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Kommisare Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) auf Würstchenjagd im ersten Weimarer Tatort.
© dpa

Tatort-Premiere: Auf Würstchenjagd in Weimar

Der erste „Tatort“ aus Weimar mit dem Duo Nora Tschirner und Christian Ulmen mischt Klassik mit Klamauk. Ein Blick auf das neue Ermittlerteam in Thüringen.

„Weimar schillert“ lautet eine städtische PR-Aktion, und tatsächlich jagt Lessing den Täter am Ende im Deutschen Nationaltheater, wo sich lauter vermeintliche Schillers versammelt haben. Verstecken kann sich das Böse überall, auch unter einer Perücke aus der Zeit der deutschen Klassik. Lessing wiederum ist kein als Dramatiker verkleideter Herr, so heißt vielmehr der neue Kommissar im „Tatort“ aus Thüringen. Er wird gespielt von Christian Ulmen (38/„Herr Lehmann“, „Dr. Psycho“), Nora Tschirner (31/„Keinohrhasen“, „Ijon Tichy“) ist seine Kollegin Kira Dorn.

Hier, im kulturell aufgeladenen Weimar, knallt also einiges aufeinander: Klassik und populäre Moderne, ein dem Vergangenen verpflichteter Ort und die Sehnsucht des Fernsehens nach Jugendlichkeit, auch Lyrik und Comedy. „Jägers Abendlied“ von Goethe trifft auf Würstchenwitze von zeitgenössischen Drehbuchautoren, musikalisch untermalt mit Bachs wohltemperiertem Klavier und einer Variation von Klaus Doldingers legendärer „Tatort“-Titelmusik.

Ein Zitatefestival mit witzigen Dialogen, manchmal auch gnadenlos albernen Scherzen in der Regie von Franziska Meletzky. Dazu eine abgedrehte Krimigeschichte um eine Leiche, die entführt wird, irgendwann tiefgefroren auftaucht und wieder verschwindet.

„Die fette Hoppe“, so der Titel dieses unterhaltsamen Festtagsmenüs, heißt im Film die führende Wurst der Stadt. Produziert von Weimars ungeliebter Wurstkönigin Brigitte Hoppe, die wie vom Erdboden verschluckt ist. In ihrem falsch geparkten Wagen findet die Polizei ihren Ausweis, ein Hackebeil und jede Menge Blut, aber keine Leiche. Der erste Verdächtige: Hoppes Sohn Sigmar, genannt das „Würstchen“, der allerdings im Beisein der Polizei von einem Entführer angerufen wird. Bei der Geldübergabe greift sich die Chefin des Gewerbeamtes das in einem Mülleimer platzierte Paket – allerdings wohl nur, weil ihr Kaugummi an Fingern und Papier kleben bleibt. Beim Verhör testet Lessing die Geschmacksrichtung und vermutet: „Toter Schlumpf“.

Der „Running Gag“ des Films ist übrigens der zunehmende Gestank in Kira Dorns Dienstwagen – und das nur, weil die Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger unbedingt diesen Satz unterbringen wollten: „Ah, das sieht mir nach einem klassischen Selbstmarder aus.“ Andererseits zitiert der irgendwann ebenfalls verdächtige Kutschfahrer korrekt seinen Goethe: „Im Felde schleich ich, still und wild, gespannt mein Feuerrohr.“ Natürlich heißt seine Tochter Lotte.

Diese unerschrockene Mixtur aus Klamauk und Klassik hat keinen tieferen Sinn, dafür aber eine angenehme Leichtigkeit, vor allem weil der Spaß mit Tschirner und Ulmen so gut funktioniert. Bei den Dreharbeiten war Nora Tschirner hochschwanger, was sich hier ganz souverän in die Handlung fügt. Kira Dorn erwartet keine Schonung und verbittet sich jede Nachfrage nach dem unbekannten Vater.

Die Fürsorge für ihren neuen Kollegen Lessing aus Hamburg, mit dem sie wegen eines Burn-Down-Syndroms pfleglich umgehen soll, fällt allerdings ebenfalls begrenzt aus. „Jetzt ist der richtige Moment für Ihre Dschungelprüfung“, ruft Dorn fröhlich, als es in der Wurstfabrik gilt, einen Bottich mit Fleischabfällen zu durchsuchen. Und Lessing greift beherzt zu. Nein, die beiden erweitern nicht das Arsenal an psychisch angeschlagenen Kommissartypen. Zugleich spielen Tschirner und Ulmer auch den größten Unsinn, bei dem man fast auf eingespielte Lacher wartet, mit großer Ernsthaftigkeit. Die skurrilen Typen, die Wortgefechte zwischen Kommissar und Kommissarin, das hat etwas von Screwball-Komödie .

Für „Tatort“-Puristen ist das womöglich nichts, auf atemlose Spannung ist dieser Krimi weniger aus. Eher auf ein vergnügliches Spiel mit dem Genre, beginnend mit einer vermeintlichen Geiselnahme, bei dem Lessing seine neue Kollegin mit dem, sagen wir, Pizzatrick herauspaukt. Der „Tatort“ parodiert sich hier ein bisschen selbst, auch wenn die Regeln im Großen und Ganzen eingehalten werden, auch wenn Dorn und Lessing durchaus keine Karikaturen sind und die Sache am Ende auch aufklären.

Eigentlich sollte der Film mit dem Gespann Tschirner/Ulmen ein Einzelstück bleiben, als Nebenprodukt hervorgegangen aus einem Ausschreibungsverfahren des MDR für ein neues Ermittlerteam, das der Sender schließlich in Erfurt ansiedelte. Nun soll es in Weimar doch weitergehen. MDR-Intendantin Karola Wille erklärte bei der Premiere im Weimarer Theater, dass es zumindest eine weitere Folge mit dem neuen Duo geben solle. Dagegen ist nichts einzuwenden.

„Tatort: Die fette Hoppe“; ARD, 26. Dezember, 20 Uhr 15

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