zum Hauptinhalt
304211_0_f7af4133.jpg
© WDR-Pressestelle/Fotoredaktion

TV-WG: Behütetes Blamieren

Warum die Unordnung bei „Zimmer frei“ auch nach 500 Sendungen immer noch ein Vergnügen ist

Pünktlich zum Jubiläum von „Zimmer frei“ gab es mal wieder ein Skandälchen: Die Sendung mit dem ehemaligen „Titanic“-Chefredakteur Martin Sonneborn wurde am 4. Oktober nicht ausgestrahlt. Stattdessen wurde die Ausgabe mit Schauspielerin Dorkas Kiefer vorgezogen. „Sonneborn hat sich auf seine Rolle als Vorsitzender der ,Partei’ kapriziert, doch eine solche Kunstfigur kann man in einer Sendung nicht 60 Minuten lang durchhalten“, erklärt „Zimmer frei“-Redakteur Hans-Georg Kellner. Schade eigentlich, dass dieser Satire-Versuch dem Publikum vorenthalten wird. Denn was soll einer nach 13 Jahren fest etablierten Show-Reihe schon passieren, wenn sie das Urteil über eine einzelne Sendung ihrer relativ kleinen, aber treuen Fan-Gemeinde überlässt?

Jedenfalls hat der in diesem Fall humorlose WDR die 499. Ausgabe in dem Giftschrank verstaut, in dem seit 2003 bereits die Sendung mit dem Fotografen Jim Rakete ruht. „Jim Rakete fehlte die Bereitschaft, sich auf die Besonderheiten von ,Zimmer frei’ einzustellen“, sagt Kellner, ein Gründungsvater der 1996 als vorübergehendes Sommer-Experiment geplanten Show. Aber vielleicht werden ja beide Ausgaben irgendwann hervorgekramt, ähnlich wie im Fall von Cherno Jobatey. Der ZDF-Moderator war 1999 angesichts der Sticheleien über seine frühere Rechtschreibschwäche kurzzeitig aus der Sendung geflohen. Vier Jahre später strahlte der WDR die Folge doch noch aus und erlebte alles andere als ein „Chernobyl“, wie die Moderatoren Christine Westermann und Götz Alsmann gerne witzeln. Die Folge aus dem Giftschrank war 2003 mit bundesweit 1,2 Millionen Zuschauern die zahlenmäßig erfolgreichste Sendung in der „Zimmer frei“-Geschichte. Die Neugier auf Verbotenes ist eben besonders groß.

Dabei bereitet der unkonventionelle Humor bei „Zimmer frei“ immer noch Vergnügen genug. Die „Besonderheiten“, das sind Spiele im Stile einer Kindergeburtstagsparty, Gespräche zwischen Tiefsinn (mit Westermann) und Wahnsinn (mit Alsmann), Hausmusik aus vollem, wenn auch manchmal talentfreiem Hals sowie Begegnungen mit seltsamen Nachbarn und sprechenden Puppen. Die aufmerksame Journalistin Westermann und der aufgekratzte Entertainer Alsmann sind dabei für die Gäste eigentlich ein Sicherheitsrisiko. Prominente, die sich in ihre Hände begeben, sollten schon eine ganz besondere Form von Courage mitbringen – den Mut, in der Öffentlichkeit über sich selbst lachen zu können. „Behütetes Blamieren“ nennt das Hans-Georg Kellner.

Dabei hilft, dass die Moderatoren mitspielen müssen und all dem liebevollen Unsinn, den sich Autoren, Szenen-, Kostüm- und Maskenbildner Woche für Woche ausdenken, ebenfalls ausgesetzt sind. So wurden Schildkröte, Huhn und Frosch nicht nur Sarah Kuttner („Egal, was es ist, nehmt es weg!“) auf den Bauch gelegt, auch Westermann und Alsmann durften dieses besondere „Bauchgefühl“ erleben. Und sogar bei den skurrilen Bilderrätseln können die Gäste eigentlich nicht scheitern, weil die Moderatoren bis zum Äußersten helfen. So hat auch Carlo von Tiedemann irgendwann begriffen, dass mit dem von einer VHS-Kassette stammenden Film eines Berggipfels „Montevideo“ gemeint ist. Kindischer Spaß und kabarettreifer Humor, Nonsens-Palaver beim gemeinsamen Essen und ernste Gespräche in Westermanns Separee – die Show zeichnet sich durch eine konzeptionelle Unordnung aus, die das Format erst so richtig unterhaltsam macht.

Es ist vielleicht kein Zufall, dass „Zimmer frei“ 1996 nicht von einer Unterhaltungsabteilung, sondern von einem laut Kellner „bunt zusammengewürfelten Haufen“ aus Redakteuren erfunden wurde. Er selbst war „Tagesschau“-Reporter und vertrieb sich die Saure-Gurken-Zeit im Sommer mit diesem TV-Experiment. Als „Zimmer frei“ zum Regelbetrieb ansetzte, hatte er die Sorge, „dass uns nach 1998 Gäste und Ideen ausgehen könnten. Das war meine falscheste Prognose“. Die Gästeliste, sagt Kellner, würde „komischerweise“ immer noch wachsen. Und von denen, die einmal da waren, „ist uns, glaube ich, keiner böse. Außer Herrn Jobatey vielleicht“.

Neben der heutigen 500. Sendung von „Zimmer frei“ mit dem Fernsehproduzenten und Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt als Gast zeigt der WDR zwei zusätzliche Beiträge. In „Durchs Schlüsselloch“ begleitet die Kamera Christine Westermann und Götz Alsmann bei den Proben und beim Warm-Up des Studiopublikums. „Menschen, Spiele, Sensationen“ bietet einen Zusammenschnitt von Höhepunkten aus gut 13 Jahren „Zimmer frei“-Geschichte.

„Durchs Schlüsselloch“, 21 Uhr 45; „Zimmer frei“, 22 Uhr 15; „Menschen, Spiele, Sensationen“, 23 Uhr 15, alles im WDR-Fernsehen

Zur Startseite