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Kiefer Sutherland, geboren 1966 in London als Sohn des Schauspielers Donald Sutherland, spielt mit der Rolle des Agenten Jack Bauer die Rolle seines Lebens. Sutherland ist derart mit „24“ verwachsen, dass er Co- Produzent der preisgekrönten US-Serie geworden ist – was seine Einflussnahme entscheidend erweitert hat. Sutherland, früher der junge Wilde in Kino („The Lost Boys“) und TV, besitzt mittlerweile eine eigene Filmfirma und führt Regie. Am 24. Mai wird der US-Sender Fox die finale Episode der achten Staffel zeigen. In Deutschland läuft „24“ aktuell in den Pay-TV-Programmen Sky Cinema und Sky Cinema HD. Im frei empfangbaren Fernsehen will Kabel Eins „24“ im Herbst zeigen.
© AFP

Interview mit Kiefer Sutherland: "Auf Jack Bauer bin ich immens stolz"

Die Echtzeitserie „24“ endet. In acht Staffeln hat Kiefer Sutherland den Agenten Jack Bauer gespielt. Ein Gespräch mit dem Schauspieler über Wirkungen und Nebenwirkungen der Serie und ihres Helden.

Herr Sutherland, warum hört „24“ mit der achten Staffel auf?
Der wahre Grund sind die Autoren, insbesondere Chefautor Howard Gordon. Normalerweise war das so: Ungefähr drei Monate vor dem Ende der Dreharbeiten zu jeder Staffel kam Howard zu mir und sagte: „Ich habe da eine großartige Idee für das nächste Jahr.“ Dieses Mal sagte er: „Ich habe ein echtes Problem. Mir kommt keine Idee. Es könnte sein, dass ich damit durch bin.“ Meine Antwort: „Wenn du damit durch bist, dann bist du damit durch.“

Aber Agent Jack Bauer wird nicht wirklich sterben?
Unser Grundkonsens war immer, dass wir in dem Moment unsere Idee von einem „24“-Film wahrmachen, wenn wir glauben, dass jede Fortsetzung das Vermächtnis der Serie beschädigen würde. Ein Film kann die zweistündige Präsentation eines 24-Stunden-Tages sein. Was bedeutet: keine Echtzeit, neue Freiheit. Also könnte Jack Bauer in Prag beginnen, durch Frankreich und Deutschland sausen und in England weitermachen – und es wäre sehr glaubwürdig. In der Echtzeit-Serie müsste der Zuschauer Bauer lange im Flugzeug fliegen und lange Auto fahren sehen. Das wäre so langweilig, wie Farbe beim Trocknen zuzusehen.

Ein Film, zwei Filme, viele?
Schwer zu sagen. Als wir „24“ starteten, dachten wir nicht an Staffel 2, schon gar nicht an Staffel 3 – und dann sind es acht geworden. Unser Fokus ist, all unsere Energie auf den ersten Film verwenden.

Am 24. Mai läuft im US-Fernsehsender Fox die definitv letzte Folge von „24“. Jack Bauer ist dann Teil der Fernsehgeschichte. Ein echter Verlust für Kiefer Sutherland?
Definitiv. Gut, im Film kann ich den Charakter ja immer noch fortentwickeln. Der wirkliche, schwere Verlust, und ich dachte, ich sei darauf vorbereitet, ist: Ich habe mit 125 Leuten 14 Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche gearbeitet, und das für zehneinhalb Monate über neun Jahre. Wir kamen uns sehr, sehr nahe. Ich habe mit dem Team mehr Zeit in meinem Leben verbracht als mit irgendjemandem sonst. Als sich die Dreharbeiten ihrem Ende näherten, waren wir wie zerschlagen. Hätte ich jemanden in die Augen geschaut, wäre ich buchstäblich auseinandergefallen. Der Verlust ist so tief, dass ich ihn noch gar nicht übersehe.

Haben Sie jemals bedauert, wie Sie Bauer gespielt haben oder spielen mussten?
Nein, auch wenn es Momente in den 188 Episoden gab, bei denen ich als Schauspieler sage, die würde ich mir gerne noch mal vornehmen. Lieber ruhig als rau, lieber rau als ruhig spielen – solche Vorwürfe werde ich mir so lange machen, bis ich sterbe. Worauf ich stolz bin, das ist die Gerade, dieses Geradlinige, was in dieser Figur steckt. Und auf den Charakter bin ich immens stolz.

