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Spektakulär. Lieutenant Uhura (Nichelle Nichols) und Captain James T. Kirk (William Shatner) setzen zum ersten schwarz-weißen Kuss im US-Fernsehen an. Foto:
© mauritius images

Ich gestehe, ich sehe: "Raumschiff Enterprise": Beam me up aus Herford!

Mit „Raumschiff Enterprise“ lässt sich eine Jugend in Ostwestfalen überstehen. Auch weil Lieutenant Uhura so sexy, so souverän und so klug war.

Im Frühling 1970 zogen wir innerhalb der kleinen Stadt Herford von einem romantisch gelegenen Altbau in ein eigenes Haus. Meine Eltern waren unglaublich stolz. Ich fand es schrecklich. Das einzige Abenteuer in der sterilen kleinen Siedlung bestand darin, über die Garagenhofmauer zum Balkon meines Kinderzimmers zu balancieren.

Umso mehr ersehnte ich jede Woche die neueste Folge von „Raumschiff Enterprise“. Fanfaren schmetterten die Erkennungsmelodie, während die Enterprise über den Bildschirm wischte und in den Tiefen des Raums verschwand. Fantastisch! Ich träumte mich in das Raumschiff hinein, wollte wie die Besatzung ferne Welten und fremde Zivilisationen kennenlernen. Beim Einschlafen stellte ich mir vor, auf dem Garagendach stehend vom Strahl des Transporterraums erfasst und an Bord gebeamt zu werden.

Meine Heldin war natürlich Lieutenant Uhura, gespielt von der schönen und selbstbewussten Nichelle Nichols. Sie trug einen äußerst knappen Minirock, was ihrer professionellen Ausstrahlung aber keinen Abbruch tat. Mit ihren phänomenalen Kenntnissen galaktischer Sprachen managte Uhura den Funkverkehr auf der Enterprise souverän und im Notfall konnte sie geschickt mit dem Lötkolben umgehen.

Klar, in den frauenbewegten 70ern hatte sich auch in Deutschland einiges getan. Im Juni 1971 bekannten Frauen auf der Titelseite des „Stern“: „Wir haben abgetrieben“. Was das für eine Provokation war, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Bei uns in Ostwestfalen aber waren die Rollen noch klar verteilt: „Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen, soll man beizeiten die Hälse umdrehen“, sagte mein Mathelehrer, als ich nach der Stunde ein Liedchen pfiff. Uhura hätte so eine Bemerkung sicher schlagfertig pariert.

Der erste TV-Kuss zwischen Schwarz und Weiß

Zusammen mit Captain James T. Kirk schrieb sie Fernsehgeschichte: Der Kuss der beiden in der Folge „Platos Stiefkinder“ galt lange als der erste zwischen zwei Menschen verschiedener Hautfarbe. Das Drehbuch hatte das ziemlich feige eingefädelt: Kirk und Uhura küssen sich nur unter telekinetischem Zwang einer dekadenten Gruppe von Außerirdischen und nur zu deren Ergötzen. Inzwischen hat der „Guardian“ einen wesentlich früheren Kuss zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann im britischen TV ausgegraben. Die kulturelle Leistung für die USA aber bleibt.

Erst später erfuhr ich, dass Nichelle Nichols gar nicht so glücklich auf der Enterprise war, weil ihr Text immer wieder zusammengestrichen wurde. Am Ende der ersten Staffel hätte sie beinah alles hingeschmissenen, weil sie ein tolles Angebot vom Broadway bekam. Kein Geringerer als Martin Luther King überredete sie, die Rolle zu behalten. Denn: „Es ist das erste Mal, dass wir im Fernsehen so dargestellt werden, wie man uns jeden Tag sehen sollte“, sagte er zu Nichols.

Später verlor ich „Raumschiff Enterprise“ etwas aus den Augen. Das Leben hielt nun echte Abenteuer für mich bereit. Doch als 1990 die deutsche Ausstrahlung von „Star Trek – Das nächste Jahrhundert“ begann, schaltete ich hin und wieder ein. Sehr richtig bemerkt Howard, einer der Nerds in der Serie „The Big Bang Theory“, dass Captain Jean-Luc Picard insgesamt Captain Kirk vorzuziehen sei. Dieser Kommandant knüpfte noch einmal an die humanistische Vision der ursprünglichen Serie an: Verständigung über alle Grenzen hinweg, Toleranz gegenüber anderen Kulturen und die Gleichwertigkeit aller Lebewesen.

Friede, Freude und kleine Unterschiede

Das mag sich weit hergeholt anhören für eine Fernsehserie, die nach der dritten Staffel eingestellt wurde, weil der kommerzielle Erfolg zunächst ausblieb. Doch Schöpfer Gene Roddenberry hatte wirklich Höheres im Sinn: „Star Trek war ein Versuch zu sagen, dass die Menschheit Reife und Weisheit erreicht, wenn sie die kleinen Unterschiede, die es innerhalb unserer Art gibt, nicht nur toleriert, sondern eine besondere Freude an unterschiedlichen Ideen und Lebensformen findet. Wenn wir es nicht schaffen, uns an den kleinen Unterschieden innerhalb unserer Art hier auf unserem Planeten zu erfreuen, verdienen wir es nicht, in den Weltraum zu fliegen und die Mannigfaltigkeit kennenzulernen, die dort draußen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit existiert.“

Ergriffen davon wurde ich erst wieder, als 2009 das Prequel „Star Trek“ ins Kino kam. Es deutet eine Liebesgeschichte zwischen Uhura und Spock an. Echte Trekkies mögen geahnt haben, dass zwischen den beiden etwas lief. Wenn ich heute im Netz eine Folge der ursprünglichen Serie sehe, werde ich ein bisschen traurig. Die Helden meiner Kindheit erscheinen mir nun blutjung. Die Welt hat sich weitergedreht, doch die Unterschiede zwischen den Menschen sind immer noch Grund für Hass und Gewalt. Für „Star Trek“ aber hat sich erfüllt, was sich die Vulkanier wünschen, wenn sie sich grüßen: „Live long and prosper“.

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