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Krimi-Komödien: Bayern-Alarm

Nach Hattinger nun Eberhofer: „Tatort“-Assistenten drängen in die erste Reihe. Vom Bodensee zieht es Sebastian Bezzel nach Niederbayern.

Der ARD-„Tatort“ ist derzeit wohl das spannendste TV-Format für prominente Schauspieler. Til Schweiger, Wotan Wilke Möhring und Nora Tschirner haben sich bereits verpflichten lassen, selbst Kabarettist Frank-Markus Barwasser wird demnächst beim Franken-„Tatort“ einsteigen und der SWR hat bei Heike Makatsch angefragt. Für die Assistenten der „Tatort“-Kommissare geht es hingegen genau in die andere Richtung. Vor allem die Bayern in die erste Reihe.

Gerade erst hat man den Münchener „Tatort“-Langzeitassistenten Carlo Menzinger alias Michael Fitz als Kommissar Hattinger in seinem ersten „Chiemsee-Krimi“ gesehen, nun bekommt mit Sebastian Bezzel am Donnerstagabend die Nummer zwei des „Tatort“-Teams vom Bodensee als Dorfpolizist Franz Eberhofer einen eigenen Regionalkrimi in der ARD.

In Konstanz gibt der aus Garmisch-Partenkirchen stammende Bezzel seit 2004 als überaus korrekter Kommissar Kai Perlmann zweimal jährlich den Assistenten von Kriminalhauptkommissarin Klara Blum, dargestellt von Eva Mattes. Ganz und gar nicht so korrekt, sondern äußert locker, ja fast schon phlegmatisch ist Bezzel nun erstmals als Dorfpolizist Franz Eberhofer zu sehen. Sein Revier ist der fiktive Ort Niederkaltenkirchen in Niederbayern. Eberhofer wird bald 40, lebt immer noch dahoam und hängt lieber abends mit den Kumpels in der Wirtschaft, als sich dauerhaft an Freundin Susi zu binden. Sein kiffender Vater liebt die Beatles und die Marihuanapflanzen hinterm Haus. Der Bruder ist längst ausgezogen, er schwärmt für seine anschmiegsame Thai-Frau. Die einzige Frau im Hause Eberhofer ist die schwerhörige Oma, die allerdings wunderbar kochen kann. Überhaupt spielt Essen in Buch und Film eine nicht unerhebliche Rolle.

Franz Eberhofer geht das Leben entspannt an. Als Dorfsheriff fährt er gemächlich in seinem Uralt-Audi durch den Ort, hebt ab und an grüßend die Hand, wenn er sich nicht gerade beim befreundeten Fleischer mit Leberkässcheiben eindeckt oder die Fleischpflanzerl der Oma verdrückt. In Bayern ist die Romanfigur von Bestsellerautorin Rita Falk eine feste Größe. Die Verfilmung von „Dampfnudelblues“ lief in Bayern bereits im Kino; eine halbe Million Zuschauer sah im Sommer den „Eberhoferkrimi“.

Allerdings war Franz Eberhofer nicht immer der gleichgültige Wachtmeister, dem es völlig egal ist, wenn an das Haus des Schuldirektors „Stirb Du Sau“ gesprüht wird. Früher hat Eberhofer bei der Kripo in München gearbeitet, doch sein Partner und Freund Rudi Birkenberger (Simon Schwarz) hat einen überführten Kinderschänder mit einer Pistolenkugel entmannt. Eberhofer kam gerade noch um die Entlassung herum und erhielt in Niederkaltenkirchen eine zweite Chance. Ex-Kollege Birkenberger ist jetzt Kaufhausdetektiv.

Provinzkrimis aus Bayern sind derzeit in Mode, neben Eberhofer und Hattinger hatte in der vergangenen Woche Kultkommissar Kluftinger mit Schauspieler Herbert Knaup seinen dritten Einsatz. Auf volkstümliche Idylle wird weitgehend verzichtet, viele Zuschauer fremdeln schließlich bereits mit dem Dialekt. Auch Regisseur Ed Herzog kommt im Eberhofer-Krimi ohne handgeschnitzte Balkone mit Geranienkästen aus, auch wenn sich die eine oder andere hübsche Landschaft ins Bild schiebt. Umso stärker kontrastieren möglichst bizarre Leichenfunde das Bild. Der Gerichtsmediziner im Eberhofer-Krimi – das Drehbuch stammt von Grimme-Preisträger Christian Zübert – hat größte Schwierigkeiten, der Leiche des Realschuldirektors noch irgendwelche Erkenntnisse abzuringen, nachdem ein Güterzug sie in viele kleine Teile zerlegte. Nur der Kopf blieb im Ganzen erhalten. Als einfacher Polizist müsste das Eberhofer nicht weiter scheren, schließlich soll die Kriminalpolizei herausfinden, ob es sich um Mord oder Selbstmord gehandelt hat. Doch eine gewisse Kommissars-Neugier ist geblieben, und auch Ex-Kollege Birkenberger langweilt sich.

Alles zusammengenommen ist die Eberhofer-Premiere mehr Komödie als Krimi. Bezzel und Schwarz sind ein geniales Team, auch die Besetzung der Nebenfiguren, wie Eisi Gulp als Kiffer-Vater oder Daniel Christensen als weiterem Freund von Eberhofer, passt. Ein wenig erinnert das Ensemble an den Münster-„Tatort“, aber dem Spaß und der Quote muss das nicht schaden. Fortsetzungen sind laut ARD bereits in Planung.

„Dampfnudelblues. Ein Eberhoferkrimi“, Donnerstag, um 20 Uhr 15, ARD

Kurt Sagatz

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