Bela Rethy, Katrin Müller-Hohenstein: ARD und ZDF wehren sich gegen Kritik an Reportern bei WM 2014
Viele Familien, hoher Frauenanteil vor dem Bildschirm: Nach der Kritik an ihren Reportern kontern ARD und ZDF - die Fragen dürften bei einer WM nicht immer nur rein sportlicher, sondern auch mal atmosphärischer Natur sein.
„Sülz-Null-Nummer“, „Banalitäten-Hitparade ohne Ende“, „verlängerte Pressestelle des DFB“, „Larifari-Journalismus im deutschen Quartier“ – tagelang wurde von Fernsehkritikern auf die Kommentatoren und Moderatoren von ARD/ZDF eingedroschen. Auch von Tagesspiegel-Kolumnisten, die die WM im TV täglich verfolgen . Jetzt wehren sich die Sender. „Ich kann die Aufregung zum Teil nicht nachvollziehen“, ließ ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky nach gut zwei Wochen Turnier am Mittwoch mitteilen. Für ihn sei das meiste „Geschmackssache“. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz wies darauf hin, dass sich diese Kritiken „nicht mit den bei uns protokollierten Zuschauerreaktionen an den Spieltagen decken“. Die Kritik beziehungsweise die Polemik, die über die Reporter und Moderatoren ausgeschüttet wird, sei bei anderen Großereignissen schon heftiger gewesen.
Vielleicht ist man solche Reporterschelte von Senderseite schon gewohnt. Bemängelt wird vor allem vermeintliche „Hofberichterstattung“ der öffentlich-rechtlichen Sender aus dem Lager der deutschen Nationalmannschaft Campo Bahia sowie ein „distanzloser Ranschmeißjournalismus“. ARD-Mann Balkausky stellt sich angesichts der Heftigkeit dieser Kritiken die Frage, „ob sich die Wertigkeiten nicht sehr verschoben haben, wenn so viele Printjournalisten über Leistungen von Fernsehjournalisten schreiben. Wir sind hier bei einer Fußball- und nicht bei einer Fernseh-WM“. Natürlich gehe das alles an den ARD- und ZDF-Journalisten nicht spurlos vorüber. „Die Kritik, negativ wie positiv, bekommen die Kollegen und ich natürlich mit“, sagte Balkausky im Interview der Nachrichtenagentur dpa. Er bemüht sich genau wie etwa der viel gescholtene ZDF-Reporter Béla Réthy um Gelassenheit – so weit das möglich ist.
Leben in der Todesgruppe
Man müsse sich „davor hüten, die Beleidigungen als repräsentativ zu empfinden“, kommentierte Réthy die Kritik: „Es sind Teilchen der Gesamtwahrnehmung.“ Aus den Erfahrungen der letzten Turniere weiß Réthy, dass alle Studien und Auswertungen eine sehr hohe Akzeptanz der Arbeit von ARD und ZDF ausgewiesen hätten. Er selbst ist schon mehrfach ausgezeichnet oder zum besten Fußball-Kommentator gewählt worden. Gleichzeitig gibt es aber auch eine eigene Facebook-Seite „Béla Réthy gefällt mir nicht“, die von fast 7000 Usern geliked wurde und gerne Réthy-Sätze wie diesen vom entscheidenden Dienstagsspiel Italien gegen Uruguay aufspießt: „Es herrscht Leben in der Todesgruppe.“ Oder neulich beim Spiel Belgien gegen Russland: „Ein 0:0 zur Halbzeit, was sich auch anfühlt wie ein 0:0.“ Zu solchen Anfeindungen im Internet sagte der ZDF-Reporter: „Es ist kein Spiegelbild der Einschätzung von vielen Millionen Zuschauern. Wir haben während dieser WM eine Menge zu arbeiten, verbunden mit vielen Reisen, so dass ich kaum die Zeit aufbringe, im Netz nach Kommentaren zu forschen.“ So wird die Freude von ARD und ZDF über sehr gute Fernsehquoten in diesen Junitagen etwas getrübt, wenn nach zwei Wochen Fußball-WM und harter Fernseharbeit hängen bleibt, dass ZDF-WM-Quartier-Reporterin Katrin Müller-Hohenstein (kurz: KMH) mit Lukas Podolski am Pool im Wasser planscht oder sich mit Hansi Flick über Jogi Löws Musikgeschmack zu unterhalten versucht.
Dieter Gruschwitz gibt in dem Zusammenhang zu Bedenken, dass bei einer Fußball-WM – anders als bei einer Bundesliga-Sendung – viele Familien vor dem Bildschirm sitzen, dazu kommt ein hoher Frauenanteil. Die Fragen dürften deshalb nicht immer nur rein sportlicher, sondern auch mal atmosphärischer Natur sein. Im Hauptfokus der Kritik stehen aber immer wieder die Kommentatorenleistungen.
Der Sportkoordinator des Ersten hat nach eigener Aussage mit Kritik kein Problem – wenn sie „nachvollziehbar und in einer angemessenen Form geäußert“ werde. „In einer Live-Reportage ist nicht jedes Wort wohlformuliert, damit muss man leben“, sagte Balkausky der dpa. „Das wissen auch die Print-Kollegen, die sich auskennen.“ Besonders groß war die Aufregung, als ARD-Reporter Gerd Gottlob das Wort „wir“ für die deutsche Mannschaft benutzt hatte. Darf ein Reporter das? „Das kann man, wenn man eine grundsätzliche Distanz zur Mannschaft hat und sich nicht scheut, die Mannschaft auch negativ zu kritisieren, wenn es erforderlich ist“, so Balkausky. Er könne das „für alle unsere Moderatoren und Reporter guten Gewissens sagen“. Ähnlich sieht es Béla Réthy. „Da gibt es für mich keine feste Regel“, entgegnet der Moderator auf die „Wir“-Frage. Er versuche, das vermeintliche Tabuwort zu vermeiden. „Wenn ein Kollege das für sich anders empfindet, ist es legitim.“ Das erste vom ZDF übertragene Spiel der deutschen Mannschaft bei dieser WM am Donnerstag wird übrigens nicht von Réthy, sondern von Oliver Schmidt kommentiert. Réthy darf im möglichen Achtelfinale mit Deutschland am Montag ran.
Über den Kritikpunkt, ARD und ZDF seien die „PR-Kompanie des DFB“, kann Axel Balkausky „nur noch lachen. Wir betreiben Journalismus wie alle anderen auch.“ Die ARD habe „im Disput zwischen Zwanziger und Niersbach beide Seiten zu Wort kommen lassen.“ Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger und Nachfolger Wolfgang Niersbach hatten sich vorm ersten WM-Spiel der DFB-Auswahl verbal heftig attackiert. Der Vorwurf „PR-Kompanie des DFB“ klinge griffig, sei aber „kompletter Unfug“, ergänzt ZDF-Sportchef Gruschwitz.
Das wäre aus Kritikersicht fast nachvollziehbar, wenn KMH im Campo Bahia nicht doch manchmal das Atmospährische durchginge. „Am meisten bewundere ich Bundestrainer Joachim Löw", schwärmt sie nachts vorm Mannschaftshotel. „Und ich frage mich: Wie cool ist dieser Mann eigentlich?“ (mit dpa)
Markus Ehrenberg
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