Jack Bauer ist kein politischer Mensch, aber „24“ ist eine politische Serie, richtig?
Jack Bauer agiert wie ein Secret-Service-Mann. Er kann sich seinen Präsidenten nicht aussuchen – er hat ihn zu beschützen. Wie immer auch er den jeweiligen Präsidenten sieht.

Aber eine politische Serie? Die Republikaner in den USA lieben Jack Bauer und „24“.
Ich bin ein Demokrat, aber meine Politik als Demokrat wäre linker, als es die Politik der Demokraten in den USA ist. Ich weiß nicht, ob die Republikaner „24“ mehr schätzen, sie reden aber mehr darüber. Präsident Clinton und Präsident Obama lieben „24“ auch, wie ich gelesen und gehört habe. Die Serie wurde von beiden Parteien politisiert, gerade bei Wahlen.

Das aber war nicht die Absicht.
Nein. Die Serie wurde anderthalb Jahre vor den furchtbaren Anschlägen am 11. September 2001 konzipiert und geschrieben. „24“ ist das Fantasieprodukt der Autoren Joel Surrow und Robert Cochran. Ich wünschte, das wäre so auch geblieben. Unglücklicherweise haben sich Ereignisse in der realen Welt mit dem, was wir gemacht haben, gekreuzt. Wenn Sie so wollen, ist unser schlimmster Alptraum bei „9/11“ wahr geworden.

Trotzdem, will Amerika nicht, dass der Krieg gegen den Terrorismus so ausgekämpft wird wie Jack Bauer ihn kämpft? Folter darf schon mal dabei sein.
Auf keinen Fall. Wenn ein Autor oder ein Produzent in einer fiktiven Serie wirklich eine Anweisung für echtes politisches Handeln oder die Aktionen eines Geheimdienstes geben will, dann sollten sie sich gegenseitig noch einmal sehr tief in die Augen schauen. Ernsthaft kann keiner „24“ mit dem Geschehen in der realen Welt verwechseln. Dieser Unterschied, diese unterschiedliche Perspektive darf nie übersehen und nie aufgegeben werden. „24“ ist keine Dokumentation und hat noch nicht einmal den Anschein einer Dokumentation. Einen Effekt allerdings hatte „24“: Es hat Diskussionen angestoßen, denken Sie an die schrecklichen Folterungen in Abu Ghraib und ihre Verurteilung selbst durch höchste amerikanische Militärs, denken Sie an den Beschluss, Guantánamo zu schließen. „24“ war an den Debatten beteiligt.

Hat sich die öffentliche Wahrnehmung von Kiefer Sutherland geändert, seitdem Sie als Jack Bauer bekannt wurden?
Stimmt schon, dass mich mehr Leute mit „Jack“ anreden als mit „Kiefer“. Ich werde gerade von der jungen Generation stärker mit Jack Bauer identifiziert als mit anderen Rollen, die ich gespielt habe.

Wollten Sie jemals in einer so lang laufenden Serie mitwirken?
Nein. Aber das Verhältnis zwischen Fernsehen und Kino hat sich eben dramatisch verändert. Filme wie „French Connection“, „Ordinary people“ oder „Zeit der Zärtlichkeit“, die ich über alles liebe, werden für das Kino nicht mehr gedreht. Sie sind ins Fernsehen abgewandert – nehmen Sie nur Serien wie „NYPD Blue“, „Sex and the City“, „The Sopranos“, „West Wing“, „Mad Men“, „Californication“: Das sind die Stoffe, die ich als ein, ja mein Drama verstehe, Erzählungen, die mich als Schauspieler interessieren. Die bietet das Fernsehen an, also mache ich Fernsehen.

Aber „24“ ist die einzige Echtzeit-Serie geblieben. Kein Ableger nirgends.
So eine Serie ist beinahe unmöglich zu schreiben. Für die Autoren die Hölle. Es ist wie „Rubik’s Cube“, wie ein Zauberwürfel. Und dass ich damit spielen kann – das ist eines der größten Geschenke in meinem Leben.

Das Schlussbild von Jack Bauer in „24“...?
... wird nicht verraten. Aber es ist etwas zwischen Bauer und einer anderen Figur. Und es hat mich mehr bewegt, als ich gedacht hätte.

Liebe?
Eine Art Liebe.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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