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In Berlin ist die Re:publica 2015 gestartet.
© dpa

re:publica 2015: Auf der Suche nach Europa

Bereits die Eröffnung der re:publica macht deutlich: Die Netzkonferenz ist so politisch wie nie. Mit einem "Refugees Welcome" setzten die Organisatoren auch ein nicht-digitales Zeichen.

Sie hielten „Welcome“-Schilder in den Händen, als die Organisatoren der re:publica 2015 die Bühne betraten – doch die waren nicht für die Gäste gedacht. Es war ein „Refugees Welcome“, ein Willkommen an die Flüchtlinge, die nach Europa kommen - passend zum großen Thema „Finding Europe“, unter dem die Netzkonferenz dieses Jahr stattfindet. Bereits diese Geste ließ erkennen: Die re:publica ist in ihrer neunten Auflage so politisch wie nie zuvor.

Auch die Eröffnungsstatements von Johnny und Tanja Haeusler, Markus Beckedahl, Elmar Giglinger und Andreas Gebhard hatten ordentlich politischen Wumms. Besonders Beckedahl wetterte gegen die Vorratsdatenspeicherung und digitale Spizelei durch Geheimdienste, auch befeuert von der jüngsten BND-Affäre.

Er komme sich vor wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Überwachung, die Vorratsdatendebatte – alles schon da gewesen in den vergangenen Jahren, alles diskutiert, problematisiert – und doch aktuell wie nie. In diesem Sinne schickte Beckedahl auch gleich noch einen Gruß an den EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger: Jemand, der Netzaktivisten mit den Taliban vergleiche, sollte sich auf einer Veranstaltung wie der re:publica wohl besser nicht blicken lassen.

Mehr als 850 Speaker aus 60 Ländern konnten die Organisatoren ankündigen; einer, auf den viele gespannt gewartet hatten, betrat gleich nach dem Opening die größte Stage. US-Netzaktivist Ethan Zuckerman ist neben Netflix-Chef Reed Hastings einer der Stargäste in diesem Jahr. „Mistrust“ war sein großes Thema, oder, wie es der Titel seiner Keynote verriet: „The system is broken – and that’s the good news“. In Zuckermans Talk kamen bittere Fakten vor: Die Mehrheit der Amerikaner misstraut Politikern, Medien, NGOs – eigentlich allen großen, bedeutenden Organisationen. Bis auf das Militär. Waffen machen glaubwürdig. Und, Überraschung: In Europa verhält sich das kaum anders.

"Dieses Internet wollen wir nicht"

Globales Misstrauen macht sich breit, dennoch sprach Zuckerman von einem „goldenen Zeitalter des Protests“. Nie sei es so einfach gewesen, Leute auf die Straße zu bringen, Social Media sei dank. Problem: Diese Proteste sind zwar die größten, die es jemals gab – aber auch die schwächsten. Sie verschwinden ebenso schnell von der Bildfläche, wie sie erschienen sind. Was also tun, um diese Proteste zu kanalisieren, das Misstrauen nutzbar zu machen? Zuckermans Vision basiert auf dem Internet, das alle diese Probleme lösen wird. Später.

Es gäbe zu wenige und nicht die richtigen Tools, um konstruktives Monitoring von Politik und dezentrale Politstrategien aufzubauen. Mit anderen Netzaktivisten arbeitet Zuckerman aber daran. Das Netz ist keine Magie, die alles ändere, sagte er: „The Web we have is very different from the web we want“.

Zeitgleich lief auf Stage 2 „Flüchtlinge Willkommen“, eine Problematik, im Programm mit Frage- und Ausrufezeichen versehen. Mohamad al Ashrafani berichtete von seiner Flucht aus Syrien; seit acht Monaten wartet er auf die Prüfung seines Asylantrags. Auch das ist „Finding Europe“, außerhalb des Internets – aus einer wenig netzlastigen Perspektive, der die oft als Nerd-Konferenz betitelte re.publica nun Raum gibt. Viel Lob dafür gab es vom Publikum: Endlich komme ein direkt Betroffener in der Refugee-Debatte zu Wort, hieß es etwa auf Twitter. Politik ist das Netz, das Netz ist Politik. re:publica „Finding Europe“ nutzt dieses Potential.

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