Highlights traktiert. Das ist nicht Rekord unter den Dritten, das Bayerische Fernsehen kommt auf über zwei Stunden, das RBB-Fernsehen liegt deutlich vor dem Ersten (35 Minuten) und dem Zweiten (29 Minuten). Aber ein Rekord wird doch erreicht: „Der RBB weist mit 39 Prozent kurzfristiger Wiederholungen den höchsten Wert auf“, heißt es in der Studie. Bei der ARD liegt die Quote bei 14 Prozent, beim ZDF bei elf Prozent – die Dritten liegen klar drüber. Klar ist, dass ein 24-Stunden-Novitäten-Programm die Finanzkraft aller ARD-Anstalten überbeanspruchen würde, gleichwohl ist die Wiederholungsquote beim RBB derart hoch, dass die Frage nach einem uniquen Angebot erlaubt sein muss.

Zu den umstrittensten Formaten im RBB Fernsehen zählt die „Abendshow“ mit Britta Steffenhagen und Marco Seiffert.
Zu den umstrittensten Formaten im RBB Fernsehen zählt die „Abendshow“ mit Britta Steffenhagen und Marco Seiffert.
© rbb/Oliver Ziebe

Das RBB-Fernsehen hat im Sinne eines Vollprogramms auch ordentlich Unterhaltung im Sortiment, die Information aber überwiegt, die Anteile für die sogenannte Fernsehpublizistik liegen bei 62 Prozent, dabei handelt es sich um alle informierenden Formate, respektive die journalistische Berichterstattung. Die 62 Prozent liegen im Mittelfeld der Dritten, der MDR mit dem erfolgreichsten Dritten ist der „Unterhaltungskönig“. Der RBB kann dabei mit respektablen 15 Prozent des 24-Stunden-Tages das größte Nachrichtenangebot unter den Dritten für sich reklamieren. Hier schlägt sich wohl die Bundeshauptstadt Berlin nieder.

Das Fernsehprogramm für Berlin und Brandenburg will besonders in der Prime Time nach 20 Uhr mit eigener Fernsehpublizistik sein Publikum für sich einnehmen: Nachrichten, Magazine, Reportagen, auch informative Talk- und Diskussionsrunden finden sich. Sach- und Ratgeberthemen dominieren dabei. 27 Prozent der täglichen Sendezeit sind für Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Kriminalität, insbesondere für Gesundheit und Verbraucher reserviert. Auffällig, dass jedes Dritte ein eigenes Gesundheitsmagazin produziert, obwohl der Rückenschmerz sich von einem Bundesland zum anderen nicht unterscheiden wird.

Wenn Unterhaltung im RBB Fernsehen, dann Shows, Quiz und Spielsendungen zu Lasten von Film und Serie. Beim Reality-TV mit den Dokusoaps aus dem Tier- und Zoobereich lässt sich der Sender von keinem anderen Dritten übertrumpfen. Trebbe/Spittka schließen daraus: „Der Wert für Reality-TV ist mit knapp zwölf Prozent mit Abstand am höchsten – und erinnert eher an die Daten, die für private Fernsehvollprogramme typisch sind.“

Wo bleibt der Sport?

Was auffällt: Sport ist ein marginales Thema für die Berichterstattung, überraschend beim Faktum der Sportstadt Berlin und weniger überraschend angesichts der jüngst verunglückten Cottbus-Übertragung. Das spezifisch Regionale, in dieser Studie also das Brandenburgische, gibt es bei den Formaten der Fernsehpublizistik tagtäglich knapp über drei Stunden zu sehen, das ist im Quervergleich zu den sonstigen Dritten ein eher unterdurchschnittlicher Wert. Ob Berlin da deutlich besser abschneidet, dazu findet sich in der Studie kein Hinweis. So können die Brandenburger ihr (Vor-)Urteil weiter pflegen, dass sie im RBB nur die zweite Geige spielen. Freilich sehr sichtbar, so sichtbar wie die Berliner. In jeder zehnten Sendeminute des RBB Fernsehens kommt ein Einheimischer ins Bild, vordringlich aus Politik und Verwaltung. Wobei Vertreter aus den Regierungsparteien eine auffällig stärkere TV-Präsenz verbuchen können.

Was taugt zum Einschalten im RBB Fernsehen? Das allein entscheidet jeder Berliner, jede Berlinerin und jeder Brandenburger, jede Brandenburgerin Tag für Tag und für sich ganz allein.

"Krimis, Kontroversen, Kochrezepte“. Das Regionale in den Dritten der ARD - mit aktuellen Programmanalysen von RBB und SWR“, Arbeitspapier 36 der Otto Brenner Stiftung. Ab Dienstag online verfügbar unter

http://ow.ly/8SXm30oy31d

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