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In Sorge um ein freies Internet: Bei Demonstrationen in mehreren deutschen Städten, wie am vergangenen Samstag in Berlin, wird vor allem gegen die zur Durchsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie nötigen Upload-Filter gekämpft.
© Bjoern Kietzmann

Protest gegen Uploadfilter: Aufstand der Generation Youtube

Uploadfilter und andere Zensurmaschinen: Warum die Reform des EU-Urheberrechts vor allem junge Menschen zu Tausenden auf die Straße treibt.

4,7 Millionen Unterschriften wurden europaweit gegen die Reform des EU-Urheberrechts gesammelt. In mehreren Großstädten wie Berlin, Frankfurt und Köln gingen Tausende zumeist junger Menschen gegen die Richtlinie auf die Straße, in der Hauptstadt fanden zuletzt gleich zwei Demonstrationen gegen die befürchtete Internet-Zensur statt.

Warum gehen die Menschen gegen das neue Urheberrecht und speziell gegen die Upload-Filter auf die Straße?

Sehr plakativ fasst der deutsche Videoblogger LeFloid die Gründe für den Protest in seinem Youtube-Kanal (über drei Millionen Abonnenten) zusammen. Jede Webseite wie Youtube, Soundcloud, Memebase oder solche mit Podcasts würden zur Nutzung von Uploadfilter gezwungen, wenn sie nicht gegen die neuen Regeln verstoßen wollen, führt er aus. Das EU-Vorhaben werde so zur gigantischen „Zensurmaschine“.

Bei jedem Bild, Musiktrack oder Soundeffekt müsse er dann nachweisen, dass er die Rechte daran erworben hat, was schlicht nicht möglich sei, so LeFloid. Wenn überhaupt könnten dann viele Blogs nur stark verzögert erscheinen, was die Meinungsfreiheit einschränke. Zudem könnten kritische Beiträge mit dem Hinweis auf das Urheberrecht verhindert werden.

Doch warum wird der Protest vor allem von jungen Menschen getragen?

Hinter der Auseinandersetzung wird zugleich ein Generationenkonflikt sichtbar. Die in der digitalen Welt aufgewachsene Generation Youtube wehrt sich gegen ein Gesetz, das „hinter geschlossenen Türen von Leuten beschlossen wird, die an einer analogen Welt wie vor hundert Jahren“ festhalten wollen. „Wir beschützen unser Nest, das Internet“, heißt es in einem Protestsong auf Youtube.

Julia Reda, die Europapolitikerin der Piratenpartei, sieht in der Richtlinie die Gefahr, dass das bisherige Internet damit ausschließlich in die Hände der Internet- und Medienriesen gelegt wird. Eine weitere Befürchtung: Uploadfilter könnten unter totalitären Umständen gegen Dissidenten eingesetzt werden.

Was wird mit der Richtlinie bezweckt?

Das grundsätzliche Ziel besteht darin, die zuletzt im Jahr 2001 geänderten Regeln an die digitale Zeit anzupassen. Vor allem sollen die großen internationalen Plattformen dazu verpflichtet werden, mehr als nur Trinkgelder an die Urheber zu zahlen. Stichwort: Faire Vergütung. Damit Plattenfirmen und Zeitungsverlage, aber auch Musiker und Autoren, angemessen für ihre Arbeit entlohnt werden, sollen die Internet-Plattformen Lizenzgebühren an die Urheber beziehungsweise an Rechteverwertungsgesellschaften zahlen. Zudem sollen Urheber frei entscheiden können, wo ihre Inhalte erscheinen – und wo nicht.

Welche inhaltliche Kritik daran gibt es?

