Reaktion auf Umwandlung des Rundfunks in Staatsfunk: Arte unterbricht Zusammenarbeit mit dem polnischen Fernsehen
Arte erwartet, dass die Unabhängigkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederhergestellt wird. ZDF will Situation beobachten
Der deutsch-französische Kulturkanal Arte unterbricht die Zusammenarbeit mit dem polnischen TVP. "Infolge des am 31. Dezember 2015 in Polen verabschiedeten Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Medien hat Arte entschieden, die vertraglichen Beziehungen mit TVP bis auf Weiteres auszusetzen", heißt es in einer Pressemitteilung. Es würden keine neuen Koproduktionen begonnen, solange Arte nicht die Gewissheit habe, dass die Meinungsfreiheit, die redaktionelle Vielfalt sowie die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen gewährleistet seien. Die Regierung der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski hat begonnen, die Schaltstellen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ihr genehmen Vertretern zu besetzen.
Arte und TVP arbeiten seit 2001 zusammen
Zwischen TVP und Arte besteht seit 2001 ein Assoziierungsabkommen, das die Grundlage für eine Kooperation zwischen den beiden Sendern wie zum Beispiel bei regelmäßigen Programmkoproduktionen, darstellt.
„Wir bedauern sehr, diese Entscheidung treffen zu müssen, da unserem Sender die Beziehung mit Polen besonders wichtig ist“, unterstrichen Peter Boudgoust, Präsident, und Anne Durupty, Vizepräsidentin von ARTE, in einem Brief an den TVP-Intendanten Jacek Kurski. „Wir hoffen, in den nächsten Monaten wieder enger mit TVP zusammenarbeiten zu können“.
Arte plant nach eigenen Angaben zum Herbst 2016, eine Auswahl an Programmen mit polnischen Untertiteln anzubieten. „Arte po polsku“ wird die bestehenden Angebote „Arte in English“ und „Arte en español“ ergänzen, die dank einer Kofinanzierung durch die Europäische Union seit Herbst 2015 auf der Webseite abgerufen werden können.
ARD und ZDF reagieren verhalten
Wie reagieren nun ARD, ZDF und France Télévions, die Eigentümer von Arte sind. Ein ZDF-Sprecher sagte, "es handelt sich hier um eine alleinige Entscheidung von Arte. Das ZDF beobachtet die Situation aufmerksam." Ein ARD-Sprecher verwies auf die Protestnote der Europäischen Runkfunkunion gegen das polnische Mediengesetz. Für den MDR sagte Sandro Viroli, Direktor des Landesfunkhauses Sachsen, dem Tagesspiegel: "Wir beobachten und begleiten die Ereignisse in Polen auch hinsichtlich der Mediengesetzgebung und -debatte in unseren Programmen ausführlich und mit unserem journalistischen Selbstverständnis. Unsere Zusammenarbeit mit den Redaktionen in Warschau und den grenznahen Regionen sehen wir als bewusstes und gewolltes Angebot zusammen mit den Redaktionen diesseits und jenseits der Grenze ein Bild der kulturellen, gesellschaftlichen und auch politischen Gegebenheiten zu vermitteln. Insbesondere sehen wir uns in der Funktion eines „offenen Gesprächskanals“ zwischen den Redaktionen." Da die Leitungspositionen innerhalb der Zentralstrukturen von TVP und Polskie Radio neu besetzt worden seien, würde derzeit die Haltung des MDR zu den Zielen unserer Zusammenarbeit. Schwerpunkt unserer aktuellen Projekte ist die Berichterstattung über das Kulturhauptstadtjahr in Breslau.
Seit dem Sendebeginn 1992 ist Arte Partnerschaften mit zahlreichen öffentlich-rechtlichen Sendern eingegangen: RTBF (Belgien), ORF (Österreich), ČT (Tschechische Republik) sowie SSR – SRG (Schweiz), YLE (Finnland) und ERT (Griechenland).
Kritik an den TVP-Nachrichten
Das nach dem umstrittenen neuen Mediengesetz in Polen umgebaute öffentlich-rechtliche Fernsehen gerät zunehmend in die Kritik. Der Rundfunkrat in Warschau warf den Nachrichten des Senders TVP am Freitag Einseitigkeit und Propaganda vor. Bemängelt wurde unter anderem, dass ein überwiegend negatives Deutschland-Bild vermittelt werde. Der Rundfunkrat erklärte, in drei untersuchten Sendungen der beliebten TVP-Abendnachrichten habe der Programmrat mehrere Verstöße gegen Pluralismus und Neutralität festgestellt. An einem Stichtag sei in sechs von sieben Beiträgen Negatives zu Deutschland vermittelt worden. Insgesamt kämen in den Nachrichten zu viele Personen aus dem radikalen politischen Bereich zu Wort. Der Rundfunkrat schlug die Überwachung durch eine unabhängige Instanz vor, um „regierungsnahe Propaganda“ zu vermeiden. Seit der Ernennung von Marzena Paczuska zur Programmchefin der TVP-Nachrichtensendung „Wiaodmosci“ am 12. Januar änderte sich deren Ausrichtung deutlich zugunsten der Regierungspolitik. Die Nachrichtensendung ist mit rund 25 Prozent Marktanteil und mehr als vier Millionen Zuschauern die beliebteste in Polen.
Vertreter der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) erklären ihrerseits, dass die öffentlich-rechtlichen Medien unter der Vorgängerregierung „Propaganda“ für die damalige Regierungspartei „Bürgerplattform“ verbreitet hätten. Ministerpräsidentin Beata Szydlo äußerte sich am Freitag im Boulevardblatt „Super Express“ erfreut darüber, dass die Nachrichtenbeiträge nun „auf eine sachliche Weise“ vermittelt würden. (mit epd)