Befürchtet wird unter anderem, dass ein europäisches Leistungsschutzrecht für Verlage – wie in Absatz 11 der Richtlinie vorgesehen – am Ende ebenso weitgehend wirkungslos bleibt wie das 2013 in Deutschland eingeführte System. Vor die Wahl gestellt, den Plattformen auch längere Zitate unentgeltlich einzuräumen oder nicht mehr von ihnen gelistet zu werden, entschieden sich die deutschen Verlage für den Verzicht auf Vergütung. Sollte es zu einer verpflichtenden Entlohnung in der EU kommen, könnte dies – so wird befürchtet – besonders zu Lasten kleinerer Medien führen. Dies könnte dann die Meinungsvielfalt in einer ohnehin durch den digitalen Wandel geschwächten Medienwelt weiter senken.

Im Zentrum der öffentlichen Kritik stehen jedoch die Uploadfilter, obwohl sie in der Richtlinie gar nicht explizit genannt werden. Warum?

Vorgesehen sind technische Lösungen, mit denen verhindert werden soll, dass Inhalte entgegen der neuen Richtlinie auf die Plattformen gelangen, seien es Songs ohne Lizenzvereinbarung oder Filme, bei denen der Verleiher zwar einen Teaser gestattet, sich aber klar gegen die vollständige Verbreitung ausgesprochen hat. Allein wegen der großen Anzahl sei dieser Schutz nur mit automatisierten Vorkehrungen – den Uploadfiltern – möglich. Doch diese Technik sei fehleranfällig, unter anderem weil sie nicht zuverlässig zwischen urheberrechtlich geschützten Inhalten und zum Beispiel Parodien oder veränderten Inhalten für Internet-Memes unterscheiden könne.

Ein weiteres Problem besteht nach Ansicht der Kritiker darin, dass solche technisch aufwendigen Filter wie das Content-ID-System von Google und Youtube von kleineren Plattformen kaum selbst zu stemmen sind, diese also darauf angewiesen sein könnten, solche Lösungen zu lizenzieren. Damit würde die Abhängigkeit von den US-Plattformen nochmals verschärft.

Was bedeutet dies konkret?

Wiederum auf Youtube beschäftigt sich besonders der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke mit der neuen Richtlinie. Als Beispiel für praktische Probleme in der Umsetzung der Richtlinie verweist er auf seine Bilderplattform Piqs.de, auf der Fotografen ihre Werke unter Creativ-Commons-Lizenz anbieten. Wolle er gesetzeskonform bleiben, müsse er die Plattform schließen, da sie weder genügend Geld abwerfe, um die geforderten Lizenzen von allen Rechteinhabern zu erwerben noch die teuren Filterprogramme zu lizensieren. Die Ausnahmen für jüngere und kleinere Plattformen griffen in vielen Fällen nicht, so der Anwalt.

Welche Alternativen könnte es geben, die den Schutz der Urheberrechte gewähren, ohne die kreative Freiheit im Internet einzuschränken?

Anwalt Solmecke empfiehlt eine Art Leermittelabgabe auf Internet-Inhalte wie bei Kopierpapier in der analogen Welt. Volker Grassmuck vom Verein Digitale Gesellschaft (ein Mitveranstalter der Proteste in Deutschland) spricht sich für Pauschalvergütungen mit Verwertungsgesellschaften aus.

Wie sieht der weitere Fahrplan aus?

Die letzte große Hürde ist die für Ende März vorgesehene Abstimmung im EU-Parlament, danach müssen die Mitgliedsstaaten die Regelung innerhalb von 24 Monten in nationales Recht überführen. Vor der Abstimmung der Parlamentarier haben verschiedene Organisationen jedoch für den 23. März zu europaweiten Demonstrationen aufgerufen. Bis zu 50.000 Teilnehmer in Berlin und bundesweit bis zu einer halben Million kann sich Grassmuck vorstellen.

Eine Hoffnung der Kritiker richtet sich darauf, dass sich viele Politiker wegen des Internet-Protests – Stichwort #NieWiederCDU und #NieWiederSPD – mit Blick auf die Europawahl im Mai doch noch dafür entscheiden, die Urheberrechts-Novelle in der derzeitigen Form abzulehnen. Die beiden Parteien werden dafür kritisiert, dass sie dem EU-Kompromiss zugestimmt haben, obwohl im Koalitionsvertrag ein Nein zu Upload-Filtern steht.

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